Boris Becker bewegt. Das hat er immer getan. Auf dem Tennisplatz, dem Heiligen Rasen oder der verhassten Asche versammelte er seine Fans hinter sich. Sie litten, jubelten, verzweifelten mit ihm - und waren stets in der Mehrheit. Der kleine Rest, die Spötter, Kritiker und Zweifler, auch sie ließ Becker nie kalt. So ist es noch heute, am Tiefpunkt seines Lebens.
Trauer und Mitgefühl begleiteten ihn am Freitagnachmittag in London auf dem Weg ins Gefängnis. Langjährige Weggefährten schickten gute Wünsche, brachten ihre Fassungslosigkeit und Sorge um das einstige Idol zum Ausdruck. Alexander Zverev äußerte sich betroffen, ebenso DTB-Präsident Dietloff von Arnim und Barbara Rittner, Beckers Kollegin beim TV-Sender Eurosport. "Bleib irgendwie stark", schrieb die Bundestrainerin unter ein gemeinsames Bild bei Instagram.
Mehr als Beistand konnte sie ihm jedoch nicht mehr versichern. Das Urteil ist gefallen, zweieinhalb Jahre Haft, mindestens die Hälfte muss Becker absitzen, wenn ein möglicher Einspruch nicht doch noch Erfolg haben sollte. Und das Urteil ist gerechtfertigt, daran gab es auch am Tag danach kaum Zweifel, und das sahen auch die internationalen Medien so, deren Berichterstatter den Prozess wegen der millionenschweren Insolvenzvergehen staunend verfolgt hatten.
Besonders den britischen Boulevard bewegte Beckers Schicksal. Fotografen und Reporter hatten sich schon vor dem finalen Akt am Southwark Crown Court an die Fersen ihres Lieblingsdeutschen geheftet und entdeckt, wo er die Tasche für seine letzten Habseligkeiten gekauft hat, dass er vor der Urteilsverkündung durch Richterin Deborah Taylor eine Kirche besuchte und Blumen kaufte.
Boris Becker: "Das geht nicht spurlos an ihm vorbei"
Am Tag danach, als Becker die erste Nacht in einem Gefängnis hinter sich hatte, analysierte die Klatschpresse den einzigartigen "Absturz" (Daily Mail): "Ein unstillbarer Appetit auf Frauen, Häuser, Autos und Luxusleben" habe ihn ausgelöst. Als "Serving Time" verdichtete die Sun Beckers Leben zu einem Wortspiel zwischen Aufschlag und Haftstrafe.
Auch über die Grenzen der Insel hinaus, wo Becker durch seine Wimbledondramen erst Respekt und später eine Heimat gefunden hatte, erkannte die Presse die Tragik des "verblüffenden Falls" (New York Times). "Es ist der Tiefpunkt einer Karriere, die völlig aus dem Ruder gelaufen ist", schrieb die Neue Zürcher Zeitung. Die spanische AS sorgte sich um Becker: "Er sieht auch optisch angeschlagen aus, das geht nicht spurlos an ihm vorbei."
In Italien versuchte die Corriere dello Sport Hoffnung zu verbreiten: "In seiner Zelle wird Becker an die Strategie für den Neustart denken können. An Genie fehlt es ihm nicht." Doch sein Ruf sei ruiniert, befanden die Gazzetta dello Sport und Il Messaggero: "Zwei teure Scheidungen, der Unterhalt für vier Kinder und ein Leben aus Exzessen haben Beckers Stern verdunkelt."