Nach einer Woche wie im Rausch gönnte sich Jan-Lennard Struff am Montagmittag ein spätes Frühstück und sehnte sich dann nur noch nach Ruhe und seiner Familie. So sensationell sein Siegeszug auch war - der 33-Jährige wollte heim zu Frau Madeleine und den beiden kleinen Söhnen, um im beschaulichen Witten den Trubel von Madrid sacken zu lassen. "Ich glaube, ich war den ganzen April nicht zu Hause, und im März nur vier Tage", sagte der 33-Jährige bei Sky: "Ich freue mich einfach mal auf zwei Tage mit der Familie, dann gucken wir weiter."
Mit dem Einzug ins Finale eines ATP-Masters als erster Lucky Loser überhaupt hatte Struff Tennis-Geschichte geschrieben. Bundestrainer Michael Kohlmann würdigte dies als "eine grandiose Leistung, die gar nicht hoch genug einzuschätzen ist", der frühere deutsche Spitzenspieler Tommy Haas gratulierte bei Instagram zu "einem magischen Lauf".
Und auch wenn Struff das Happy End seines persönlichen Märchens durch Carlos Alcaraz verwehrt wurde, machte er sich mit ganz viel Rückenwind auf in Richtung Heimat. "Das ermutigt mich sehr für die nächsten Wochen und Monate", sagte Struff, nachdem er sogar den spanischen Überflieger Alcaraz beim 4:6, 6:3, 3:6 an den Rand der Verzweiflung getrieben hatte, und freute sich über den "größten Erfolg meiner bisherigen Karriere" - der ihn ganz nebenbei in ungeahnte Höhen katapultierte.
In der aktuellen Weltrangliste wird der Warsteiner auf Rang 28 geführt, so hoch wie nie zuvor. Und schon bald könnte Struff sogar Olympiasieger Alexander Zverev den Status als deutsche Nummer eins abluchsen - denn während bei Struff der Trend steil nach oben zeigt, hat der nach seiner Form suchende Zverev (22.) durch seine beiden Halbfinal-Teilnahmen aus dem Vorjahr beim Masters-Turnier in Rom (ab Mittwoch) und den French Open (ab 28. Mai) viele Punkte zu verteidigen.
French Open: Struff "mag es, in Paris zu spielen"
Struff kann hingegen weiter befreit aufspielen. Den Feinschliff für Roland Garros will er sich beim Challenger-Turnier in Bordeaux (ab 14. Mai) holen, wie Struff dem SID am Montag vor seiner Abreise aus Madrid sagte. Für das Grand-Slam-Highlight gebe es jedoch "jetzt kein Ziel, was ich öffentlich formulieren möchte".
Er denke, dass er seinen Erfolgslauf, der nach Verletzungssorgen in der vergangenen Saison und dem Absturz im Ranking bis auf Platz 167 zu Jahresbeginn umso erstaunlicher ist, aber erst "in den nächsten Tagen realisieren werde". Zeit dazu hat er im Kreise seiner Familie, denn auf den geplanten Start in Rom verzichtete er - schließlich hätte er nach dem Finale von Madrid am Sonntagabend bereits am Montag in der Qualifikation in der Ewigen Stadt aufschlagen müssen.
Mit solchen Sorgen wird sich Struff in der kommenden Zeit aber nicht mehr herumschlagen müssen, nach seinem Aufstieg in der Weltrangliste sind Qualifikationen erst einmal passe. Es winkt sogar ein Platz unter den gesetzten Spielern in Roland Garros - die Aussichten sind blendend.
"Viele Faktoren sprechen für gute French Open. Jan-Lennard hat eine super Position, viele Siege und viel Selbstvertrauen", sagte Davis-Cup-Teamchef Kohlmann dem SID. Auch Struff blickt hoffnungsvoll dem Sandplatz-Klassiker entgegen. "Ich mag es, in Paris zu spielen", sagte er: "Es ist auch relativ zügig, das ist cool."