Die erste Saison nach dem Rücktritt von Maria Höfl-Riesch steht vor der Tür (Sa., 9.30 Uhr im LIVE-TICKER). Bei SPOX spricht Susanne Riesch über das Karriereende ihrer Schwester, den Kampf gegen Verletzungen, Bode Miller und verrät, warum Sokrates sie antreibt.
SPOX: Frau Riesch, die erste Saison nach dem Karriereende Ihrer Schwester Maria Höfl-Riesch steht an. Der DSV hat eine außerordentlich erfolgreiche Sportlerin und die Identifikationsfigur schlechthin verloren. Wie groß ist dieses Problem für den deutschen Skisport?
Susanne Riesch: Klar ist Marias Karriereende ein Verlust. Aber es hilft nichts, die Situation ist jetzt halt so. Das war 2005 und 2006, als Martina Ertl-Renz und Hilde Gerg aufhörten, auch nicht anders. Da gab es einen Umbruch, dieses Problem haben andere Verbände auch. Aber es ist natürlich sehr schade für den DSV, gerade weil Maria noch relativ jung ist.
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SPOX: War Marias Entscheidung, die Karriere zu beenden, also nicht unnötig?
Riesch: Maria war sehr lange im Geschäft, sie war ja schon mit 16, 17 Jahren voll in die Weltcup-Mannschaft integriert. Ich habe mitbekommen, wie anstrengend das alles über diese lange Zeit für sie und ihren Körper war. Deshalb kann ich ihre Entscheidung voll und ganz nachvollziehen. Für ihren Körper war es die richtige Entscheidung. Und für sie generell sicher auch, denn sie hat sich das gründlich überlegt.
SPOX: Wurden Sie von Ihrer Schwester um Rat gefragt?
Riesch: Ich habe ihr da nicht groß reingeredet, aber sie fragte mich natürlich nach meiner Meinung. Letztlich war es aber ganz alleine Marias Entscheidung, und sie lebt mit dieser Entscheidung sehr gut. Wenn eine neue Saison losgeht, denkt mancher ehemalige Profi vielleicht: Mensch, hätte ich doch noch weitergemacht. Das ist bei Maria überhaupt nicht der Fall.
SPOX: Sie glauben also nicht, dass es irgendwann ein Comeback gibt?
Riesch: Nein. Wenn die ersten Rennen laufen, wird sie vielleicht mit einem weinenden Auge zuschauen, einfach, weil sie so lange dabei war. Aber trotzdem geht es Maria gut dabei, richtig gut. Außerdem ist sie ja nicht ganz weg.
SPOX: Als TV-Expertin für die "ARD" wird Sie weiterhin an den Pisten auftauchen.
Riesch: Genau, zwar nicht bei allen, aber doch bei vielen Rennen. Darauf freue ich mich und werde mir auch weiterhin den einen oder anderen Tipp von ihr holen.
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SPOX: Haben Sie Ihre Schwester schon gewarnt, nicht zu kritisch mit Ihnen umzugehen?
Riesch: (lacht) Das muss ich nicht, das macht sie sowieso nicht.
SPOX: Wer soll in Marias Fußstapfen treten?
Riesch: Es wäre falsch, jetzt jemanden mit diesem Druck zu belasten. Aber schwarz sehe ich nicht. Wir haben ein tolles Team mit vielen neuen Namen und jungen Gesichtern. Die werden sicher noch ein paar Jahre brauchen, aber da kommt etwas nach - bei den Jungs und bei den Mädels. Natürlich nicht in dem Umfang wie beispielsweise in Österreich, aber man darf durchaus optimistisch sein. Jetzt gibt es einen Generationenwechsel, es geht immer weiter.
SPOX: Weiter, immer weiter. Das passt zu Ihrem Lebensmotto, ein Zitat von Sokrates: "Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden."
Riesch: Genau. Man wird nie ohne Fehler ganz oben an der Spitze ankommen. Es gibt immer etwas, das man verbessern kann. Das Motto trifft also auch auf die besten Skifahrer zu. Außerdem geht es darum, beispielsweise nach Verletzungen nicht aufzugeben.
SPOX: Wovon Sie ein Lied singen können. In den vergangenen Jahren jagte eine schwere Verletzung die nächste. Wie geht es derzeit Ihrem Knie?
Riesch: Ich fühle mich körperlich fit, und das Knie fühlt sich ebenfalls gut an. Die erste große Verletzung ist jetzt drei Jahre her, zweieinhalb Jahre konnte ich mehr oder weniger gar nicht fahren. Vergangene Saison hatte ich in der Vorbereitung und während der Saison immer wieder Probleme, weil das Knie einfach nicht so belastbar war. Ich bin aber zuversichtlich, dass es nun besser läuft.
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SPOX: Sie mussten auf dem Weg zur Genesung zahlreiche Rückschläge wegstecken. Kam irgendwann der Gedanke ans Karriereende auf?
Riesch: Natürlich war das ein Thema, ich habe ans Karriereende gedacht. Es gab immer wieder Komplikationen, ich musste den Zeitpunkt meines Comebacks mehrmals nach hinten verschieben. Das war keine einfache Situation. Ich hatte zwischendurch Zweifel, ob ich jemals wieder so fit werde, um im Weltcup starten zu können. Aber ich habe mich durchgebissen, so mühsam es auch war - und das bereue ich keinesfalls. Wenn ich einfach aufgehört und nicht weiter gekämpft hätte, hätte ich es später womöglich irgendwann bereut.
SPOX: Wer hat Ihnen in dieser schwierigen Zeit beigestanden?
Riesch: Ich war unterwegs von Arzt zu Arzt und probierte viele Reha-Maßnahmen aus. Deshalb war ich so beschäftigt, dass nicht allzu viel Zeit zum Grübeln blieb. Meine Familie und meine Freunde halfen mir sehr und sprachen mir immer wieder Mut zu.
SPOX: Wie bekommt man den Gedanken aus dem Kopf, dass jederzeit wieder etwas passieren könnte?
Riesch: Wenn ich permanent daran denken würde, dass ich mich wieder verletzten könnte, wäre das eine Katastrophe. Derzeit denke ich eigentlich gar nicht daran. Aber das ist gar nicht so einfach. Wenn die Bedingungen nicht so gut sind, beispielsweise schlechte Sichtverhältnisse herrschen oder die Piste nicht optimal ist, fährt man unterbewusst ein wenig mit angezogener Handbremse. Das ist momentan noch ein bisschen mein Problem, aber das ist normal, und ich arbeite daran. Ich versuche, besonders die Tage zu nutzen, an denen das Wetter nicht sonderlich gut ist, um das herauszubekommen. Bei schönem Wetter kann schließlich jeder fahren. (lacht)
SPOX: Orientieren Sie sich dabei an Ihrem Vorbild Bode Miller? Auch der kam nach einer schweren Verletzung zurück.
Riesch: Stimmt. Bode finde ich als Skifahrer cool, er ist ein lockerer Typ. Aber als Vorbild würde ich ihn nicht mehr bezeichnen. Ich habe inzwischen meine eigene Geschichte als Skifahrerin. So ein richtiges Vorbild gibt es da eigentlich nicht mehr.
SPOX: Werfen wir einen Blick auf die anstehende Saison, die für Sie nach dem Auftakt in Sölden beginnt. Was erwarten Sie?
Riesch: Ich werde mein Bestes geben, dann schauen wir mal, was am Ende dabei herauskommt. Sollte es nicht erfolgreich sein, muss man sich am Ende der Saison mit den Trainern zusammensetzen und überlegen, wie es weiter geht. Aber daran denke ich derzeit nicht. Erst mal freue ich mich nur auf die neue Saison.
SPOX: Gibt es kein konkretes Ziel?
Riesch: Ich finde es ganz wichtig, sich ein konkretes Ziel zu setzen. Man muss vor Augen haben, wo man hin will. Das ist noch mal motivierender. Für mich ist das Ziel die WM in Vail/Beaver Creek im Februar 2015. Dafür muss ich im Weltcup einmal unter die Top 8 fahren oder zwei Mal unter die Top 15. Dieses Ziel habe ich mir zusammen mit den Trainern gesteckt, darauf arbeite ich hin.
SPOX: Wie sah die Vorbereitung aus?
Riesch: Wir waren die letzten Jahre im Sommer öfter in Neuseeland, diesmal waren wir in Zermatt. Die Trainingsverhältnisse waren in Neuseeland zuletzt nicht mehr optimal, bei uns in Europa dafür umso besser. Deshalb sind wir zu Hause geblieben. Danach waren wir auf unseren heimischen Gletschern. Mein Trainingsplan sieht vor, dass ich vier Tage die Woche auf Skiern stehe. Dazu kommen Konditionseinheiten und Regenerationsphasen.
SPOX: Was werden Sie kommende Saison außer dem Slalom machen?
Riesch: Ich werde mich erst mal ganz auf den Slalom konzentrieren. Wenn das gut funktioniert, fasse ich auch den Riesenslalom ins Auge. Im Training geht das ohnehin teilweise ineinander über.
SPOX: 2018 steigen die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Ist das noch ein Fernziel?
Riesch: Dieses Thema spielt momentan keine Rolle. Vom Alter her würde es zwar noch passen. Aber ich muss jetzt erst mal sehen, wie die Saison läuft und wie gut mein Knie mitmacht. Dann schaue ich weiter.