Das Karriereende von Maria Höfl-Riesch trifft den DSV hart, Wolfgang Maier findet es vor allem unnötig. Bei SPOX spricht der DSV-Sportdirektor über den Tag vor Höfl-Rieschs Rücktritt und ihre große Laufbahn. Er schaut trotzdem recht optimistisch in die Zukunft und ist voll des Lobes für Felix Neureuther.
SPOX: Herr Maier, es heißt, Sie hätten versucht, Maria Höfl-Riesch am Tag vor ihrem Rücktritt noch einmal umzustimmen. Wie muss man sich das vorstellen und warum hat es nicht geklappt?
Wolfgang Maier: Das heißt es, aber es stimmt nicht. Ich habe überhaupt nicht versucht, Maria umzustimmen. Da wäre ich Ihr ein schlechter Berater gewesen.
SPOX: Wie ist es dann abgelaufen?
Maier: Maria und ich haben ein Gespräch geführt, in dem wir in aller Neutralität abgewogen haben, was denn nun die bessere Entscheidung wäre. Da ging es um ihre Position und darum, was ich ihr als Sportdirektor geben kann, wenn sie weiterfährt. Aber es war nicht so, dass ich sie zu etwas überreden hätte wollen.
SPOX: Aber Sie hätten es schon gerne gesehen, wenn Höfl-Riesch weitergemacht hätte, oder?
Maier: Ja, natürlich. Diese Wertung habe ich am Ende des Gesprächs schon vorgenommen.
SPOX: Es wirkte bei der Verkündung des Karriereendes fast so, als habe Höfl-Riesch ein schlechtes Gewissen Ihnen gegenüber. Täuscht der Eindruck?
Maier: Sie hatte mir gegenüber kein schlechtes Gewissen. Maria war einfach hin- und hergerissen. Aber es ist so, dass es meiner Meinung nach überhaupt nicht notwendig war, jetzt aufzuhören. Wenn man einen Status wie Maria erreicht hat, muss man sich nicht nach jedem Ergebnis grämen. Egal wie es von außen bewertet wird. Maria ist in einer Position, in der sie es sich leisten kann, zu tun, was sie will. Aber sie hat sich entschieden, den Weg der Außendarstellung zu gehen.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Maier: Es wurde ja von allen Seiten kommentiert, ob es eine kluge Entscheidung ist und so weiter. Man sagt den Leuten ja dann später gerne nach, dass sie den Absprung verpasst hätten. Bei Maria ist es aber anders. Sie hatte bereits eine so wertvolle Position für den deutschen Sport eingenommen, dass man gar nicht mehr von einem verpassten Absprung hätte sprechen müssen. Mit 29 Jahren gehört Sie noch lange nicht zum alten Eisen. Aber so ist es nun halt.
SPOX: Also Sie respektieren ihre Entscheidung, können sie aber nicht nachvollziehen. Richtig?
Maier: Doch, ich kann die Entscheidung schon nachvollziehen und habe auch Verständnis dafür. Aus den eben genannten Gründen.
SPOX: Ist es überhaupt zu ermessen, was Höfl-Riesch für den deutschen Skisport geleistet hat?
Maier: Man muss das aus mehreren Blickwinkeln sehen. Maria ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit und Sportlerin. Sie hat Erfolge erzielt, die in der Form einmalig sind. In dieser Kategorie gab es zuvor nur Katja Seizinger und Rosi Mittermaier. Auf der anderen Seite hat ihr der Verband entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt und Möglichkeiten gegeben, um solch große Ziele zu erreichen. Es ist immer ein Geben und ein Nehmen. Eine Sportlerin wie Maria zahlt ihr vom DSV gegebene Strukturen mit dem x-fachen zurück durch ihre Erfolge. Trotzdem muss man sehen, dass der eine den anderen braucht.
SPOX: Höfl-Riesch ist also als Persönlichkeit wichtig. Muss es deshalb das Ziel sein, sie in Zukunft irgendwie im DSV zu integrieren?
Maier: Dass ihr bei uns Tür und Tor offen stehen, ist doch klar. Wir wären schlecht beraten, wenn wir jemanden wie Maria ausgrenzen würden. Das ist auch überhaupt nicht der Fall. Egal in welcher Position - bei uns wäre sie herzlich willkommen.
SPOX: Gab es deswegen schon konkrete Gespräche?
Maier: Nein. Dafür ist es viel zu früh. Maria fliegt jetzt erst einmal in den Urlaub. Wer weiß: Vielleicht wird es ihr ja langweilig, sie kommt zurück und fährt wieder Ski (lacht).
SPOX: Höfl-Rieschs Karriere war an Highlights nicht gerade arm. Was waren aus ihrer Sicht die Höhepunkte?
Maier: Sehr beeindruckend war ihr Slalom-WM-Titel in Val D'Isere. Genauso die Goldmedaille im Slalom in Vancouver. Ich nenne jetzt mal nur zwei Highlights, wobei es natürlich noch wesentlich mehr gab.
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SPOX: Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Es geht beim DSV schließlich auch ohne Höfl-Riesch weiter. Bekommen Sie beim Gedanken daran Angst?
Maier: Das nicht, aber Respekt. Gerade in meiner Position kann ich ja etwas mitgestalten. Derzeit sagen viele Medienvertreter, dass nichts nachkommen würde. Ich sehe das anders. Wir haben so eine ähnliche Situation wie 2006, als wir mit einem sehr jungen Team wieder angefangen haben und erst 2009 so richtig in Fahrt gekommen sind. Und Viktoria Rebensburg ist ja immer noch da. Sie ist eine Weltklasseläuferin.
SPOX: Aber es fällt derzeit schwer, an eine rosige Zukunft zu glauben.
Maier: Die ist nicht unbedingt zum jubeln - das ist schon richtig. Maria kann man nicht ersetzen. Aber es ist nicht so, dass wir im Frauenskisport jetzt keine Perspektive mehr hätten. Das werden wir, Sie werden es sehen, in spätestens zwei Jahren eindrucksvoll belegen.
SPOX: An welche Namen denken Sie dabei konkret?
Maier: Da lassen Sie sich mal überraschen. Ich will niemand mit Vorschusslorbeeren überschütten und unter Druck setzen. Aber es gibt die eine oder andere Kandidatin.
SPOX: Von heute auf morgen geht das aber eher nicht. In der kommenden Saison werden die Männer deshalb seit langer Zeit wahrscheinlich mal wieder besser sein als die Frauen. Daran muss man sich auch erstmal gewöhnen, oder?
Maier: Ich sehe das nicht negativ. Letztlich ist es die gleiche Sportart. Zu meiner Zeit als Frauen-Trainer gab es ja überhaupt keine Männer. Die Last ist jetzt ein wenig weg von den Frauen, jetzt ist mal die andere Seite dran. Ich habe da kein Problem, sondern bin froh, dass wir es überhaupt geschafft haben, den Herren-Rennsport wieder salonfähig zu machen.
SPOX: Das große Aushängeschild dabei ist Felix Neureuther. Wie bewerten Sie seine Saison?
Maier: Vor allem wenn man bedenkt, dass er sich hier und da selbst ein Bein gestellt hat, war es für ihn eine absolute Hammersaison. Er ist unser Zugpferd im gesamten Wintersport. Er kann mit den Medien umgehen und hat bewiesen, dass er nicht nur sporadisch im Kreis der Großen mitmischen kann. Vier Rennen hat er immerhin gewonnen, das ist eindrucksvoll. Dabei darf man die unglückliche Operation am Sprunggelenk nicht vergessen und seinen Unfall vor Olympia. Der Junge ist einfach klasse.
SPOX: Und wie fällt ihr Gesamtfazit beim Rückblick auf die vergangene Saison aus?
Maier: Das kann nur sehr positiv ausfallen. Wir haben drei Medaillen bei Olympia gewonnen, wir haben vier Medaillen bei den Juniorenweltmeisterschaften gewonnen. Wir waren 21 Mal auf dem Podium. Wir haben eine Abfahrtskugel gewonnen, mussten uns im Gesamtweltcup nur wegen einer Verletzung geschlagen geben. Wir haben bei den Herren den einen oder anderen historischen Sieg erreicht. Wir haben Kitzbühel gewonnen. Das kann nur gut aussehen. Allerdings muss man bei jeder Bilanz auch die Schwachstellen sehen.
SPOX: Die da wären?
Maier: Die guten Ergebnisse wurden überwiegend von nur fünf Leuten eingefahren. Und wir haben - was außer Diskussion steht - große Probleme in der Herrenabfahrt. Was die Speeddisziplinen bei den Frauen betrifft, haben wir in Zukunft das gleiche Problem. Wir dürfen nicht meinen, dass wir uns auch nur eine Zehntelsekunde ausruhen dürfen. Die Ausrichtung muss sein, die Schwachstellen zu bearbeiten.
SPOX: Die Lage aus deutscher Sicht in den Speeddisziplinen haben Sie sogar deutlich als Trümmerhaufen bezeichnet. Wie geht man so ein Problem an?
Maier: Das ist eine gute Frage. Im Endeffekt kann man nur versuchen, das Thema noch früher bei der Wurzel zu packen als es jetzt der Fall ist. Wir dürfen nicht warten, bis die jungen Leute in den DSV kommen - dann sind sie meistens schon 16 oder 17 Jahre alt. Wir müssen intensiver mit den Landesverbänden zusammenarbeiten, und gezielte Maßnahmen im Speedbereich ergreifen. Man muss außerdem den Eltern und den Athleten die Angst vor dem Abfahrtsrennsport nehmen. Dass er nicht nur gefährlich ist und nicht nur zu schlimmen Verletzungen führt. Es ist also klar: Da haben wir ein paar Aufgaben, die wir in Zukunft in Angriff nehmen müssen.
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