Emanzipation, Tristesse und Tyrannei

Von Adrian Franke
Die Fans waren in Falun nicht immer zahlreich anwesend
© getty

Die Nordische Ski-WM im schwedischen Falun ist Geschichte. Höchste Zeit für SPOX, zurückzublicken. Severin Freund besteigt den Skisprung-Thron, Norwegen läuft alles in Grund und Boden. Zudem: Exoten, Super Rydzek, Langlauf-Debakel und Eric Frenzels Enttäuschung.

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Freund endlich emanzipiert: Es war ein langer Weg, doch mit seinem Einzel-Gold von der Großschanze in Falun ist Severin Freund endgültig auf dem Skisprung-Thron angekommen. Oder um es mit den Worten von Bundestrainer Werner Schuster zu sagen: "Er hat sich endgültig emanzipiert und ist in die Top-Kategorie aufgestiegen. Im Moment ist er der beste Springer der Welt."

Keine Frage: Das erste deutsche Skisprung-Einzel-WM-Gold seit 14 Jahren bringt Freund, der außerdem das Mixed-Springen sowie Silber von der Normalschanze gewann, in eine Riege mit Martin Schmitt, Sven Hannawald und Jens Weißflog. Seine ungewollt komische Einlage mit Youtube-Potential war da schnell vergessen: Beim ersten Sprung (134 Meter) setzte Freund schon zum Jubel an - und hätte sich beinahe vor der Tribüne hingelegt. Gerade so konnte er sich noch abstürzen.

"Das braucht ein bisschen Zeit, bis ich das begriffen habe", so der überglückliche frisch gebackene Weltmeister nach dem Sieg, den er mit einem Schanzenrekord im zweiten Sprung (135,5 Meter) betoniert hatte: "Es war ein absolut geiler Wettkampf, in dem alles für mich gespielt hat und alles aufgegangen ist. Ich hatte zweimal brutal viel Spaß, einfach unglaublich." Viel mehr gibt es da nicht hinzuzufügen.

Apropos Skispringen und Top: Natürlich muss hier auch Carina Vogt erwähnt werden, die nach ihrem Olympiasieg WM-Gold im Einzel und im Mixed gewann. Prompt wurde im schwäbischen Degenfeld ein Carina-Vogt-Weg aus der Taufe gehoben.

Im Norden nichts Neues: Pure Dominanz, Zweiklassengesellschaft, oder, wie eine österreichische Zeitung schrieb, die "Norwegische Tyrannei" - wie man den Auftritt der Norweger bei der Nordischen Ski-WM auch bezeichnen müsste, in jedem Fall war es eines: Ski-Sport vom Allerfeinsten. Mit 20 Medaillen, darunter elf Mal Gold, sicherten sich die Norweger im Nachbarland den Sieg im Medaillenspiegel und holten damit häufiger Gold als irgendein anderes Land insgesamt an Medaillen verzeichnen konnte.

Während das deutsche Team im Langlauf ohne Medaille blieb, brillierten die Norweger vor allem hier und eilten im wahrsten Sinne des Wortes von Sieg zu Sieg. Ob Teamsprint, Staffel, Massenstart oder auch dem klassischen Sprint - an den Norwegern führte, um metaphorisch zu bleiben, kein Weg vorbei. Gleichzeitig gilt damit: Im Norden nichts Neues! Seit 1997, als Russland ausgerechnet in Trondheim dominierte, hat Norwegen bei jeder nordischen WM den Medaillenspiegel am Ende angeführt.

Björgen sammelt weiter: Bleiben wir noch für einen kurzen Moment bei den Norwegern und schauen auf die neue Rekordhalterin. Als Schlussläuferin hatte Marit Björgen der Langlaufstaffel nach dem verpatzten 10-Kilometer-Rennen den WM-Titel gesichert und dabei persönlich einen Rekord eingestellt.

Mit ihrem 14. WM-Titel zog die 34-Jährige mit der Russin Jelena Wälbe gleich. Ein anderer Rekord gehört der notorischen Edelmetall-Sammlerin bereits alleine: 31 Medaillen, davon 21 bei Weltmeisterschaften, hat Björgen bislang eingesackt.

Superman, bevor es cool war: Damit reicht es aber auch mit den Abo-Siegern aus Norwegen, immerhin gab es auch aus deutscher Sicht einiges zu feiern. Da wäre beispielsweise der zweite Platz im Medaillenspiegel mit insgesamt acht Medaillen (fünf Mal Gold), gleichbedeutend mit dem besten deutschen Ergebnis seit 41 (!) Jahren, als die DDR das Skispringen und die Nordische Kombination dominierten.

An der Aufteilung hat sich seither wenig geändert, wieder waren die Skispringer und die Kombinierer obenauf - während die Langläufer enttäuschten. Doch dazu später mehr. "Unsere Erwartungen und Ziele wurden noch getoppt. Das waren die erfolgreichsten nordischen Weltmeisterschaften, die es je für den Verband gab", frohlockte DSV-Präsident Franz Steinle anschließend.

Johannes Rydzek räumte gleich vier Medaillen ab - und machte ganz nebenbei den Superhelden-Jubel, bevor er durch den BVB cool wurde. Nach seinem Einzelsieg im Sprint zeigte Rydzek sein Erfolgsgeheimnis: Ein blaues Superman-Shirt, das er unter dem Trikot trägt. "Ich bin ein alter Comic-Fan, und bislang war es ein Glücksbringer", grinste der 23-Jährige.

Die Feel-Good-Stories: Kein sportliches Großereignis ohne die Außenseiter und Exoten, die zwar sportlich keine Chance haben, aber dennoch die Herzen der Zuschauer berühren. Da war beispielsweise Callum Watson, der beim Langlauf über 15 Kilometer auf Rang 72 eingelaufen war, 5:38 Minuten hinter Sieger Johan Olsson. Der Australier wäre per se schon ein Farbklecks in der Wintersport-Welt, doch dazu kommt seine dramatische Geschichte.

Bei einem Sprint im August war Watson unfassbar unglücklich gestürzt und der Ski seines Nebenmannes bohrte sich durch seine Rippen in die Lunge. Der rechte Lungenflügel kollabierte sofort, es gab später erneut Komplikationen - der Sunnyboy verlor seinen Optimismus, kämpfte sich aber zurück. "Es war zwar nicht im Ansatz das, was ich wollte, aber ich bin glücklich, überhaupt bei den Weltmeisterschaften zu laufen. Das hätte ich vor einem halben Jahr nicht für möglich gehalten", betonte er. Nächstes Ziel: Top 30 bei der WM 2017.

Noch schiefer als Watson dürfte Makeleta Stephan in ihrem Heimatland angeschaut werden, wenn sie von ihrer Leidenschaft berichtet. Stephan kommt aus Tonga und nahm als erste Sportlerin für das Inselkönigreich bei einer Nordischen Ski-WM teil. Kein Wunder - Tongas Skiverband wurde erst im Herbst 2014 offiziell anerkannt, ganze sechs Wochen bereitete sich die 36-Jährige vor, die zuvor mit Wintersport nichts am Hut hatte. "Ich hätte fast geweint, die Leute haben mich so sehr angefeuert", strahlte sie anschließend.

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