Andreas Wellinger hat in Oberstdorf den Auftakt der 72. Vierschanzentournee gewonnen und den deutschen Skispringern damit den erhofften Traumstart beschert.
Andreas Wellinger blickte aus tränenfeuchten Augen in den Oberstdorfer Nachthimmel, dann schmetterte er im Chor mit den Teamkollegen die Nationalhymne und verbeugte sich schließlich mit dem Glaspokal in der Hand vor 25.500 jubelnden Fans: Seinen märchenhaften Auftakttriumph bei der 72. Vierschanzentournee kostete der zweimalige Skisprung-Olympiasieger vollends aus. Nach ganz schweren Jahren hat sich Wellinger am Schattenberg auf bestmögliche Weise endgültig zurückgemeldet und darf nun vom ganz großen Coup träumen.
"Der Weg hierhin war brutal schwer, das macht mich extrem stolz. Es ist mit Abstand mein schönster Sieg. Die Fahnen, die Stimmung, die Kulisse, das ist alles einfach geil", sagte der 28-Jährige sichtlich bewegt, nachdem er dem Riesendruck standgehalten hatte. Wellingers Triumph war zwar bereits der 23. deutsche in der Oberstdorfer Tournee-Geschichte - mit Sicherheit aber einer der emotionalsten.
"Es ist unfassbar, ich bin megaglücklich. Es war eine irre Leichtigkeit da. Vor diesem Publikum zu gewinnen, ist unglaublich", sagte Wellinger, der 2019 einen Kreuzbandriss erlitten hatte und lange um die Rückkehr zu alter Stärke kämpfen musste. Nach einem Wahnsinnsflug auf 139,5 m hatte der Ruhpoldinger nach dem ersten Durchgang schon geführt. Erneut starke 128,0 m bei weitaus schwierigeren Bedingungen reichten dann, um mit insgesamt 309,3 Punkten den Angriff der brutal starken Ex-Tourneesieger Ryoyu Kobayashi (Japan/306,3) und Stefan Kraft (Österreich/298,9) abzuwehren.
Seit Sven Hannawald vor 22 Jahren hat kein Deutscher die Tournee gewonnen. Wellinger, der von seinen Olympiasiegen 2014 (Team) und 2018 (Einzel) weiß, wie man große Titel holt, hat nun einen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zur Nachfolge gemacht. "Dabei liegt mir Oberstdorf am wenigstens", sagte er: "Das Hindernis habe ich jetzt aus dem Weg geräumt. Jetzt wird es aber noch lange kein Selbstläufer."
Philipp Raimund zweitbester Deutscher
Zweitbester Deutscher war am Freitag der Oberstdorfer Lokalmatador Philipp Raimund als starker Sechster, der mit seinem besten Karriere-Ergebnis seinen großen Klubkollegen Karl Geiger (7.) noch abfing. Senkrechtstarter Pius Paschke kam auf Rang elf. Geiger hatte 2020 den zuvor letzten von nun 23 deutschen Siegen in Oberstdorf gefeiert.
Doch das war an diesem Abend fast nebensächlich, Wellinger überstrahlte alles. "Er ist weltklasse gesprungen", schwärmte Bundestrainer Stefan Horngacher: "Wir sind alle sehr froh, es war reichlich Druck auf dem Pedal."
Wellinger hatte vor zwei Jahren in Oberstdorf noch seinen Tiefpunkt erlebt hatte, als er als 51. in der Qualifikation gescheitert war, Nachwirkungen seiner schweren Knieverletzung. Auch wenn er bereits im Februar erstmals seit fünf Jahren wieder im Weltcup triumphiert hatte, war der Oberstdorf-Sieg nun etwas ganz besonderes: Nie zuvor in der Weltcup-Ära (seit 1979) hat ein Springer nach einem Kreuzbandriss einen Tournee-Wettkampf gewonnen.
Andreas Wellinger mit 1,66 m Vorsprung
Mit umgerechnet 1,66 m Vorsprung fährt Wellinger zur zweiten Tourneestation nach Garmisch-Partenkirchen. Dort steht an Silvester die Qualifikation (13.45 Uhr) und einen Tag später das traditionelle Neujahrsspringen (14.00 Uhr/jeweils ZDF und Eurosport) an - ein deutscher Springer hat seit Hannawald 2002 nicht mehr in "GAP" gewonnen.
Für Wellinger ist der Sieg in Oberstdorf derweil nur ein kleiner Schritt zum möglichen Tourneetriumph. Bei den vergangenen 25 Auflagen des Klassikers lag nicht einmal die Hälfte der Auftaktgewinner - zwölf - auch im Endklassement vorne. Noch schlimmer lief es für die DSV-Adler: Zehnmal gewannen sie seit 1992 am Schattenberg, nur Hannawald brachte den Vorsprung ins Ziel.
Vierschanzentournee - Auftaktspringen in Oberstdorf: Die Top 5 im Überblick
Rang | Name | Punkte |
1. | Andreas Wellinger | 309.3 |
2. | Ryoyu Kobayashi | 306.3 |
3. | Stefan Kraft | 298.9 |
4. | Lovro Kos | 289.7 |
5. | Marius Lindvik | 286.1 |
Vierschanzentournee: Auftaktspringen in Oberstdorf im Liveticker zum Nachlesen
Andreas Wellinger (GER) Gibt es für Ryoyu Kobayashi den vierten Sieg beim Auftaktspringen in Oberstdorf oder kann Andreas Wellinger beim ersten Springen der Tournee vor heimischer Kulisse zuschlagen? Der 28-Jährige lässt sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen und segelt bis auf auf 128 Meter runter. Die Noten sind auch top und damit ist der Sieg eingetütet! Wellinger feiert mit drei Punkten Vorsprung den Sieg.
Ryoyu Kobayashi (JPN) 124 Meter bräuchte Ryoyu Kobayashi, um sich die Spitze zu holen. Packt der Japaner die? Locker! Kobayashi zeigt, dass ihm die Schanze in Oberstdorf besonders gut liegt und kommt bei Rückenwind immerhin noch auf 129 Meter aus. Mit 7,4 Punkten Vorsprung geht es an Kraft vorbei an die Eins.
Stefan Kraft (AUT) Stefan Kraft nimmt einen großen Vorsprung mit in seinen zweiten Sprung und dürfte jetzt sicher die Führung übernehmen. Doch was kann er gegen Kobayashi und Wellinger vorlegen? Bei einer mächtigen Kante von hinten packt Kraft die 125 Meter und ist der neue Führende. Wie viel die Weite wert ist, wird sich dann gleich zeigen. Zwei Konkurrenten stehen noch oben.
Karl Geiger (GER) Kann Karl Geiger noch einmal den Angriff in Richtung Podium starten? Einfach wird es auf jeden Fall nicht, denn wie viele vor ihm, muss auch er sich jetzt durch viel Rückenwind kämpfen. Geiger winkt nach 122,5 Metern bei der Ausfahrt enttäuscht ab. Auch für ihn wird es nach hinten zurückgehen.
Michael Hayböck (AUT) Kann Michael Hayböck jetzt für den Wechsel an der Spitze sorgen? Auch nicht! Nachdem der 32-Jährige nicht sauber vom Schanzentisch wegkommt, werden es bei weniger Rückenwind als bei Lindvik 129 Meter. Hayböck wird einige Plätze zurückgespült.
Marius Lindvik (NOR) Die Rückenwindphase könnte das Feld noch einmal durcheinanderwürfeln und auch Marius Lindvik hat mächtig zu tun, um noch auf eine gute Weite zu kommen. Mit 127 Metern bleibt aber auch er am Ende hinter Kos. 3,6 Punkte fehlten zum slowenischen Konkurrenten.
Manuel Fettner (AUT) Der nächste Österreicher ist mit Manuel Fettner bereits an der Reihe. Auch für ihn ist es jetzt nicht einfach mit mehr Rückenwind und es braucht einen Topsprung, um Kos angreifen zu können. Fettner kommt auf 123,5 Meter und ist der nächste Athlet, der zurückgereicht wird.
Jan Hörl (AUT) Für Jan Hörl muss es jetzt an die 131 Meter gehen, wenn er Kos die Führung abnehmen möchte. Gelingen tut ihm das bei mehr Rückenwind aber nicht und nach 127,5 Metern rutschen Kos und Raimund an ihm vorbei.
Pius Paschke (GER) Pius Paschke ist als nächster DSV-Springer in der Spur. Die Verhältnisse lassen einen weiten Sprung auf jeden Fall zu, bringen kann Paschke den mit 130 Metern allerdings nicht. Da wäre noch mehr möglich gewesen für den 33-Jährigen. Paschke lässt im Finale noch mal liegen und muss abwarten, ob es für die Top Ten reicht.
Philipp Raimund (GER) Die Spannungskurve steigt langsam an und es geht in die Gruppe der letzten zehn Athleten. Eröffnet wird dieses durch Philipp Raimund aus Oberstdorf. Auf seiner Heimschanze sorgt er noch mal für Stimmung und bringt 135 Meter ins Tal. Für die Führung reicht das zwar nicht, Raimund kann aber allemal auf einen gelungenen Auftakt blicken.
Gregor Deschwanden (SUI) Ganz schwierige Situation jetzt für Gregor Deschwanden! Der Sprung ist zwar technisch besser als im ersten Durchgang, da er aber richtig viel Rückenwind vorfindet, stehen dann doch nur 122 Meter zu Buche. Für die Haltung gibt es 17er-Werte, für den Wind allerdings satte 19,6 Punkte dazu. Wo findet sich Deschwanden wieder? Platz fünf hinter Zajc.
Ren Nikaido (JPN) Der Japaner hat sich bislang auf der Schanze in Oberstdorf mit guten Sprüngen präsentieren können, jetzt aber passt es bei ihm nicht zusammen. Wenige Meter nach dem Tisch überkreuzen sich die Ski und er lässt Weite liegen. Nach 129 Metern wird es schwierig werden, sich in die Top Ten vorzuarbeiten.
Lovro Kos (SLO) Lovro Kos ist als nächster Slowene bereits unterwegs. Der erwischt wieder völlig andere Bedingungen mit Aufwind und darf im Auslauf über starke 139,5 Meter jubeln. In der Ausfahrt gibt es zwar Unsicherheiten, allerdings erst nach der Sturzlinie und so hat das keinen Einfluss auf die Noten. Kos nimmt Topwerte mit und übernimmt die Führung!
Timi Zajc (SLO) Auch für Timi Zajc heißt es, sich jetzt bei Rückenwind zu beweisen. Der Slowene löst diese Aufgabe besser als Leyhe und trotz kleiner Fehler sind immerhin noch 132 Meter für ihn möglich. Zajc sortiert sich hinter Prevc und Forfang auf dem dritten Platz der Zwischenwertung ein.
Stephan Leyhe (GER) Es wird laut im Stadion, denn mit Stephan Leyhe ist der erste DSV-Springer im Finale an der Reihe. Die Verhältnisse sind nicht einfach und nach einer Aufwindphase kommt jetzt wieder Rückenwind in den Hang. Der schmeckt Leyhe gar nicht und mit 119 Metern wird es heute nichts mit dem Platz unter den Top Ten werden.
Anze Lanisek (SLO) Anze Lanisek hat noch nicht zu der Schanze in Oberstdorf gefunden und auch jetzt platz der Knoten beim 27-Jährigen nicht. Mit 125 Metern bleibt Lanisek erneut hinter seinen Möglichkeiten und wird heute nicht vorne mitmischen können.
Johann Andre Forfang (NOR) Vor Johann Andre Forfang greift die Jury ein und es geht ein Gate nach unten, damit es bei Aufwind nicht zu weit geht. Bei Forfang geht es auf dieser Luke immerhin noch auf 136,5 Meter. Vorne bleibt aber Peter Prevc.
Junshiro Kobayashi (JPN) Im ersten Durchgang hatte Junshiro Kobayashi viel Glück mit den Bedingungen. Jetzt hat der Japaner es zwar wieder ordentlich, doch nach dem es jetzt am Schanzentisch zusammenpasst, geht es nicht weiter als 121 Meter und damit bis auf den vorletzten Platz nach hinten.
Simon Ammann (SUI) Simon Ammann geht mit leichten Aufwind über den Bakken und den weiß der Schweizer für seine Zwecke zu nutzen. Die Führung kann er Prevc nicht wegnehmen, nach 134 Metern ist die Laune beim 42-Jährigen aber richtig gut und Ammann lässt sich vom Publikum für einen guten Sprung feiern.
Peter Prevc (SLO) Im ersten Durchgang kam für Peter Prevc nicht der Sprung raus, den er sich vorgestellt hatte. Läuft es für den Slowenen jetzt besser? Und wie! Prevc stellt die Fehler auf den ersten Metern ab, kommt richtig ins Segeln und knallt die Latten bei 138 Metern in den Hang. Mit 14,1 Punkten geht es zunächst einmal souverän an die erste Position.
Alex Insam (ITA) Alex Insam vermasselt sein Timing am Absprung und der letzte Druck des Italieners geht ins Leere. Dadurch ist dann schon nach 122 Metern die Sache zu Ende. Auch für ihn wird es nach hinten gehen.
Daniel-Andre Tande (NOR) Daniel-Andre Tande dürfte auch nicht ganz zufrieden auf den Tag schauen, nachdem es jetzt bereits bei 125 Metern zur Landung geht. In der Haltung nimmt er zwar gute Werte mit, doch nach vorne bringen die ihn nicht. Mit 6,7 Punkten Rückstand wirft es ihn im engen Klassement auf Platz fünf zurück.
Roman Koudelka (CZE) Roman Koudelka holt heute seine ersten Punkte im Weltcup. Viele dürften es aber nicht werden, nachdem der Routinier aus Tschechien jetzt zu viel möchte und viel zu steil vom Schanzentisch wegkommt. Die Geschwindigkeit ist dahin und es geht nur auf 125 Meter.
Kamil Stoch (POL) Nach dem zähen Beginn im ersten Durchgang werden die Zuschauer jetzt mit guten Bedingungen und weiteren Sprüngen belohnt. Kamil Stoch löst Aigner nach 133 Metern direkt wieder von der Spitze ab und zeigt sich im Auslauf zufrieden über einen deutlich besseren Versuch.
Clemens Aigner (AUT) Clemens Aigner segelt in einen ähnlichen Weitenbereich hinein, nimmt aber mehr Pluspunkte in der Windkompensation und Vorsprung aus dem ersten Durchgang mit, der ihn dann mit 266 Punkten in der Gesamtabrechnung an die Spitze bringt.
Daniel Tschofenig (AUT) Für Daniel Tschofenig heißt es gerade, vor allem die Ruhe zu bewahren und sich nach schwächeren Ergebnissen nicht unter Druck setzen zu lassen. Nach 133,5 Metern übernimmt er jetzt zwar die Führung, die Laune wird aber nicht besser. Tschofenig zeigt sich sichtlich bedient vom heutigen Wettkampftag.
Domen Prevc (SLO) Nachdem es im ersten Durchgang nur 115 Meter wurden, ist beim 24-Jährigen die Laune im Finale deutlich besser und nach 133,5 Metern schiebt sich Domen Prevc souverän an die erste Position.
Dawid Kubacki (POL) Dawid Kubacki wird auch froh sein, dass er jetzt noch mal bei guten Verhältnissen über die Schanze gehen darf. Dadurch kommt auch er viel besser ins Fliegen und beendet den Auftakt in Oberstdorf zumindest mit einem positiven Erlebnis. Nach 130 Metern geht es an seinem Teamkollegen vorbei.
Piotr Zyla (POL) Piotr Zyla tut sich bei Aufwind aus der recht hohen Anlaufluke auch deutlich leichter und kann mit 132,5 Meter nachlegen. Mal abwarten, wie lange die Jury da noch in dieser Startposition bleiben wird.
Vierschanzentournee: Auftaktspringen in Oberstdorf JETZT im Liveticker - Start 2. Durchgang
Giovanni Bresadola (ITA) Giovanni Bresadola hatte Glück und rutschte nach dem überraschenden Ausscheiden von Granerud doch noch in den Finaldurchgang und sichert sich zum fünften Mal in dieser Saison Punkte. Bei Aufwind kommt er dann auch noch einmal richtig ins Segeln und kann 128,5 Meter runterbringen.
Vierschanzentournee: Auftaktspringen in Oberstdorf JETZT im Liveticker - Die Top 5 nach dem 1. Durchgang
Rang | Name | Punkte |
1. | Andreas Wellinger | 161.3 |
2. | Ryoyu Kobayashi | 156.5 |
3. | Stefan Kraft | 155.7 |
4. | Karl Geiger | 148.7 |
5. | Michael Hayböck | 143.7 |
Finale um 18:40 Uhr Weiter geht es in Oberstdorf bereits in wenigen Minuten. Ab 18:40 Uhr geht es ins Finale der besten 30 Starter.
Zwei Schweizer im Finale Das kleine Team der Schweizer musste zwei Ausfälle hinnehmen. Im Finale mit dabei sind aus ihren Reihen Gregor Deschwanden, der als derzeit Elfter die Möglichkeit auf die Top Ten hat, und Simon Ammann (19.). Remo Imhof und Killian Peier müssen ihrerseits gleich zusehen.
Tschofenig muss lange zittern Lange zittern musste ÖSV-Springer Daniel Tschofenig. Bis zum letzten Springer blieb es spannend, ehe feststand, dass Tschofenig es mit Platz fünf bei den Lucky Losern in das Finale schafft. Vorne reinspringen konnten neben Kraft im Team der Österreicher auch Michael Hayböck (5.), Manuel Fettner (7.) und Jan Hörl (8.). Clemens Aigner liegt auf dem 25. Platz und ist ebenfalls im Finale vertreten.
Alle DSV-Springer in den Top 15 Auch in der Summe passt es bei den deutschen Springern wieder zusammen. Neben Wellinger ist auch Karl Geiger auf Platz vier noch im Geschäft. Pius Paschke liegt auf Platz neun, während Philipp Raimund Zehnter ist. Stephan Leyhe wird den zweiten Durchgang von der 15. Position in Angriff nehmen können.
Wellinger führt zur Halbzeit Andreas Wellinger macht da weiter, wo er gestern in der Quali aufgehört hat und führt nach dem ersten Durchgang in Oberstdorf. 4,8 Punkte beträgt sein Vorsprung in Richtung Ryoyu Kobayashi. Stefan Kraft folgt weitere 0,8 Zähler dahinter auf dem dritten Platz. Einen Tag zum Vergessen erlebt indes der Gesamtsieger der letzten Tournee: Halvor Egner Granerud schied überraschend in seinem Duell aus und ist im Finale nur noch Zuschauer.