Der Countdown zu den Olympischen Spielen in London läuft. Am 27. Juli startet die Jagd auf Goldmedaillen. Zahlreiche Sportler sind auf dieser Jagd zu Legenden geworden, weil ihr Weg zu Gold besonders spektakulär, dramatisch oder kurios war. SPOX blickt in den kommenden Wochen auf die aus sportlicher Sicht zehn größten Momente der Olympia-Geschichte zurück. Teil 1: Das Dream Team 1992.
LeBron James ist mutig. Er, der einer der Leader des US-Basketball-Teams 2012 in London sein wird, sagt: "Wir können es mit den Jungs von 1992 aufnehmen. Sie haben damals mit all den großartigen Spielern, die sie hatten, den Maßstab gesetzt. Aber wir haben auch großartige Spieler dabei."
Da hat er Recht. Kobe Bryant, Dwyane Wade, Kevin Durant, Chris Paul, Carmelo Anthony, Russell Westbrook, Kevin Love - das klingt alles andere als schlecht. Abgesehen von den verletzten Derrick Rose und Dwight Howard ist es das Beste, was die NBA im Moment zu bieten hat.
Aber hat dieses Dream Team 2012 das Zeug zur Legende? Grenzt es nicht an Blasphemie, sich mit dem ersten, viele sagen dem einzigen Dream Team zu vergleichen? "Dieses Dream Team damals war DAS Team. Das willst du nicht antasten", äußert sich James' Teamkollege Wade demütig.
Eine Line-Up zum Zungeschnalzen
Demut überkommt jeden Basketball-Fan, wenn er sich die Line-Up des Dream Teams 1992 noch einmal auf der Zunge zergehen lässt.
Starting Five: Magic Johnson, Michael Jordan, Larry Bird, Charles Barkley, Patrick Ewing
Bankspieler: John Stockton, Clyde Drexler, Chris Mullin, Scottie Pippen, Christian Laettner, Karl Malone, David Robinson
Laettner sticht Shaq aus
Bringen wir es auf den Punkt. Das ist mit Abstand das beste Team, das jemals zusammen Basketball gespielt hat. 2010 wurde die Mannschaft, die sich bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona zur Goldmedaille gezaubert hat, kollektiv in die Basketball Hall of Fame aufgenommen.
Auch Laettner, der damals einzige College-Spieler im Kader. Er war in Duke eine große Nummer und ein potenzieller künftiger NBA-Star. Dieses Versprechen konnte er aber nie richtig einlösen. Im Gegensatz übrigens zu dem College-Spieler, dem er damals den letzten Platz im Dream Team weggenommen hat - einem gewissen Shaquille O'Neal.
Wie Laettner wäre aber wohl auch O'Neal in diesem Team nur schmückendes Beiwerk gewesen, eine Randnotiz im Schatten der besten Spieler aller Zeiten.
Zulassung von Profis macht den Weg frei
Den Weg zum Dream Team ebnete die Entscheidung des IOC und der FIBA aus dem Jahr 1989, dass NBA-Profis ab sofort an Olympischen Spielen teilnehmen dürfen. Wenig später begann die Suche nach einem US-Dream-Team, das die Blamage von Seoul 1988 vergessen machen sollte. Damals holte ein College-Team nur die Bronzemedaille.
Die Resonanz auf die Anfrage des Verbandes an die Superstars bezeichnete NBA-Commissioner David Stern damals als "überwältigend".
HIV-Schock stoppt Magic nicht
Fast alle waren sofort Feuer und Flamme. Charles Barkley sagte ebenso spontan zu wie Larry Bird und Magic Johnson. "Ich habe sonst alles gewonnen, warum also nicht auch die Goldmedaille", sagte Johnson Anfang 1991.
Einige Monate später folgte der Schock, als er HIV-positiv getestet wurde. Magic beendete sofort seine Karriere, wurde aber trotzdem von den Fans in die Starting Five des All-Star-Games 1992 gewählt. Johnson hatte sich so schnell erholt, dass dieses Spiel zu einem einzigartigen Triumphzug mit Gänsehaut-Garantie wurde. Magic war wieder da - und er war bereit, mit dem Dream Team nach Barcelona zu fahren.
Jordan ziert sich zunächst
Der einzige, der sich anfangs zierte, war Michael Jordan. Er war schon 1984 in Los Angeles gemeinsam mit Patrick Ewing bei Olympia und hatte seine Goldmedaille an der Wand hängen. Erst eine Reise nach Europa änderte seine Meinung. "Ich habe das Interesse am Basketball dort drüben am eigenen Leib erfahren. Das hat mich zum Umdenken gebracht", sagte Jordan.
So kam die "Band" unter der Leitung von Headcoach Chuck Daly zusammen und vernichtete alles, was sich ihr in den Weg stellte. "Es war, als ob man Elvis und die Beatles vereint hätte, als ob man mit zwölf Rockstars reisen würde", sagte Daly, der 2009 an Krebs gestorben ist.
Barkley und die nackten Mädels
Rockstars waren sie wirklich. Jedes Mal, wenn das Dream Team in Barcelona das Hotel verließ, wurde es von einer Horde von Bodyguards begleitet. Was Feierbiest Barkley Augenzeugenberichten zufolge aber nicht davon abhielt, an vielen Abenden die Partymeile Ramblas unsicher zu machen.
Auch der europäischen Weiblichkeit war er nicht abgeneigt. "Ich weiß noch, als wir in Monte Carlo ins Hotel kamen, ging ich zum Pool und da waren Frauen oben ohne. Da habe ich den anderen gesagt: 'Wow, die haben hier keine T-Shirts an!' Von da an sind wir nach dem Training immer zum Pool gegangen", sagte Barkley.
In Barcelona ging es zwar auch zum Pool, die Freude daran war aber etwas getrübt. "Wenn wir zum Pool auf das Hoteldach kamen, standen da zehn Leute mit Maschinenpistolen herum. Das war lustig: Mädchen im Bikini, Typ mit der Uzi, Mädchen im Bikini, Typ mit der Uzi", erzählte Barkley.
Im Schnitt 43,8 Punkte Vorsprung
Eigentlich war das Dream Team ja auch nicht da, um Mädchen in Bikinis zu bestaunen, es war da, um die Goldmedaille im Basketball zu holen.
Und wie sie das taten. Sie waren ein Ereignis, eine Sensation. Nicht nur für die Fans, sogar für die Gegenspieler. "Sie können nach Hause fahren und ihren Kindern erzählen: Ich habe gegen Jordan und Johnson und Bird gespielt", sagte Daly über die Gegner der US-Boys.
Das Dream Team gewann selbstredend alle Spiele des Turniers - und zwar mit einem durchschnittlichen Vorsprung von 43,8 Punkten! Eines der Opfer war auch das deutsche Team, das sein Gruppenspiel mit 68:111 verlor.
Harnisch gegen "Helden aus dem Videospiel"
Der damalige Forward des DBB-Teams, Henning Harnisch, erinnerte sich 2008 in einem Interview mit dem "Tagesspiegel": "Wir waren ziemlich ratlos vor dem Spiel. Gegen solche Stars tritt man ohne Selbstvertrauen an. Einige von uns haben - wie fast alle Basketballer in Barcelona - sogar Fotos von den Amerikanern gemacht."
So ging es allen Mannschaften. Sie standen nicht auf dem Platz, um das Dream Team zu schlagen. Sie standen dort, um dabei gewesen zu sein. "Spieler wie Jordan, Magic Johnson oder Larry Bird umgab eine Aura: Die wussten, dass sie die Besten sind. Es war so, als würde man gegen seine Helden aus einem Videospiel antreten", sagte Harnisch.
Robinson: "Es war wie im Basketball-Himmel"
Der Rest war die größte Show auf Erden. Das Dream Team führte seine Gegner vor, ohne sich aber deren Zorn zuzuziehen. Sie waren einfach viel zu überlegen, um sauer auf ihre Tricks, No-Look-Pässe und Slam Dunks sein zu können.
"Wenn du mit anderen großartigen Spielern zusammenspielst, wird Basketball so einfach", sagte Barkley rückblickend. David Robinson ergänzte: "Es war wie im Basketball-Himmel." US-Coach Daly nahm während des ganzen Turniers keine einzige Auszeit!
Dream Team bringt NBA nach Europa
Auch wenn es bei den folgenden Olympischen Spielen immer wieder Mannschaften mit dem Namen "Dream Team" gab. So wie 1992 wurde es nie wieder.
Konnte es wohl auch nicht, denn ohne es zu wollen, haben es die Helden von damals den NBA-Stars von heute schwerer gemacht. Sie haben die NBA in Europa zu einer großen Nummer werden lassen. Seit 1992 hat sich die Zahl der NBA-Profis aus Europa vervielfacht. Entsprechend hart ist die Konkurrenz für die US-Boys durch Teams wie Spanien oder Frankreich geworden.
Magic vs. LeBron: "Wir würden 2012 zerstören"
Bleibt zum Schluss noch die hypothetische Frage, wer im direkten Vergleich gewinnen würde. Das original Dream Team von 1992 oder das Dream Team 2012 um LeBron James.
Für Magic Johnson eine klare Sache: "Wir würden 2012 zerstören. Wir sollten nicht vergessen: 1992 waren so viele dabei, die bereits die Championship gewonnen hatten. Wir wussten alle, wie man zusammenspielt. Es war ein fantastisches Team, eine fantastische Zeit, und wir haben fantastische Dinge erreicht. 2012 wird überragend, ich freue mich auf das Team. Aber es gab vorher und es wird danach nie wieder ein Dream Team geben wie das von 1992."