Dreimal Favorit und einmal Schweden

Von Manuel Behlert
William Carvalho, Domenico Berardi und Saido Berahino nehmen an der EM teil
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Talentierte Südeuropäer: Portugal

Die Qualifikation lief für die Portugiesen zumindest in der Gruppe relativ gemütlich. Die Mannschaft von der iberischen Halbinsel konnte alle acht Spiele in der Fünfergruppe gewinnen und qualifizierte sich mit 22:6 Toren vor Israel, Norwegen, Aserbaidschan und Mazedonien. In den Playoffs hatten es die Portugiesen dann mit der starken und talentierten Mannschaft aus den Niederlanden zu tun. Das Hinspiel in Alkmaar gewann Portugal bereits mit 2:0, Torschützen waren Sergio Oliveira und Carlos Mane. Das turbulente Rückspiel in Portugal endete 5:3, die Niederlande glich dreimal aus, konnte aber nie in Führung gehen. In diesem Spiel zeigte sich, dass die Defensive Portugals durchaus auch anfällig ist und nicht so überragend zu sein scheint, wie es nach der unspektakulären und ungefährdeten Gruppenphase den Anschein hatte.

Trainer Rui Jorge war in seiner aktiven Zeit unter anderem für Sporting und den FC Porto aktiv, bevor er 2010 die U21 übernahm, trainierte er den portugiesischen Klub Belenenses. Bei der U21 kann Jorge mit jungen Spielern arbeiten und sie entwickeln. Zurzeit verfügt er über einen durchaus talentierten Kader, mit dem er relativ offensiven Fußball spielen lässt. Einige Spieler haben das Potenzial schon sehr bald zur A-Nationalmannschaft zu gehören. William Carvalho zum Beispiel ist bereits regelmäßig dabei.

Der Kader im Überblick:

Im Tor stehen eher relativ unbekannte Namen zur Verfügung, Portugal hatte ohnehin selten eine große Qualitätsdichte auf dieser Position. Jose Sa von Maritimo wird als Stammtorhüter in das Turnier gehen und ist ein zumindest sehr solider Keeper.

Die Abwehr ist personell gut besetzt, besonders auf den Außenverteidigerpositionen herrscht eine enorme Qualität. Joao Cancelo und Raphael Guerreiro werden schon bald den Sprung in die A-Nationalmannschaft bewältigen und sind extrem talentiert. Im Mittelfeld ist William Carvalho für Stabilität zuständig, der junge Ruben Neves ist als Kreativspieler unersetzlich und hat voraussichtliche eine große Karriere vor sich.

Im Angriff dominieren wieder schnelle und technisch starke Flügelspieler, ein Mittelstürmer mit großem Potenzial wird aber immer noch vermisst.

Torhüter: Jose Sa (Maritimo), Bruno Varela (SL Benfica), Daniel Fernandes (VfL Osnabrück)

Verteidiger: Frederico Venancio (Vitoria Setubal), Joao Mario, Paulo Oliveira (Sporting CP), Joao Cancelo (Valencia), Tiago Ilori (Bordeaux), Tobias Figueiredo (Sporting), Raphael Guerreiro (Lorient)

Mittelfeldspieler: Ruben Neves, Ricardo Pereira (FC Porto), William Carvalho, Carlos Mane (Sporting), Toze (Estoril), Sergio Oliveira (Pacos Ferreira), Rafa (Sp. Braga), Bernardo Silva (AS Monaco)

Angreifer: Iuri (Arouca), Goncalo Paciencia (Porto), Ivan Cavaleiro (Deportivo La Coruna), Ricardo Esgaio (Academica Coimbra), Ricardo Horta (Malaga)

Mögliche Aufstellung: Jose Sa - Cancelo, Oliveira, Ilori, Guerrerio - W. Carvalho - Lopes, Neves - Mane, Horta, Cavaleiro

Spieler im Fokus: William Carvalho

William Carvalho spielt in der portugiesischen Liga bei Sporting und hat gerade sein zweites Jahr als Stammspieler absolviert. Er fuhr bereits 2014 mit zur Weltmeisterschaft nach Brasilien und ist schon häufiger für die A-Nationalmannschaft nominiert worden. Auch international verfügt Carvalho durch Spiele in den europäischen Wettbewerben über eine gewisse Erfahrung, zudem steht er auf der Liste einiger Topklubs - unter anderem der FC Arsenal hatte bereits 2014 Interesse am mittlerweile 23-Jährigen angemeldet.

Carvalho sorgt von der Sechser-Position aus für Struktur, er ist ein sehr robuster Spieler mit einem guten direkten Zweikampf, der Lücken zulaufen kann und defensivtaktisch hervorragend ausgebildet ist. Der 1,87 Meter große Mittelfeldspieler erzielte diese Saison einen Treffer in der portugiesischen Liga, drei weitere konnte er vorbereiten.

Punktuell schaltet er sich also auch in die Offensive ein, in der U21 geht es aber überwiegend um defensive Aufgaben, die er zu bewältigen hat. Er soll der technisch starken Offensive den Rücken freihalten und das gegnerische Umschaltspiel zerstören, gleichzeitig aber auch mithelfen das Tempo zu bestimmen und, wenn nötig, das Spiel zu beschleunigen oder zu beruhigen. Es ist durchaus möglich, dass Carvalho nach einer guten EM zu einem absoluten Spitzenteam wechseln wird.

Stärken und Schwächen:

Portugal verfügt über einen sehr interessanten Kader. Die Mannschaft von Trainer Rui Jorge ist relativ ausgeglichen aufgestellt und hat in allen Mannschaftsteilen entwicklungsfähige Spieler mit großem Potenzial. Die Innenverteidigung macht unter Druck immer wieder Fehler, ist aber keinesfalls schlecht. Dafür sind die Außenverteidiger besonders stark, besonders in der Vorwärtsbewegung sind sowohl Guerreiro als auch Cancelo sehr aktiv und, da beide über ein gutes Passspiel und die notwendige Technik für gefährliche Flanken verfügen, sind sie ein elementarer Bestandteil des Offensivspiels der Portugiesen.

Das technisch starke Mittelfeld kann immer wieder Chancen kreieren, zudem sind die schnellen Flügelspieler Waffen bei Konterangriffen oder auch im Eins-gegen-eins. Die Flexibilität im Angriffsspiel der Portugiesen ist relativ hoch, da viele Spieler das Sturmzentrum besetzen können. Hier fehlt aber wie so häufig ein guter Stürmer, der hoch anspielbar ist und darüber hinaus einen Torriecher verfügt. Horta, Cavaleiro, auch Mane und Neves kommen immer wieder in Abschlusspositionen, zu selten jedoch zentral im Strafraum. Ruhende Bälle können auch eine Waffe sein, sehr viele Kopfballspieler stehen allerdings nicht im Aufgebot.

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