Seine Leistungen bleiben nicht unbeobachtet: Immer wieder lassen sich Coaches aus dem Profifußball blicken, so sitzen gegen Kidderminster Harier unter anderem der heutige englische Nationaltrainer Roy Hodgson und Leicesters Nigel Pearson auf der Tribüne. Während Hodgson, damals noch in Diensten von West Bromwich Albion, dankend absagt, erkennt Pearson Vardys Talent und verpflichtet den 25-Jährigen für eine Ablösesumme von knapp 1,4 Millionen Euro, die mit Bonuszahlung auf fast 2,4 Millionen steigen kann - Rekord für einen Amateurspieler.
Der Stürmer verlässt Fleetwood mit nur einem negativen Erlebnis im Gedächtnis: Als Vardy im Dezember zu spät zum Training kommt, muss er unter den Augen seiner Teamkollegen einmal nackt um den Platz sprinten. "Es hat an dem Tag geschneit und war tierisch kalt. Ich glaube, ich bin noch nie so schnell gerannt", erklärt Vardy mit einem Schmunzeln.
Holpriger Start im Profifußball
Nach nur fünf Jahren im englischen Spielbetrieb ist "The Cannon", wie Vardy aufgrund seiner aufopfernden Spielweise genannt wird, im Profifußball angekommen. Seine erste Saison bei den Foxes verläuft jedoch nicht ganz so, wie geplant. Nur vier Mal darf Vardy über ein Tor jubeln, via Twitter beschimpfen die Fans ihn als Fehleinkauf und fordern, er solle doch wieder zurück in den "non-league-football", wie der Amateurfußball in England genannt wird, wechseln.
"Ich habe damals an mit selbst gezweifelt und sogar darüber nachgedacht aufzuhören, obwohl ich einen Vertrag bis 2015 hatte. Nigel Pearson und unserer Assistenztrainer Craig Shakespeare haben mir aber immer wieder Mut zugesprochen und mir vertraut«, erzählt Vardy dem "BBC".
Der Aufstiegsspezialist
Die aufmunternden Worte von Pearson zeigen Wirkung, Vardy avanciert mit 16 Treffern zu einem Leistungsträger der Foxes, gegen Millwall gelingt ihm sein erster Doppelpack im Profi-Bereich. Am Ende steigt Leicester überlegen in die Premier League auf, es ist Vardys vierter Aufstieg mit seinem vierten Klub.
Plötzlich findet sich der einstige Amateurfußballer im Konzert der Großen wieder. Arsenal, Chelsea, Manchester City und Co. warten. Und auch Manchester United merkt recht schnell, dass Vardy keine Angst vor großen Namen hat.
Dennoch dümpelt Leicester als Aufsteiger am Tabellenende herum, neun Spieltage vor Schluss liegt der LCFC auf dem letzten Tabellenplatz und hat nur 19 Punkte auf dem Konto. Die Foxes, bei denen mittlerweile auch der ehemalige deutsche Nationalspieler Robert Huth unter Vertrag steht, rappeln sich aber auf und holen sieben Siege aus den letzten neun Spielen. Vardy gelingen drei Treffer und drei Assists, darunter der Siegtreffer gegen West Bromwich Albion in der Nachspielzeit.
Sprung zu den Three Lions
Zwei Spieltage vor Schluss hält Leicester mit einem 0:0 gegen Sunderland die Klasse. Für Vardy gibt es fünf Tage später dann noch ein ganz persönliches Sahnehäubchen: Nationaltrainer Hodgson nominierte ihn für die Länderspiele gegen Irland und Slowenien. Damit wird Vardy nach Ian Walker zu Leicesters erstem Nationalspieler seit elf Jahren.
Während sich das Internet den Mund über Vardys Nominierung zerreißt, darf der 28-Jährige gegen Irland für Wayne Rooney 15 Minuten vor Schluss aufs Feld und überzeugt mit einer ansprechenden Leistung. "Ich möchte allen danken, die mich auf meinem Weg hierhin unterstützt haben. Ich bin stolz, dass ich für mein Heimatland spielen darf«, freut sich Vardy nach seiner Nominierung. Ob er da schon ahnte, was ihm noch bevorstehen würde?
Rekordsaison 2015
Denn Vardy startet exzellent in die aktuelle Spielzeit und bildet mit seinem algerischen Sturmpartner Riyad Mahrez eines der gefährlichsten Sturmduos der Liga. Der Engländer selbst führt mit zehn Treffern in zehn Spielen die Torjägerliste an. In den letzten sieben Spielern knipste er mindestens einmal für die Foxes, die sich völlig überraschend auf dem fünften Tabellenplatz wiederfinden und bisher nur gegen Arsenal verloren. Beim 2:5 erzielt Vardy natürlich beide Tore für die Foxes.
Der Lohn dafür sind nicht nur zwei weitere (weniger kritisierte) Nominierungen für die Three Lions, sondern auch reichlich Transfergerüchte. Ob Liverpool, West Bromwich oder der FC Chelsea: Die englische Boulevardpresse bringt so ziemlich jeden Verein aus dem englischen Oberhaus mit Vardy in Verbindung. Trainer Claudio Ranieri, der im Sommer Pearson ersetzte, sprach aber bereits direkt ein Machtwort: "Er steht definitiv nicht zum Verkauf. Punkt."
Real? Seriously?
Eine Einschränkung macht der Italiener dann aber doch, denn laut mehreren englischen Medienberichten soll auch Real Madrid Interesse am Stürmer gezeigt haben. "Uns ist wichtig, dass sich Jamie bei uns wohl fühlt. Wenn er zu einem großen Klub wechseln möchte, werden wir ihm nicht im Weg stehen, aber es wird natürlich einiges kosten."
"The Cannon" freut sich über seine unglaubliche Entwicklung in den letzten Jahren, arbeitet aber weiter jeden Tag hart für seinen Erfolg: "Ich muss mich jeden Morgen immer noch zwicken, wenn ich zum Training fahre. Ich kann einfach nicht glauben, wie sich alles entwickelt hat. Ich habe aber weiterhin keine großen Träume, sondern mache einen Schritt nach dem anderen." Dass Jamie Vardy aber auch gerne mal zwei Stufen auf einmal nimmt, zeigt seine Vergangenheit - und vielleicht auch noch seine Zukunft.
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Jamie Vardy im Überblick