Coach Cal und seine One-Hit Wonder

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04. April 201417:59
John Calipari kurz vor der Explosion: Julius Handle will ihn beruhigengetty
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John Calipari setzt mal wieder auf einen Haufen Freshmen. Bei Connecticut brilliert ein Babyface namens Shabazz Napier, die Badgers haben ein veritables Gene-Hackman-Double auf ihrer Seite. Florida rollt. Die Final-Four-Teams in der Vorschau.

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Kentucky: Coach Cal und seine One-Hit-Wonder

Seit 2009 ist John Calipari Headcoach der Kentucky Wildcats. Zum Amtsantritt rekrutierte er direkt mal einen der besten Jahrgänge aller Zeiten - John Wall, DeMarcus Cousins, Eric Bledsoe und Konsorten stürmten zu einem No.1-Seed und ins Elite Eight. Nach der Saison meldeten sich die besten Spieler zum Draft an.

Calipari reagierte, indem er sechs neue Freshmen rekrutierte, unter anderem den extrem umworbenen Brandon Knight. Der führte die Wildcats als Kapitän ins Final Four und meldete sich danach zum Draft an.

Kein Problem für den umtriebigen Coach: Erneut kamen vier Freshmen nach Kentucky. Irgendwie schaffte es Calipari dabei, Marquis Teague, Michael Kidd-Gilchrist UND Anthony Davis für die Wildcats zu überzeugen. Nichts besonderes, das waren der Scout-Einschätzung zufolge ja auch bloß der beste Point Guard, der beste Small Forward und der beste Spieler des gesamten Jahrgangs...

"The Brow" und seine Kollegen enttäuschten nicht und schnitten nach dem letzten Spiel des Jahres die Netze ab. Danach meldeten sich ganze sechs Spieler zum Draft - unter anderem der erste (Davis) und zweite Pick (Kidd-Gilchrist). One and done, natürlich.

2013 war ein Ausrutscher, dabei ging es mit dem erneut starken Freshmen-Jahrgang um Nerlens Noel eigentlich gut los - 17-7 lautete die Bilanz zum 12. Februar. Dann riss sich der Center indes das Kreuzband und verpasste den Rest der Saison. Die Wildcats konnten den Ausfall nicht kompensieren und verpassten erstmals unter Calipari das NCAA-Tournament. Noel meldete sich zum Draft und wurde von den Philadelphia 76ers ausgewählt, hat bis heute allerdings noch kein Spiel als Profi bestritten.

Und danach? Coach Cal wäre nicht Coach Cal, wenn er nicht wieder meisterhaft rekrutiert hätte. Unfassbare sechs All-Americans kamen nach Kentucky: Julius Randle, Andrew Harrison, Aaron Harrison, James Young, Dakari Johnson und Marcus Lee. Das Resultat ist die dritte Final-Four-Teilnahme in Caliparis kurzer Amtszeit.

Randle brilliert während des NCAA-Tournaments bisher mit 15,8 Punkten und 12 Rebounds im Schnitt. Er ist der einzige der als Top-5-Picks im kommenden Draft gehandelten Spieler, der noch im Turnier vertreten ist. Die laufende Saison wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch für ihn die einzige am College sein, viele seiner Teammates machen vermutlich den gleichen Schritt.

Calipari wurde in den letzten Jahren häufig für seine One-And-Done-Schmiede kritisiert. Mittlerweile hat sich das etwas gewandelt, da der Coach erfrischend ehrlich mit dem Thema umgeht. "Wir müssen mit den gängigen Regeln arbeiten. Ich denke, Kids sollten mindestens zwei Jahre am College bleiben, aber das ist nicht meine Entscheidung", sagt Calipari.

"Natürlich hätte ich einige der Jungs gerne länger, auch vier Jahre. Aber ich mache niemandem einen Vorwurf, der sich dafür entscheidet, sein Glück in der NBA zu versuchen und Geld zu verdienen. Meine Unterstützung haben sie."

Klingt edelmütig, aber natürlich hat Calipari mit seiner Strategie auch viel Erfolg. Und bei aller Vorfreude auf das Spiel am Samstag gegen Wisconsin - fast genauso spannend wird es zu beobachten sein, wen Coach Cal vor der nächsten Saison wieder aus dem Hut zaubert.

UConn: Shabazz, der Maestro

Shabazz Napier ist 1,85 m groß und sieht dermaßen jung aus, dass er ohne Ausweis wohl keine Kneipe der Welt betreten dürfte. Dennoch ist der 22-Jährige der vielleicht gefährlichste Spieler im kompletten Turnier - seine durchschnittlich 23,3 Punkte, 6 Rebounds, 4,5 Assists und 2 Steals im Big Dance erzählen da nur die Hälfte der Geschichte.

Der Point Guard hat zudem nämlich ein Gefühl für das Spiel, das bisweilen an die ganz Großen der Einser-Zunft erinnert. Ähnlich wie etwa Chris Paul versucht er zunächst, seine Mitspieler zu involvieren, um dann selbst zu übernehmen, sobald das Geld auf dem Tisch liegt.

Im Elite Eight gegen Michigan State etwa machte er 17 seiner 25 Punkte in der zweiten Halbzeit und entschied das Spiel letztendlich an der Freiwurflinie.

SPOX"Man konnte ihm seinen Siegeswillen einfach ansehen. Er hat es seinem Team einfach nicht erlaubt, zu verlieren", staunte Gegenspieler Gary Harris nach dem Spiel. Keine ganz schlechten Aussichten für Connecticut, das in dieser Saison sogar schon einen Sieg gegen die schier unschlagbaren Florida Gators vorzuweisen hat. Nur echt mit Buzzer-Beater sowie 26 Punkten vom Point Guard der Huskies.

Auch der DBB-Nationalspieler Niels Giffey kann zeitweise nur über Napier staunen, obwohl er bereits seit vier Jahren mit ihm zusammenspielt: "Ich erinnere mich an diesen einen Wurf nach ungefähr vier Minuten. Ein Pull-Up Jumper. Ich bin zurück in die Defense gerannt und dachte einfach nur 'Oh mein Gott, oh mein Gott, wie hat er den denn getroffen?!'"

Napiers Zukunft ist derweil unklar. Seine College-Zeit wird bald vorbei sein, in der NBA gibt es Zweifel, ob das Leichtgewicht zwischen all den großen Jungs bestehen kann. "ESPN"-Insider Chad Ford glaubt nicht, dass es für die erste Runde reichen wird - in der Top 100 der potenziellen Picks rangiert Napier nur auf Platz 42.

Vielleicht ist Napier einer dieser Spieler, die auf dem College-Level Superstars sein können, in der NBA hingegen wenn überhaupt nur zum Nebendarsteller taugen. Eins ist jedoch klar: Abschreiben darf man Shabazz Napier niemals.

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Wisconsin: Defense und Kaminsky

Basketball ist in den letzten Jahren deutlich temporeicher geworden. Das gilt für die NBA nach der Saison 2004/2005, als der Fokus scheinbar zu sehr auf Defense lag und Teams wie die Detroit Pistons ihre Gegner regelmäßig bei unter 80 Punkten hielten. Einige Regeländerungen wurden verabschiedet, um das Spiel wieder schneller und attraktiver zu gestalten.

Das gilt ebenso für Highschool- und College-Basketball. Das gilt aber nicht in Wisconsin, und das gilt ganz sicher nicht für Bo Ryan.

Ryan ist ein Anachronismus aus eigentlich längst vergangenen Zeiten. Sucht man einen Vergleich, landet man nahezu automatisch bei Gene Hackman in "Hoosiers" - ein Film, der die Geschichte einer Highschool-Saison aus dem Jahr 1954 erzählt. So viel zu "längst vergangenen Zeiten".

Auch der Spielstil, den Ryan predigt, wirkt mehr oder weniger altbacken. Langsam spielen, nur keine Ballverluste. Ball zum großen Mann in die Mitte. Die Uhr melken. Defense steht über allem. Der durchschnittliche Scoring-Output der Badgers betrug über die Saison 73,5 Punkte - das reichte für Platz 92 in der NCAA.

Gegenüber Reporten inszeniert sich Ryan ebenfalls als konservativer, muffeliger Typ. Nie bekommt ein Spieler öffentlich ein Lob - Ryan meint, das würde der Arbeitseinstellung seiner Jungs schaden. Über Frank Kaminskys Gala gegen Michigan sagte Ryan, er habe "opportunistisch" gespielt, will sagen, er habe seine Chancen genutzt. Für Ryans Verhältnisse war das bereits nah dran an einer Lobeshymne.

Dabei hatte Kaminsky diese durchaus verdient. Mit 28 Punkten und 11 Rebounds war der Big Man neben der wie üblich erstickenden Defense der Hauptgrund für den Sieg der Badgers, überhaupt spielt er bisher ein extrem starkes Tournament. Gegen Kentucky wird erneut der Großteil der Verantwortung auf seinen Schultern liegen, denn Kaminsky ist nichts anderes als ein Matchup-Albtraum.

Dass Dreier-schießende Seven-Footer eher schwer zu verteidigen sind, weiß die Basketball-Welt nicht erst seit Dirk Nowitzki. Kaminsky fühlt sich zudem auch im Lowpost heimisch und kann mit dem Rücken zum Korb operieren. Bisher hat kein Team im Turnier eine Antwort auf diese Kombination gefunden - als nächstes darf sich John Calipari daran versuchen.

"Wenn man es fühlt, fühlt man es", sagte Kaminsky über seine Offensiv-Explosion gegen Michigan, "dann muss man auf sein Gefühl hören." Die Badgers können hoffen, dass er es auch am Sonntag "fühlt". Vielleicht klopft ihm dann auch Bo Ryan mal auf die Schulter.

Florida: Die Gators rollen

Seit 18 Jahren führt Billy Donovan die Florida Gators. Zweimal holten seine Teams die Championship, fünf weitere Male reichte es bis zum Elite Eight. Zu seinen ehemaligen Schützlingen gehören heutige NBA-Stars wie Bradley Beal, Joakim Noah, Al Horford oder David Lee. Abgesehen von seinen ersten beiden Jahren hat er keine einzige Saison mit mehr Niederlagen als Siegen erlebt und die vorher als "Football"-College verschrieene Uni zu einem Basketball-Powerhouse gemacht.

Dennoch hat auch er noch keine Saison wie diese erlebt, viele sehen sie sogar als sein Meisterwerk an. Warum auch nicht? Gegen mittlerweile 30 (dreißig!) Siege in Folge lässt sich nur schwer argumentieren.

Zu Anfang der Saison gab es noch ein paar Verletzungsprobleme, aber seitdem alle Mann an Bord sind, ist gegen die Alligatoren einfach kein Kraut mehr gewachsen. Wie eine perfekt geölte Maschine pflügt Florida seitdem durch die Liga.

Im NCAA-Tournament hat Florida noch keinen Sieg mit weniger als 10 Punkten Abstand eingefahren. Das Team wirkt stets fokussiert, findet dank dem cleveren Point Guard Scottie Wilbekin scheinbar immer die richtige Lösung und scheint die Championship-Mentalität zu haben, die ihm in den letzten drei Jahren, als man jeweils im Elite Eight scheiterte, noch abging.

Insbesondere Wilbekin hat in seinem Senior-Jahr noch einmal einen Schritt gemacht und legt im Tournament durchschnittlich 16,8 Punkte und 3 Assists auf. Noch wichtiger ist allerdings seine Abgezocktheit: Nur zwei mal verlor er den Ball! Unfassbar für einen Point Guard. Napier mag ein besserer Scorer sein als Wilbekin, in Sachen Toughness und Cleverness steht der ihm aber in nichts nach.

"Man weiß schon, was erwartet wird, wenn man zu so einem Programm kommt", sagt Forward Dorian Finney-Smith über die Siegermentalität in Gainesville, "hier ist das etabliert." Tatsächlich verzieht mittlerweile schon kaum noch jemand eine Miene, wenn die Gators Ende März noch im Turnier vertreten sind.

Im Großen und Ganzen wirkt Florida wie das beste Team im Tournament, auch wenn in diesem Jahr kaum ein Spiel mal richtig vorhergesagt werden konnte. Trotzdem sollten sie auf der Hut sein. Der letzte Gegner, der die Gators in dieser Saison schlagen konnte, ist schließlich auch der nächste.

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