Orlandos Trade-Offensive gleicht einem NBA-Erdbeben und wird wohl zu weiteren großen Deals führen. Die Magic gehen volles Risko - was womöglich zu Dwight Howards Weggang führen könnte.
1. Frage: Was steckt hinter Orlandos Trade-Offensive?
Es ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, dass ein Titelkandidat zu einem solch frühen Zeitpunkt der Saison vier der zehn wichtigsten Rotationsspieler austauscht - was zur Frage führt: Beweist die Trade-Offensive den besonderen Wagemut der Magic? Oder sind die Verantwortlichen schlichtweg in Panik verfallen?
Man tendiert zu Letzterem, nicht anders sind die Worte von General Manager Otis Smith zu deuten: "Unser Fenster für den Gewinn der Meisterschaft ist gerade offen. Wir müssen alles Erdenkliche unternehmen, um dorthin zu gelangen, wo wir hinwollen."
Auf den ersten Blick mag es erstaunen, dass Orlando dennoch einen derart radikalen Schnitt vollzogen hat, immerhin ist die Mannschaft trotz sechs Niederlagen aus den vergangenen sieben Partien weiterhin die viertbeste Mannschaft im Osten (16-10).
Die Dominanz der Boston Celtics (21-4) sowie die wesentlich verbesserten Miami Heat (21-8), die zuletzt jeweils ihren zwölften Sieg in Serie feierten und sich in der Eastern Conference absetzten, sorgten jedoch für ein Umdenken des Magic-Managements. Statt mit den Celtics und Heat zu konkurrieren, ist Orlando derzeit nur auf Augenhöhe mit den Chicago Bulls (16-9), den Atlanta Hawks (17-11) und den New York Knicks (16-12).
Noch alarmierender als die Sieg-Niederlage-Bilanz sind jedoch einige statistische Indizes. Orlando liegt mit 96,6 Punkten im Schnitt ligaweit nur auf Rang 21, im Vergleich zur Vorsaison erzielt die Mannschaft pro Spiel über 6 Zähler weniger. Eklatant vor allem der Leistungsabfall bei Vince Carter und Rashard Lewis, die diese Saison so schlecht spielen wie noch nie, klammert man Lewis' ersten zwei NBA-Jahre aus. Entsprechend nachvollziehbar ist der Weggang der beiden.
"Wir brauchen mehr Punch. Nach 25 Spielen kam ich zum Schluss, dass uns etwas fehlt. Eine Veränderung war nötig", erklärte Smith und verpflichtete mit Gilbert Arenas, Jason Richardson und Hedo Türkoglu drei Spieler, die ihm bestens vertraut sind. Mit Arenas und Richardson arbeitete Smith bei Golden State zusammen, Türkoglu stand bereits zwischen 2004 und 2009 bei den Magic unter Vertrag.
Vor allem Türkoglus Rückkehr wirft Fragen auf: Nachdem der Türke maßgeblichen Anteil an der Finals-Teilnahme 2009 hatte, ließ ihn Smith gehen und verpflichtete als Ersatz Carter. Etwas mehr als ein Jahr später gibt er Carter ab und holt dafür Türkoglu. Ein Fehler? "Ich glaube nicht. Ich bereue es nicht, mich 2009 so entschieden zu haben. Damals war es die richtige Entscheidung", sagt Smith.
2. Frage: Wie sehen die neuen Magic aus?
3. Frage: Was bedeutet der Trade für Phoenix?
4. Frage: Was bedeutet der Trade für Washington?
5. Frage: Welche weiteren Trades könnten folgen?
2. Frage: Wie sehen die neuen Magic aus?
Bei der großen Mehrheit der NBA-Teams herrscht der Grundglaube vor, dass nur eine exzellente Defense zu einer Meisterschaft führt. Orlando geht jedoch den entgegen gesetzten Weg und möchte einen wesentlich offensiveren Basketball spielen lassen.
Arenas, Richardson und Türkoglu haben allesamt ihre Stärken im Angriff, gelten jedoch als defensiv höchst nachlässig. Mit diesem Trio wird es den Magic nicht gelingen, den Schnitt von 92,8 gegnerischen Punkten zu halten, womit sie zurzeit noch die viertbeste Abwehr der NBA stellen. Zumal mit Mickael Pietrus der beste Flügel-Verteidiger des Teams an Phoenix abgegeben wurde.
Andererseits werden die neuen Magic im Angriff wesentlich schwerer ausrechenbar sein. Türkoglu enttäuschte zwar in Toronto wie auch in Phoenix und bestätigte seinen Ruf als talentierter, aber eben auch schwierig zu führender Egomane - in seinen fünf Jahren bei den Magic erlebte er jedoch die erfolgreichste Zeit als NBA-Profi. "Vielleicht ist Orlando der einzige Ort, wo er spielen kann", sinnierte Vize-Präsident Pat Williams.
Türkoglu wird wegen seiner Spielübersicht und seinem guten Wurf (42,3 Prozent Dreier) von Coach Stan Van Gundy als Small Forward eingeplant, den Frontcourt komplettieren Center Dwight Howard und Ex-Maverick Brandon Bass, der nach dem Lewis-Weggang als Power Forward gesetzt sein dürfte.
Ohne Gortat jedoch fehlt auf den großen Positionen plötzlich die Tiefe. Ryan Anderson definiert sich mehr über den Wurf, Earl Clark spielt mehr wie ein Combo-Forward, Malik Allen sowie Rookie Daniel Orton sind hingegen zwar klassische Big Men, doch ihnen mangelt es an Klasse (Allen) oder an Erfahrung (Orton).
GettyDafür platzt der Backcourt personell nun aus allen Nähten. Point Guard Jameer Nelson behält seinen Starter-Job, weswegen Arenas wohl als Sixth Man von der Bank kommt. Dahinter warten mit Chris Duhon und Jason Williams weitere bewährte Spielmacher. Womöglich weicht Arenas auch auf die Shooting-Guard-Position aus, wo die Konkurrenz mit den Namensvettern Jason Richardson und Quentin Richardson sowie J.J. Redick jedoch unmerklich kleiner ist.
Vermutlich wird es am Ende auf eine Drei-Guard-Rotation aus Nelson, Arenas und Jason Richardson hinauslaufen, der diese Saison All-Star-Statistiken für Phoenix auflegte (19,3 Punkte, 41,9 Prozent Dreier, 4,4 Rebounds).
Das größte Fragezeichen steht hinter Arenas' Leistungsfähigkeit. Zwischenmenschlich sollte er sich dank der Bemühungen seines engen Vertrauten Smith einfügen lassen, aber sportlich bleiben Zweifel: Zu was ist der ehemalige Superstar fähig, nachdem er in den letzten drei Jahren wegen chronischen Kniebeschwerden und der Sperre nach seinem Waffendelikt nur 68 Spiele bestritt? Wie fügt sich der ballverliebte Arenas in das taktische Korsett des Hardliners Van Gundy ein? Kann er nur ansatzweise an die Leistungen von 2005 bis 2007 anknüpfen, als er zwei Jahre in Folge fast 30 Punkte im Schnitt erzielte?
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Van Gundy nach "ESPN"-Informationen vor dem Tauschgeschäft gegen Arenas ausgesprochen hat.
Fakt ist: Orlando geht ein enormes Risiko ein, nicht nur mit Arenas. Mit einer Payroll von fast 90 Millionen Dollar unterhalten die Magic jetzt schon das zweitteuerste Team der Liga. Wegen der Trades und der daraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen werden die Lohnkosten bis 2013 (!) nicht unter 70 Millionen Dollar pro Jahr sinken. Sollte Jason Richardson über die Saison hinaus gebunden werden, wächst der Betrag entsprechend an.
Arenas' Vertrag ist bis 2014 datiert und bringt ihm 80 Millionen Dollar ein, Türkoglu stehen im gleichen Zeitraum von Orlando 45 Millionen Dollar zu. Oder anders formuliert: Sollten die Trades keinen Erfolg bringen, droht den Magic ein finanzielles Desaster.
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3. Frage: Was bedeutet der Trade für Phoenix?
Vince Carter mag unter den Neuzugängen der bekannteste Name sein, der wertvollste für Phoenix ist jedoch Marcin Gortat. Den Beweis, ein veritabler Starting-Center zu sein, konnte der Polish Hammer noch nicht erbringen, weil er in Orlando nur als Howard-Backup gefragt war.
Mit seiner Physis sollte er die defensiv unterirdisch schlechten Suns aber auf ein zumindest halbwegs akzeptables Niveau hieven. Als ähnlich wirksam könnte sich der exzellente Verteidiger Pietrus erweisen.
"Ich kann Grant Hill nicht die ganze Saison bitten, Dirk Nowitzki, Kevin Durant, Manu Ginobili und LeBron James zu verteidigen. Pietrus wird ihn entlasten", sagt Suns-Coach Alvin Gentry. Aktuell stellt sein Team gemeinsam mit Minnesota die schwächste Verteidigung der Liga (109,9 zugelassene Punkte).
Der Upgrade an Toughness wird jedoch nicht die Mittelmäßigkeit des Suns-Kaders übertünchen können. Auf den Flügeln (Grant Hill, Jared Dudley, Josh Childress) tummelt sich mehr Masse als Klasse, inwiefern der bereits 33-jährige Carter eine Verstärkung darstellt, muss sich zeigen.
GettyEine Playoff-Qualifikation ist für den West-Neunten Phoenix (12-13) das höchste aller Gefühle, mehr Qualität steckt nicht in der Mannschaft - wodurch nach dem Trade die ersten Gerüchte aufkamen, dass die Suns einen generellen Restart anstreben würden, indem sie Galionsfigur Steve Nash zum Trade anbieten.
Zwar folgte prompt ein Dementi von Suns-Besitzer Robert Sarver, dennoch bleibt es unruhig in Phoenix. Es ist bekannt, dass Nash seine freien Tage am liebsten in New York verbringt, wo sein ehemaliger Trainer Mike D'Antoni um seinen ehemaligen Mitspieler Amare Stoudemire eine vielversprechende Mannschaft zusammengestellt hat.
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4. Frage: Was bedeutet der Trade für Washington?
Es war bezeichnend, wie die Pressekonferenz von General Manager Ernie Grunfeld verlief, nachdem der Tausch Arenas-Lewis publik wurde. 15 Minuten hatten die Journalisten Zeit für ihre Fragen, kurioserweise wurde jedoch kein einziges Mal Lewis thematisiert, obwohl er der Neuzugang der Wizards ist.
Vielmehr wurde im Mediengespräch nur über Arenas' Weggang gesprochen - typisch für einen Klub, der seit Arenas' Eklat in der Vorsaison mehr mit der Vergangenheitsbewältigung als mit dem Aufbau eines konkurrenzfähigen Teams beschäftigt zu sein scheint.
Doch Coach Flip Saunders stellt klar, dass spätestens jetzt die Reset-Taste gedrückt wird: "Wir sind im totalen Neuaufbau." Nur drei Spieler (Andray Blatche, JaVale McGee, Nick Young) standen bereits vor einem Jahr im Kader, sonst wurde die Mannschaft komplett ausgetauscht. "Es ist verrückt", sagt Young.
GettyMit dem Arenas-Trade sind auch die letzten Zweifel ausgeräumt, dass Nummer-Eins-Pick John Wall das Team zukünftig führen soll, auch wenn er wegen diverser Blessuren 10 der ersten 25 Spiele verpasst hat. Wall wird der Kopf der neuen Wizards sein, die Starting Five wird durch die ebenfalls hochbegabten McGee sowie Blatche und die bewährten NBA-Kräfte Lewis und Kirk Hinrich komplettiert.
Lewis (20,5 Millionen Dollar Jahresgehalt) wird wohl immer der Makel anhaften, trotz fehlenden Superstar-Potenzials der hinter Kobe Bryant bestbezahlte Spieler der NBA zu sein, aber sollte er zumindest seinen seit drei Jahren anhalten Negativtrend stoppen können, wird der All-Star von 2005 und 2009 immerhin dabei helfen, Washington wieder zu einem sicheren Playoff-Team zu machen.
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5. Frage: Welche weiteren Trades könnten folgen?
Dass mit Orlando ein Topteam bereits Mitte Dezember alles riskiert und die Mannschaft neu zusammenstellt, verwunderte jeden in der NBA und könnte einen Domino-Effekt auf die anderen Klubs haben.
Houston nach Yao Mings Saison-Aus. Cleveland, das Antawn Jamison feilbietet. Denver mit den wechselwilligen Carmelo Anthony und J.R. Smith. Das klamme New Orleans, das mit Chris Paul über einen der begehrtesten Spieler verfügt. Charlotte, das nur halbherzig bestreitet, Gerald Wallace und Stephen Jackson abgeben zu wollen. Das durchwachsen in die Saison gestartete Portland. Dallas, das angeblich Brendan Haywood offeriert. Oder die kriselnden Mannschaften aus Detroit, New Jersey, Memphis und Phildalphia.
Es gibt ausreichend Klubs mit Bedarf für einen großen Trade - und durch die Magic wurde die heiße Trading-Phase schneller eingeläutet als sonst üblich. Womöglich werden durch Orlandos Aussteigen aus dem Poker um Anthony und Paul die anderen Konkurrenten ermutigt, offensiver um deren Dienste zu buhlen.
Doch die wildesten Gerüchte ranken sich weiterhin um Orlando und die Zukunft von Team-MVP Howard (Vertrag bis 2013, Player Option 2012). "CBS" zitiert unter Verweis auf einen Insider, das Howard nicht erfreut sei über die laufende Saison und sich genau anschauen werde, ob sich die Trades auszahlen werden. Sollten die Magic weiter stagnieren, sei ein Weggang nicht ausgeschlossen.
Howards Kommentar zum "Crazy Saturday" klingt zumindest nicht besonders enthusiastisch: "Das Front Office tat das, von dem es denkt, dass es das Beste ist für die Mannschaft." Sein Berater Dan Fegan ergänzte: "Es ist kein Geheimnis, dass es Dwight nur darum geht, die Championship zu gewinnen."
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