These: Derrick Rose hat keine Ausreden mehr
Florian Regelmann: Wenn ich Mitspieler von Derrick Rose wäre, würde ich ausrasten. Ich bin Luol Deng, kämpfe mich jeden verdammten Abend durch 52 Verletzungen und fighte, fighte, fighte. Und dann sehe ich einen Spieler auf der Bank sitzen, der im Warmup lustig drauf losdunkt, der vor allem vor geraumer Zeit von der medizinischen Abteilung grünes Licht bekommen hat, aber nicht spielt, weil er mental nicht bereit ist. Unfassbar. Es geht in der ganzen Geschichte übrigens nicht darum, ob die Bulls mit Rose eine 7-Spiele-Serie gegen Miami gewinnen können. Da das auch bei einem Comeback von Rose nicht drin wäre, könne er doch ruhig die ganze Saison aussetzen, sagen einige Leute. Totaler Nonsens. Rose hätte die Pflicht, für sein Team da zu sein und zu spielen. Weicheier kommen gerade in Chicago auch nicht besonders gut an. Wir sprechen von einer Stadt, die gesehen hat, in welch schlechtem gesundheitlichen Zustand Michael Jordan sich aufs Feld geschleppt und performt hat. Es ist absolut krass, wie sehr sich das Image von Rose schon gewandelt hat. Ein Spieler, der so sehr geliebt wurde von Chicago, verliert erheblich an Ansehen. Er ist noch nicht ganz auf dem "Hass"-Level von Bears-Quarterback Jay Cutler, aber so wahnsinnig viel fehlt nicht mehr, wenn er so weitermacht. Du hast auch schon schwere Verletzungen gehabt, Kretzsche. Kannst Du das verstehen?
Stefan Kretzschmar: Ich kann mich an eine schwere Knieverletzung erinnern, bei der ich einmal ein Dreivierteljahr aussetzen musste. Ich habe dann wirklich extremes Einzeltraining mit unserem rumänischen Co-Trainer gemacht und bin im Fußballstadion die Treppen rauf und runter gesprungen und gerannt. Als ich dann aber von den Ärzten grünes Licht bekam und wieder schmerzfrei war, habe ich auch wieder gespielt. Das war völlig normal für mich. Sobald dir die Ärzte sagen, es kann nichts mehr passieren, musst du deine Hemmungen hinter dir lassen. Natürlich kann ich verstehen, wie man sich fühlt, wenn die Karriere am seidenen Faden hängt. Wenn die Angst da ist, es könnte wieder etwas passieren. Aber das kannst du niemals ausschließen. Sobald die medizinische Abteilung das Go gibt, musst du dich wieder reinkämpfen. Du darfst keine Angst haben, sonst wirst du auch nie mehr der Spieler, der du vorher warst. Derrick Rose war ja auf dem Weg zu einem der besten Spieler der NBA zu werden, vielleicht zum besten überhaupt. Ich kann nachvollziehen, wie schwierig es psychologisch ist. Er ist noch jung, er hat noch nichts gewonnen, er will auf Nummer sicher gehen. Aber das geht nicht. Es kommt ein Punkt, an dem du den Ärzten vertrauen und dich ins Feuer reinwerfen musst. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Du kannst es im Training endlos simulieren, aber nur im Wettkampf kannst du herausfinden, ob alles hält.
Philipp Dornhegge: Ist doch völlig klar, dass Kretzsche als Ex-Profi zu Rose hält. Wir als Außenstehende können unmöglich vollends beurteilen, was in einem Profisportler in so einer Situation vorgeht. Rose bekommt so viel Druck von außen, alle haben irgendeine Meinung, was er machen soll. Die Fans wollen ihn sofort auf dem Court haben, sein Sponsor ist wohl eher dafür, dass sich Rose schont, um seine Karriere langfristig nicht zu gefährden. Sein Bruder hat ja schon mehrfach betont, dass die Bulls dieses Jahr eh nichts gewinnen können. Und keiner weiß, wie die Franchise mit der Situation umgeht und wie sie vor allem mit Derrick Rose umgeht. Es wurde ja schon ein tiefer Graben kolportiert, den Coach Thibodeau umgehend dementierte. Fakt ist: Die Ärzte haben schon vor geraumer Zeit grünes Licht gegeben, die Workouts vor den Spielen lassen erahnen, dass Rose körperlich bereit ist. Es geht also wohl nur noch um das Mentale. Und da möchte ich einfach niemandem vorschreiben, wie er sich zu fühlen hat. Irgendwann kommen wir aber natürlich schon an einen Punkt, an dem man auch bedenken muss, was er da für eine Seifenoper abzieht. Er bekennt sich nicht klar, verdient aber jede Menge Kohle. Und ich habe jetzt schon mehrfach, auch von Ex-Spielern, gelesen und gehört, die sagen: "Die letzten Hemmungen legt man erst ab, wenn man wieder spielt. Jeder hat Angst, sich gleich wieder zu verletzen. Aber diese Angst wird man nur los, wenn man sich ihr stellt." Für mich reicht das aus, um zu sagen: Rose muss jetzt endlich ran.
Haruka Gruber: Moment! Ohne die große Moralkeule auspacken zu wollen, aber mir ist das zu voreilig. Rose ist klug genug zu wissen, welche Verwunderung er mit seinem Zögern auslöst. Kein Profi ist so abgezockt, als ob er sich mit den Schlagzeilen nicht beschäftigen würde. Dass er sich dennoch dazu entscheidet abzuwarten, zeigt mir, dass er wirklich zwefeilt und nicht einfach so sein Team in Stich lässt. Versetzt Euch doch mal in seine Lage: Mit Brandon Roy oder Greg Oden gibt es zwei sehr prominente Beispiele von Superstar-Prospects, um die sich keiner mehr schert. Welcher Blazers-Fan denkt noch an Oden außer dass er der zweite Sam Bowie ist? Das selbe würde Rose passieren, wenn ihm wieder etwas zustößt. Dann war er der One-Hit-Wonder-MVP und nicht viel mehr. Entsprechend kann ich es nachvollziehen, dass er extrem vorsichtig ist. Zumal Thibodeau bei allem Erfolg ein sehr seltsamer Kauz sein soll, wie man hört. Ein Sonderling, der selbst mit den Assistenzcoaches nur das Nötigste bespricht und sich gerne absondert. Rose verdankt ihm vieles, aber dass da womöglich das allerletzte Vertrauen fehlt, wäre bis zum gewissen Grad verständlich. Zumal die NBA eben auch ein Business ist und man Risiko-Nutzen abwägen muss, so unromantisch es klingt. Das Risiko eines Comebacks liegt auf der Hand. Und wo wäre der Nutzen? Egal wie stark Rose zurückkommt, würden die Bulls spätestens in der zweiten Runde gegen Miami deutlich rausfliegen. Dann doch lieber ein Neustart im Sommer mit einem geplanten Aufbautraining. Mit einem fitten und selbstbewussten Rose wäre Chicago in der kommenden Saison der Ost-Herausforderer Nummer 1 für Miami - und spätestens dann denkt keiner mehr an den Sommer 2013.
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