"Wir wissen, wozu wir in der Lage sind"

Dirk Sing
13. April 201422:45
Evan Turner (l.) wurde am 20. Februar von den Philadelphia 76ers zu den Indiana Pacers getradedgetty
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Kurz vor den Playoffs straucheln die Indiana Pacers gewaltig. Am Sonntag haben sie gegen die Oklahoma City Thunder (ab 19.00 Uhr im LIVE-STREAM) die vorletzte Chance, sich in einen Rhythmus zu spielen, bevor die Post-Season beginnt. Doch Evan Turner ist zuversichtlich. Exklusiv bei SPOX spricht der 25-Jährige über die Probleme seines Teams, den Heimvorteil in den Playoffs und wie ähnlich sich die Pacers und Sixers in Wirklichkeit sind.

SPOX: Herr Turner, am Freitagabend setzte es beim vorläufigen "Showdown" um Rang eins in der Eastern Conference beim amtierenden Meister Miami Heat die nächste Niederlage (86:98). Konkret gefragt: Was ist für die Pacers in diesem Match schief gelaufen?

Evan Turner: Wir haben eigentlich eine recht gute erste Halbzeit gespielt und auch das umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten. Unmittelbar nach der Pause haben wir dann einige Minuten lang überhaupt nicht mehr ins Spiel gefunden, was Miami gnadenlos ausgenutzt hat. Diese Schwächephase hat uns letztlich den Sieg gekostet. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir im Vergleich zu unseren vorangegangenen Begegnungen einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht haben.

SPOX: Sie haben die Schwächephase zu Beginn des dritten Viertels bereits angesprochen, als Miami mit einem 16:0-Run den Grundstein zu diesem Sieg legte. Warum kollabierte die Offense der Pacers in diesen rund fünf Minuten regelrecht und blieb gänzlich ohne Korberfolg?

Turner: Tja, das ist eine gute Frage. Wir haben uns keine guten Würfe erspielt und die wenigen, die wir bekommen haben, nicht konsequent genutzt. Wobei man aber auch sagen muss, dass die Heat sehr gut verteidigt und dadurch auch den einen oder anderen Ballverlust von uns forciert haben. In dieser Phase kam irgendwie alles zusammen.

SPOX: War diese Niederlage bereits eine Vorentscheidung im Kampf um die "Pole Position" in der Eastern Conference?

Turner: Schwer zu sagen. Fakt ist, dass wir es nun nicht mehr in der eigenen Hand haben. Wir werden auf alle Fälle versuchen, unsere beiden verbleibenden Partien gegen die Oklahoma City Thunder und Orlando noch zu gewinnen. Dann werden wir sehen, wo wir am Ende stehen.

SPOX: Welchen Stellenwert hat denn aus Ihrer Sicht grundsätzlich der erste Platz in der Eastern Conference nach Abschluss der Regular Season, gerade im Hinblick auf den Heimvorteil in den Playoffs?

Turner: Ich denke schon, dass es letztlich keine ganz unerhebliche Rolle spielt. Grundsätzlich ist es in einer Serie sicherlich kein Nachteil, wenn du das erste Match daheim hast. Mit einem Sieg kannst du gleich Selbstvetrauen tanken und den Druck an deinen Gegner weitergeben. Je weiter du dann in den Playoffs kommst, desto entscheidender könnte der Heimvorteil sein.

SPOX: Über weite Strecken dieser Saison sah es danach aus, als würden die Indiana Pacers das Geschehen in der Eastern Conference fast schon nach Belieben beherrschen. Von dieser einstigen Souveränität und Dominanz ist Ihr Team jedoch seit einigen Wochen weit entfernt. Wie erklären Sie sich diesen Einbruch?

Turner: Das hat sicherlich mehrere Gründe. Zum einen haben wir in den vergangenen zehn, zwölf Partien gegen Mannschaften gespielt, die sich im Laufe dieser Saison deutlich verbessert haben. Von dem her sollte man diesen Gegnern schon auch den nötigen Respekt entgegenbringen und deren Leistungen anerkennen. Zum anderen hat aber sicherlich auch dem einen oder anderen unserer Spieler zuletzt etwas die körperliche Frische gefehlt. Gerade unsere Starting Five hat im bisherigen Saisonverlauf schon sehr viele Begegnungen und Minuten absolviert.

SPOX: Dennoch: Nach der 78:91-Niederlage in Washington (28. März) sprach Center Roy Hibbert davon, dass man "einige egoistische Jungs" im Team habe. Können Sie diese Aussage nachvollziehen beziehungsweise bestätigen?

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Turner: Nein, das kann ich nicht - und ich glaube auch, dass es Roy so nicht gemeint hat. Dieser Satz ist ihm vielleicht unmittelbar nach dem Match in seiner ersten Enttäuschung herausgerutscht. Das sollte man deshalb nicht zu eng sehen. Ich selbst bin jetzt seit rund sieben Wochen hier und habe diesbezüglich nur gute Erfahrungen gemacht. Wir haben sicherlich keinen einzigen Spieler im Team, der sich über die Mannschaft stellt oder querschießt. Definitiv nicht.

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SPOX: Eine weitere herbe Klatsche folgte dann am 6. April gegen die Atlanta Hawks (88:107). Bereits zur Pause lag man mit 23:55 im Rückstand und traf dabei lediglich 20 Prozent der Würfe aus dem Feld. Wie lässt sich ein solcher Auftritt erklären?

Turner: Sie haben es ja bereits gesagt: Wir haben in den ersten 24 Minuten lediglich 20 Prozent unserer Würfe getroffen. Für uns war es ein schrecklicher Abend, an dem vor allem in der ersten Halbzeit überhaupt nichts funktioniert hat. Atlanta dagegen hat den Ball hervorragend laufen lassen, nahezu jeden Wurf versenkt und sich von Minute zu Minute mehr in einen Rausch gespielt.

SPOX: Nach dieser Partie wurde von vielen Seiten spekuliert, ob die Pacers absichtlich gegen die Hawks verloren hätten, um Atlanta damit "Schützenhilfe" im Kampf um Rang acht in der Eastern Conference zu geben und einem möglichen Erstrunden-Duell in den Playoffs gegen die New York Knicks aus dem Weg zu gehen...

Turner: Ja, dieses Behauptung habe ich in den vergangenen Tagen auch schon mehrfach gehört (lacht). Aber sie ist natürlich absoluter Unsinn. Ich von meiner Seite aus kann behaupten, dass ich immer gewinnen will - egal wann und egal gegen wen! Abgesehen davon muss es uns völlig egal sein, mit welchen Gegnern wir es letztlich in den Playoffs zu tun bekommen. Nicht wir müssen uns nach den Gegnern richten, sondern die Gegner nach uns.

SPOX: Oftmals ist es ja auch so, dass deutliche Niederlagen und deren Folgen durchaus auch eine positive Wirkung auf eine Mannschaft haben können. Um nochmals auf die Schlappe gegen Atlanta zurückzukommen: Wie ist Ihr Team damit umgegangen?

Turner: Ja, das ist richtig. Von dem her war diese deutliche Niederlage vielleicht gar nicht so schlecht. Wir haben uns unmittelbar danach als Mannschaft zusammengesetzt und miteinander gesprochen. Uns ist allen klar, dass wir letztlich wieder zurück zum typischen Pacers-Basketball müssen, der uns stark und erfolgreich gemacht hat.

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Seite 2: Über seinen Trade und die hohen Erwartungen in Indiana

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SPOX: Bereits seit Saisonbeginn wird über das "designierte" Conference-Final zwischen Miami und Indiana diskutiert und gefachsimpelt. Andere Teams wie die Chicago Bulls oder Brooklyn Nets spielen in diesem Zusammenhang kaum eine Rolle. Eine "gefährliche" Diskussion?

Turner: Absolut - das kann ich nur bestätigen! Man würde meines Erachtens einen sehr großen Fehler begehen, wenn man zu sehr nach vorne blicken und sich mit Dingen beschäftigen würde, die möglicherweise eintreten könnten. Unsere gesamte Konzentration muss auf jedem einzelnen Match und dem aktuellen Gegner liegen. Alles andere wäre verrückt.

SPOX: Um es trotzdem zu versuchen: Wäre eine Halbfinal- oder sogar Finalserie gegen die Chicago Bulls für Sie persönlich etwas Besonderes, da Sie ja in Chicago geboren sind?

Turner: (lacht) Das könnte man sicherlich so sagen, ja. Meine Familie und Freunde kommen aus Chicago, ich bin dort aufgewachsen. Hinzu kommt, dass die Bulls-Organisation und deren Fans wirklich großartig sind. Es macht immer sehr viel Spaß, dort zu spielen - zumal es ja auch immer richtige Fights sind.

SPOX: Dass Sie in dieser Saison überhaupt die Möglichkeit haben, um die Meisterschaft zu spielen, ist letztlich dem Trade zwischen Ihrem Ex-Klub Philadelphia 76ers und den Indiana Pacers zu verdanken. Sind an diesem 20. Februar, als der Wechsel über die Bühne gegangen ist, für Sie Weihnachten, Ostern und Geburtstag auf einmal zusammengekommen?

Turner: Ja, dieser Vergleich gefällt mit, das hört sich gut an (lacht). Grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass das Team der 76ers sicherlich etwas besser ist, als es momentan dasteht. Und auch für die Zukunft sehe ich die Organisation gut aufgestellt und gerüstet. Aber klar, für mich persönlich war es natürlich schon eine coole Sache, auf einmal zu einem Contender getradet zu werden und die Gelegenheit zu bekommen, in den Playoffs zu spielen.

SPOX: Sie sind nun seit rund sieben Wochen bei den Pacers. Worin liegen die Hauptunterschiede, für ein Rebuild- beziehungsweise Tanking-Team wie Philadelphia oder einen Titelanwärter wie Indiana zu spielen?

Turner: Ich denke, dass man die Entwicklung der beiden Mannschaften sogar miteinander vergleichen kann. Die 76ers sind gerade dabei, ein neues Team für die Zukunft aufzubauen und stehen zum jetzigen Zeitpunkt dort, wo die Pacers vor drei oder vier Jahren waren. Dass sich ein solcher Plan mittel- oder langfristig auszahlen kann, sieht man jetzt in Indiana.

SPOX: Aufgrund der starken Leistungen und Resultate in den vergangenen Jahren sind aber sicherlich auch die Ansprüche und Erwartungen an das Pacers-Team, gerade aus dem Umfeld - deutlich gestiegen. Und damit auch der Druck...

Turner: Definitiv, ja. Doch damit müssen wir einfach umgehen, schließlich sind wir selbst dafür "verantwortlich" (lacht). Aber den größten Druck machen wir uns schon selbst. Wir wissen, wozu wir in der Lage sind und wollen das in den Playoffs auch entsprechend beweisen.

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SPOX: Voraussetzung für erfolgreiche Playoffs dürfte dabei wieder die berüchtigte Team-Defense der Indiana Pacers sein, die für zahlreiche Experten als die Beste in der NBA gilt. Wie schwer ist es - gerade wenn man während der Saison neu zur Mannschaft stößt -, diese zu erlernen und dann auch zu verinnerlichen?

Turner: Eigentlich ist es gar nicht so schwierig. Letztlich hängt alles an der Kommunikation auf dem Court. Natürlich musst du wissen, wann und wo du in der Verteidigung absinken, helfen oder bei gegnerischen Blöcken einen anderen Gegenspieler übernehmen musst. Und da ist es eben sehr hilfreich, wenn man viel miteinander spricht. Wenn ich mich dann einmal falsch bewege, sagen mir meine Mitspieler sofort, was ich zu tun habe. Meine Fehlerquote in der Defense ist im Laufe der Zeit jedenfalls deutlich nach unten gegangen.

SPOX: Eine weitere Umstellung ist zweifelsohne Ihre derzeitige Rolle bei den Pacers. Während Sie zuletzt bei den 76ers Starter waren, rund 35 Minuten pro Partie auf dem Court standen und auch viel Verantwortung übertragen bekamen, kommen Sie in Indiana von der Bank und bringen es durchschnittlich "nur" auf 20 Minuten Einsatzzeit. Wie gehen Sie mit dieser neuen Situation um?

Turner: Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich sicherlich kein Problem damit habe, bei einer derart tief besetzten Mannschaft wie den Pacers anfangs auf der Bank zu sitzen. Wenn unser Coach dann meine Nummer ruft, versuche ich einfach, so hart es geht auf dem Court zu arbeiten. Die größte Herausforderung beziehungsweise Umstellung ist sicherlich, seinen gewohnten Rhythmus, vor allem in der Offensive, zu finden. Das ist von der Bank kommend schon etwas schwieriger als wenn du startest.

SPOX: Lassen Sie uns abschließend noch auf das vorletzte Vorrunden-Match der Pacers am Sonntag bei den Oklahoma City Thunder blicken. Was müssen Sie und Ihr Team besser machen als zuletzt in Miami, um eine Siegchance zu haben?

Turner: Unsere Leistung gegen die Heat war über weite Strecken absolut in Ordnung. Abgesehen davon, dass wir uns eine derartige Schwächephase wie im dritten Viertel nicht nochmals erlauben dürfen, muss auch unsere Rebound-Arbeit wieder besser werden. Wenn wir die Bretter kontrollieren, haben wir auch weniger Probleme.

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Evan Turner im Steckbrief