Dennis Schröder sorgt mit seinem Start in die neue Saison für Aufsehen, vor allem seine Leistung gegen die Knicks machte ihn auch in den USA bekannt. Doch was steckt hinter seinem Aufstieg? SPOX blickt auf die Ursachen - und findet drei wesentliche Veränderungen im Vergleich zur Vorsaison.
nba.deNeue Ballsicherheit: Es war wohl das größte Problem in Schröders Rookie-Saison: Die Ballverluste. Pro 100 Ballbesitze produzierte er 16,9 Ballverluste; das war die viertschlechteste Turnover-Rate unter allen Guards, die mindestens 40 Spiele absolvierten. Backup-Konkurrent Shelvin Mack ging da mit einer Rate von genau 10 wesentlich sorgsamer mit dem Ball um.
Für ein Team, das seine Spiele gewinnen wollte, machte es dies nahezu unmöglich, ihm groß Spielzeit zu geben - wer den Ball nicht unter Kontrolle hat, schadet seiner Mannschaft. Auch beim Verhältnis zwischen Assists und Ballverlusten rangierte Schröder mit einer 1,52-Rate unter den schwächsten Vertretern seiner Zunft (zum Vergleich: Chris Paul gab für jeden Turnover 4,57 direkte Vorlagen).
Es waren teils haarsträubende Entscheidungen, durch die der Ball verloren ging - nicht selten wirkte er schlicht und einfach überfordert durch die neuen Systeme, das schnellere Spiel, die stärkeren Gegner. Dadurch verlor er fast umgehend den ihm eigentlich angedachten Platz als erster Backup von Jeff Teague und musste sich über die D-League neues Selbstvertrauen besorgen.
Diese Anfälligkeit scheint heuer geringer zu sein - Schröder fühlt sich wohler mit dem Ball in der Hand, vielleicht hat in dieser Hinsicht auch die Erfahrung mit der Nationalmannschaft im Sommer geholfen. In den bisherigen fünf Saisonspielen beträgt seine Turnover-Rate 11,6, womit er bei den Point Guards im Mittelfeld rangiert.
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Natürlich trennen ihn hier weiterhin Welten von Floor Generals wie Paul, der die Liga bisher mit einer bockstarken Rate von 4,8 anführt. Allerdings sind auf der anderen Seite All-Stars wie John Wall (12,3), Derrick Rose (12,4), Tony Parker (14,4), Stephen Curry (14,6) oder Rajon Rondo (16,4) allesamt schlechter als Schröder. Sein "Vorgesetzter" Teague übrigens auch (12,8).
Der Unterschied zwischen 16,9 und 11,6 ist enorm - zumal er einen ganz wesentlichen Einfluss darauf hat, wie Mike Budenholzer seinen jungen Point Guard einsetzen kann. Er braucht mittlerweile keine Bauchschmerzen mehr haben, wenn er den Ball in Schröders Hände legt. Das zeigte vor allem seine Performance in der Crunchtime gegen die Knicks.
Teague hatte einen ganz schwachen Tag erwischt, also überließ Budenholzer Schröder das Zepter - vor kurzem noch unvorstellbar. Und der Deutsche dankte es ihm, indem er selbst acht wichtige Punkte machte, einen Assist auf Kyle Korver spielte - und dabei kein einziges Mal den Ball verlor, obwohl er als Ballführender permanent unter Druck gesetzt wurde.
Verbesserte Wurfauswahl: Wer sich in diesen Tagen über die effizientesten Scorer der Liga informieren will, blickt in der Regel auf die True Shooting Percentage. Diese bezieht schließlich alle Abschlüsse mit ein und berücksichtigt auch, dass Dreier und Freiwürfe einen anderen Wert besitzen als ein normaler Zweier.
Am Ende einer Saison finden sich unter den Besten in dieser Kategorie in der Regel nahezu ausschließlich stopfende Big Men wie DeAndre Jordan oder Mason Plumlee, Edel-Shooter wie Kyle Korver - und natürlich die Besten der Besten, wie LeBron James oder Kevin Durant. In der neuen Saison belegt Schröder mit bis dato 74,9 Prozent den vierten Platz in der Liga.
Dieser Wert wird natürlich keine ganze Saison über auf diesem Niveau bleiben. Zur Einordnung: Den höchsten Wert über eine einzige Saison legte Tyson Chandler auf, als ihm 2011/12 bei den Knicks 70,8 Prozent True Shooting gelangen. Der beste Wert, den je ein Guard aufgelegt hat, betrug 68,8 Prozent und stammt von Washington Bullets-Guard Tim Legler aus der Saison 1995/96.
Schröder wird diesen Wert also nicht halten können, das erwartet aber auch niemand. Dass er offensiv deutlich effizienter agiert als noch in der Vorsaison, als er auf schwache 44,2 Prozent True Shooting kam, zeigt aber bereits die kleine Stichprobe der ersten fünf Saisonspiele. Die Gründe dafür sind so simpel wie einleuchtend.
Der 21-Jährige trifft mit dem Ball in der Hand bessere Entscheidungen. In Sachen Wurfauswahl drückt sich das darin aus, dass er den Abschluss vermehrt in der Zone sucht: In der letzten Saison nahm er 47,9 Prozent seiner Abschlüsse in unmittelbarer Korbnähe, von denen er unterdurchschnittliche 51,1 Prozent traf. In diesem Jahr erfolgen 69,6 Prozent seiner Würfe direkt am Korb - und 68,8 Prozent finden ihr Ziel.
Schröder, dessen Jumpshot bei "ESPN Insider" als "fürchterlich" beschrieben wird, besinnt sich mit diesem Fokus auf die Penetration auf seine große Stärke, die Schnelligkeit. Da er auch physisch zugelegt hat, fällt es ihm heuer leichter, auch gegen Kontakt erfolgreich zu finishen oder den freien Mann zu finden.
Das letzte Viertel gegen die Knicks, als er für den schwachen Jeff Teague hereinkam und in der Crunchtime zum Matchwinner avancierte, lieferte dafür perfekte Anschauungsbeispiele. Schröder war von Shane Larkin nicht zu verteidigen, traf immer wieder gute Entscheidungen und punktete sowohl am Korb als auch aus der Mitteldistanz.
Als dann der deutlich größere und stärkere Iman Shumpert gegen ihn gestellt wurde, konnte er sich trotzdem den nötigen Platz verschaffen und körperlich dagegenhalten. Ein klarer Fortschritt im Vergleich zur Vorsaison.
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Neuer Platz in der Rotation: Wer neu in die Liga kommt, muss sich seinen Platz in der Rotation freilich erst erkämpfen. Das braucht Zeit, vor allem bei jemandem, der keine College-Erfahrung vorzuweisen hat und sich zudem in einem neuen Land akklimatisieren muss. Es gibt da einfach jede Menge zu lernen, auf und neben dem Platz.
Gleichzeitig muss ein Coach einen solchen neuen Spieler erst kennen lernen, um dessen Stärken und Schwächen einschätzen zu können und ihn dementsprechend einzusetzen. Bei Mike Budenholzer kam letztes Jahr hinzu, dass sein Primärziel war, die Playoffs zu erreichen - und nicht, alles an die Entwicklung seines Rookies zu setzen. Schröders Saison reflektierte dies.
Den allergrößten Teil seiner Spielzeit verbrachte er mit reinen Bench Units - also neben Jungs wie Elton Brand, Mike Scott oder Cartier Martin. Auffälligerweise stand bei fast der Hälfte seiner Minuten auch Shelvin Mack auf dem Court, der ja eigentlich sein Konkurrent auf den Platz als Backup-Point Guard war. Da Mack genau wie Schröder kein besonders guter Distanzschütze ist und nur mit dem Ball in der Hand effektiv sein kann, behinderten sich beide bisweilen in ihrem Spiel.
Das scheint Coach "Bud" erkannt zu haben. Die meiste Zeit verbrachte Schröder bisher in einer Kombination mit Al Horford, Kyle Korver, Scott und Thabo Sefolosha auf dem Court - also drei fähigen Shootern sowie einem Big Man, der mit seiner Mobilität und seinem Jumper perfekt im Pick'n'Roll oder Pick'n'Pop eingesetzt werden kann.
Dieses Lineup maximiert Schröders Stärken, da es genug Spacing um ihn herum schafft, um mit Verve zum Korb zu gehen und entweder selbst zu finishen oder den freien Mann zu finden. Bisher funktioniert das Ganze großartig: Pro 100 Ballbesitze macht diese Kombination 28,6 Punkte mehr als der Gegner.
Eine weitere Formation, die Budenholzer bereits einige Male ausprobiert hat, kombiniert Schröder mit Sefolosha, Scott sowie Pero Antic und DeMarre Carroll. Diese Fünf haben pro 100 Ballbesitze sogar ein Punkte-Plus von 34,5 erzielt, allerdings in bis dato sehr kleiner Stichprobe. Dennoch wird das Rezept deutlich: Schröder + Shooting + mobiler Big Man = Erfolg.
Fertig ist der Coach noch nicht mit der Kennenlernphase, soviel ist auch klar. So probierte er Schröder beispielsweise schon einige Minuten neben Starting Point Guard Jeff Teague aus, eine Kombination, die in der letzten Saison nahezu überhaupt nicht vorkam. Spieler und Trainer nähern sich aber offensichtlich der Ideallösung an.
Meister der Effizienz? Nach vier Spielen führte Schröder die NBA in Sachen Player Efficiency Rating (PER) an - mit einem Wert von 35,86. Das PER ist bekannt als die wohl etablierteste "Advanced" Statistik und soll mit Hilfe einer Formel von "ESPN"-Guru John Hollinger in einer einzigen Zahl darstellen, welchen Wert ein Spieler auf einem Basketballfeld hat.
Die Formel des PER würde den Rahmen sprengen, daher soll an dieser Stelle ein Zitat von Hollinger selbst als Erklärung fungieren: "Das PER summiert alle positiven Leistungen eines Spielers und zieht die negativen Leistungen ab, um einen Wert zu erstellen, mit dem die Leistung des Spielers pro Minute bewertet wird."
Die Formel ist nicht perfekt, bildet aber in der Regel doch einigermaßen gut ab, welche Spieler über eine Saison besonders auffallen - wie beispielsweise LeBron James, der die Liga in der Kategorie zwischen 2007 und 2013 jedes Jahr angeführt hat. Den höchsten Wert aller Zeiten erzielte Wilt Chamberlain 1962/63 (31,82), letztes Jahr führte Kevin Durant die Liga an (29,82).
Man sieht es an diesen Werten schon: 35,86 ist ein Ausreißer, ein "Unfall". Kein Mensch könnte diesen Wert über eine Saison halten, mit Sicherheit kein Zweitjahresprofi aus Deutschland. Da passt es irgendwie, dass Schröders Wert nach dem Spiel bei den Knicks - seiner besten Leistung als NBA-Profi - auf (immer noch überragende) 29,54 gesunken ist.
Der rapide "Abfall" verdeutlicht auch noch einmal, wie jung die Saison noch ist, welchen Einfluss ein einziges Spiel haben kann. Es wäre arg verfrüht, gleich davon zu sprechen, dass der Durchbruch jetzt geschafft oder dass Schröder sich nun definitiv etabliert hätte.
Der Auftakt in die Saison ist trotzdem extrem vielversprechend verlaufen. Schröders Spiel ist gereift und Budenholzer lernt immer besser, wie er den Point Guard einzusetzen hat. Jetzt liegt es an ihm, den Trend zu bestätigen und weiter hart an sich zu arbeiten.
In Sachen PER anführen wird Schröder die NBA am Ende der Saison nicht. Das muss er aber auch nicht, ein Wert im Bereich des Ligadurchschnitts von 15 wäre schon ein Erfolg. Man darf in jedem Fall davon ausgehen, dass er sein mieses PER von 5,8 aus der Vorsaison einigermaßen deutlich übertreffen wird.
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