Es ist halb vier in der Nacht vor dem ersten Training der Saison. Um neun Uhr geht es los. Doug McDermott ist aufgeregt, kann nicht schlafen: "Ich hab' ständig Coach Thibodeaus Stimme im Kopf, die mir immer wieder prophezeit, dass ich meinen ersten Tag verpassen werde", sagt er zu sich selbst. Und damit das bloß nicht passiert, hat er sich drei Wecker gestellt.
Am nächsten morgen erscheint der Rookie dann trotz schlafloser Nacht pünktlich im Advocate Center, der neuen Trainingsanlage der Chicago Bulls. McDermott ist müde und vergisst, Donuts mitzubringen, was für Rookies an ihrem ersten Tag Pflicht ist. "Er stellt sich drei Wecker und vergisst dann die Donuts? Darüber müssen wir noch mal reden", meint sein zukünftiger Point Guard Derrick Rose scherzend.
Dann geht's aufs Parkett. Und: Seine Leistung im Training lässt den kleinen Fauxpas schnell vergessen. Der Small Forward spielt gut, fügt sich ins Team ein und schießt den Ball gewohnt treffsicher - besonders von der Dreierlinie.
Dreier-Spezialist
Damit erfüllt er genau die Aufgabe, für die die Bulls ihn nach Chicago geholt haben: werfen und treffen. In Chicago sind gute Dreierschützen seit Jahren Mangelware. Und gerade diese werden im Spielsystem von Coach Tom Thibodeau eigentlich gebraucht, um Räume für Spielmacher Derrick Rose zu schaffen und die passstarken Big Men Joa-kim Noah und Pau Gasol optimal einzusetzen.
Die starke Dreierquote von 44,9 Prozent (im Vorjahr sogar 49 Prozent) des NCAA-Scoring-Champions hat die Bulls schließlich dazu bewegt, im Draft 2014 den 16., 19. und einen kommenden Second-Round-Pick nach Denver abzugeben, um McDermott an elfter Stelle verpflichten zu können.
McDermott ist in der All-Time-Scoring-Liste der NCAA mit 3.150 Punkten auf dem fünften Platz und damit eine echte College-Legende. Er ist ein guter Scorer, der auch dazu im Stande ist, seinen eigenen Wurf zu kreieren. Zudem hat er volle vier Jahre am College verbracht, bringt also schon eine Menge Erfahrung mit. An der kleineren Creighton University in Omaha, Nebraska, ist "Dougie" ein echter Superstar und kann dort auch heute noch nicht auf die Straße gehen, ohne dass sich eine Fan-Schar um ihn herum versammelt.
Kein Wunder! Er hat sein Team in den vergangenen drei Jahren jeweils ins NCAA-Turnier geführt. Sein ehemaliger Roommate versteigert jetzt sogar die Klamotten, die McDermott in seinem College-Zimmer zurückgelassen hat, nachdem er nach Chicago gezogen ist. Doch trotz seiner erfolgreichen Zeit in der NCAA bleibt der Bulls-Rookie zielstrebig: "Eine großartige College-Karriere bedeutet nichts, wenn du in die NBA kommst!"
Unüblicher Weg
Der Shooter legt zudem großen Wert auf ein familiäres Umfeld. Seine Mutter schaute jedes Spiel ihres Sohnes von ihrem Stammplatz auf der Tribüne und die Creighton-Truppe wird von Gregg McDermott, Dougs Vater, gecoacht. Die meisten jungen Talente werden schon früh gehypt, verbringen ein bis zwei Jahre am College und gehen dann in die NBA. Bei McDermott war das anders. Denn: Dass er das Zeug für die NBA hat, deutete sich erst später an. Nach seinen ersten beiden College-Saisons fehlte ihm noch das Talent zum Sprung in die NBA.
Doch die Entscheidung, auch nach der dritten Saison noch ein College-Jahr dranzuhängen, fiel ihm nicht schwer. "Ich liebe es, für meinen Vater zu spielen, und habe mich in Creighton sehr wohlgefühlt." Musik in den Ohren des coachenden Vaters: "Junge Menschen zwischen 18 und 22 Jahren verändern sich so schnell. Ich bin froh, dass ich diese Veränderungen bei Doug mit meinen eigenen Augen miterleben durfte." Doch nun ist es endlich Zeit für ein neues Kapitel. McDermott bringt nicht nur vier Jahre College-Erfahrung, sondern auch einen Abschluss in Marketing mit in die NBA.
Und auch wenn sein erster Tag im Bulls-Jersey etwas holprig verlief, sind die Hoffnungen auf "Dougie McBuckets" in der "Windy City" groß. Mit seinen Offensivkünsten kann er den Bulls in ihrem Problembereich weiterhelfen: Der 22-Jährige ist also ein "Perfect fit" in Chicago.
Der Artikel erscheint in der BASKET 12/2014