Luxustruppe mit Dramaturgie

Ole Frerks
16. Oktober 201514:20
Zu 33 Prozent gesund: Kevin Love, Kyrie Irving und LeBron Jamesgetty
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Viel hat sich bei den Cleveland Cavaliers im Sommer nicht verändert, nur die Personalie Tristan Thompson überstrahlt derzeit alles. Auch ohne den Power Forward sollte die Qualität des Kaders aber ausreichen, um im Osten erneut weit zu kommen. LeBron James hat die einzige Gefahr identifiziert, die den Cavs drohen könnte.

Point Guards

Die Qualitäten von Kyrie Irving sind hinlänglich bekannt - kaum ein Point Guard kann dermaßen kreativ scoren. Mit seinem butterweichen Jumper, dem vielleicht besten Ballhandling der Liga und der Fähigkeit, auch gegen Kontakt am Ring abzuschließen, stellt er gegnerische Verteidigungen vor kaum lösbare Probleme und ist ein Dauergast in sämtlichen Highlight-Videos.

Er ist dabei kein klassischer Point Guard, er definiert sich vielmehr über den eigenen Abschluss - solange er neben "Power Point Guard" LeBron James spielt, ist das aber kein Problem. Im Gegenteil. Die vergangene Saison zeigte, dass Uncle Drew und LeBron durchaus kompatibel und im Verbund tödlich sind.

Auch in seiner ersten Postseason wusste der dreimalige All-Star durchaus zu überzeugen, bevor ihn Verletzungen Teile der Conference Finals und nach Spiel 1 die kompletten Finals kosteten. Und diese Verletzungen sind auch vor der kommenden Saison Thema. Nachdem Irving im Sommer am Knie operiert wurde, gibt es immer noch keinen wirklichen Zeitplan für seine Rückkehr.

Zuerst wurde davon gesprochen, er werde erst 2016 wieder spielen können, nun sickerte durch, dass er womöglich "nur" den ersten Saisonmonat aussetzen muss. GM David Griffin sagte kürzlich nur, man werde die frisch operierten Irving und Kevin Love "bewusst sehr, sehr langsam zurückbringen. Wir haben für sie keinen aggressiven Zeitplan."

Das ist nur logisch. Irving hatte in seiner vierjährigen Karriere schon häufig mit Verletzungen zu kämpfen, von daher will man kein unnötiges Risiko eingehen, indem man ihn zu früh wieder auf den Court schickt. Zumal sie im Aufbau zwei Spieler haben, die ihn in der Frühphase der Saison zumindest adäquat vertreten können.

Da wäre zum einen Matthew Dellavedova, den man für seine teilweise überragenden Playoff-Leistungen mit einem neuen Einjahresvertrag belohnt hat. Was dem Australier an Talent fehlt, macht er mit umso mehr Einsatz, starker Defense und einem "Hang zum Asozialen" wieder wett. In Cleveland ist er Publikumsliebling, beim Rest der Liga gibt es für ihn weniger Sympathien.

Delly wird aber auch in Abwesenheit von Irving vermutlich nicht starten, dafür wurde mit Mo Williams noch ein alter Bekannter geholt. Der 32-Jährige spielte 2008/09 seine einzige All-Star-Saison in Cleveland und legte an der Seite von LeBron die beste Dreierquote seiner Karriere auf (43,6 Prozent).

Er mag nicht mehr den Speed von damals haben, dennoch ist Williams in jedem Fall in der Lage, offene Dreier zu treffen und den Ball zu bewegen - vielmehr muss er in diesem Kader vermutlich auch nicht tun. Punkten kann er aber immer noch: Im Trikot der Timberwolves legte er letzte Saison sein Career High von unglaublichen 52 Punkten auf.

Für die 2,1 Millionen Dollar, die Williams in Cleveland verdient, ist er ein absoluter Steal. Zumal er sich dem Kollektiv unterordnen kann und will, nachdem er die letzten Jahre bei einigen miesen Teams verbracht hat. "Ich werde hier keine 45 Minuten spielen. Ich bin hier, um die Jungs zu entlasten. Ich will meinen Teil dazu beitragen, einen Titel nach Cleveland zu bringen."

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Shooting Guards

Auch auf der zweiten Backcourt-Position gibt es Verletzungssorgen, die sich tief in die Saison hinziehen könnten. Iman Shumpert, der im Sommer mit einem frischen Vierjahresvertrag ausgestattet wurde, verletzte sich Ende September schwer am Handgelenk und fällt nach einer Operation wohl "mindestens" drei Monate aus.

Das ist insofern ziemlich bitter, da Shump der beste Cavs-Flügelverteidiger ohne die Initialen LBJ ist. Häufig wurde er auf die besten Scorer des Gegners angesetzt, damit LeBron in der Defense Energie sparen konnte. Diese Aufgabe fällt nun - wie schon zeitweise in den Playoffs - auf Shumperts Backup J.R. Smith zurück, der nach langer Hängepartie im Sommer ebenfalls gehalten wurde.

Zu Smith ist eigentlich alles gesagt: Der Shooting Guard kann ein unglaublich wertvoller Scorer und auch Verteidiger sein, er kann sich aber auch immer mal wieder selbst ins Bein schießen. Sei es durch Ellbogen-Checks, gelockerte Schnürsenkel seiner Gegenspieler oder was auch immer.

Für die 5 Millionen Dollar, die er kommende Saison verdient, ist er aber ohne jeden Zweifel ein Schnäppchen und angesichts Shumperts Verletzung umso wichtiger. Man sollte sich nur nicht darauf einstellen, dass J.R. während der Saison kein einziges Mal negativ auffällig wird.

Sollten die Pferde wieder einmal mit ihm durchgehen, steht mit Sophomore Joe Harris noch ein weiterer nomineller Shooting Guard bereit, zudem kämpfen im Training Camp derzeit Jared Cunningham, Dionte Christmas und D.J. Stephens um einen Platz im Roster.

Da der Cavs-Kader mit einer prominenten Ausnahme allerdings eigentlich voll ist, werden die Minuten auf der Zwei wohl eher anderweitig vergeben. Wenn Harris Coach David Blatt nicht etwas mehr von sich überzeugen kann als in der Vorsaison, in der er nur in 51 Spielen ran durfte und dabei 9,7 Minuten pro Partie bekam.

Das deutete auch LeBron bereits an, als die Verletzung von Shumpert bekannt wurde. "Wir haben Tiefe, vor allem bei den Guards. Mit Delly, J.R., Mo und auch Richard Jefferson haben wir dort mehrere Alternativen, solange Shump und Kyrie nicht fit sind. Wir sollten das auffangen können."

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Small Forwards

Hier hätten wir den Grund, warum sich trotz der zahllosen Verletzungen im Kader kaum jemand ernsthafte Sorgen macht um die Cavaliers. Abgesehen natürlich von dem Fakt, dass sie in der Eastern Conference spielen, garantiert ein LeBron James im Kader immer noch Relevanz und mit einem adäquaten Supporting Cast auch Titelchancen.

Wobei der Supporting Cast sogar nur bedingt adäquat sein muss - wie die Finals zeigten, als der vierfache MVP es offensiv fast im Alleingang mit den Warriors aufnahm. Auf diese Rolle hat der King indes keine große Lust mehr: "Die Finals liefen nicht nach meinem Geschmack, weil ich so ineffizient war. Das tut weh. Es hat mich sehr beschäftigt", äußerte James kürzlich.

Er will nicht den Alleinunterhalter geben und sieht angesichts des Kaders auch keine Not dafür. "Ich werde das Team anführen, aber ich werde es nicht tragen müssen. Bis Kyrie, Tristan und Shump bereit sind, haben wir genügend Spieler, die alle helfen werden. Es geht nicht darum, dass ich das Team trage und so etwas."

Die andauernde Hängepartie um Thompson und die Verletzung Loves könnten dafür sorgen, dass LeBron etwas häufiger auf der Vier aushelfen muss. Für den Fall haben die Cavs sich mit Richard Jefferson verstärkt, der trotz seines hohen Alters (35) noch immer ein wertvoller Rollenspieler sein kann. Er ist ein klares Update zu Mike Miller, dessen Rosterspot er im Sommer übernommen hat.

Zu guter Letzt ist auch James Jones immer noch dabei, um in der Ecke zu parken und von Zeit zu Zeit ein paar Dreier reinzuschweißen. Er kennt LeBron nach nunmehr fünf gemeinsamen Saisons mittlerweile unglaublich gut und ist als respektierter Veteran nicht nur auf dem Court wertvoll.

Dass beide LeBron-Backups das Veteranen-Minimum verdienen, zeigt aber, dass dies nicht gerade die Problem-Position der Cavaliers ist. Wenn erst einmal alle fit sind, wird vor allem Jones wohl am Ende der Platz Bank nehmen und den Herren Smith oder Shumpert Platz machen, die praktischerweise auch auf der Drei einsetzbar sind. 36 bis 40 Minuten pro Spiel gehen sowieso an LeBron.

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Power Forwards

Eigentlich sollte diese Position das große Prunkstück der Cavs sein - eigentlich. Schließlich hatte Kevin Love sich im Sommer dazu entschieden, langfristig in Cleveland zu bleiben und einen Maximalvertrag bis 2019 unterschrieben. LeBron beherrscht die Position heuer ebenfalls. Und dann ist da ja noch Playoff-Held Tristan Thompson - oder auch nicht.

Das große Drama des Sommers hat noch immer kein Ende gefunden. Mehr noch: Es ist nicht einmal in Sicht. Thompson will mehr Geld, als es die Cavaliers zu zahlen bereit sind. Beide Seiten bleiben bisher hart, momentan wird nicht einmal verhandelt. Dementsprechend ist der Kanadier nicht beim Training Camp dabei und könnte womöglich bis tief in die Saison vor sich hin "streiken."

Eigentlich geht immer noch jeder früher oder später von einer Einigung mit Thompson aus, Stand jetzt muss Blatt aber ohne ihn planen. Und das ist kürzlich zumindest etwas einfacher geworden: Nachdem Love sich in der ersten Playoffrunde verletzte und danach an der Schulter operiert werden musste, durfte er Anfang Oktober endlich wieder am Training teilnehmen.

"Wieder 5-gegen-5 spielen zu können, war ein tolles Gefühl", sagte Love im Anschluss an sein erstes normales Training nach fast sechs Monaten Pause. Er habe sich gut gefühlt, natürlich ist es von der ersten Trainingseinheit aber noch ein weiter Weg Richtung Game-Shape. Blatt wollte dennoch nicht ausschließen, dass der Vierer zum Saisonstart wieder dabei sein könnte.

An Motivation wird es Love nicht fehlen. Seine erste Saison bei den Cavs lief schließlich nicht reibungslos ab, dennoch entschied er sich nun zu bleiben. Wohl auch deshalb, weil er mit LeBron, Blatt und Co. über seine Rolle im Team gesprochen hat und zugesichert bekam, stärker in die Offense involviert zu werden.

Seine Zahlen waren zwar solide, aber bei weitem nicht auf Minnesota-Niveau. Gerade offensiv wurde er fast immer am Perimeter eingesetzt, nun soll er sein Spiel wieder etwas mehr in Korbnähe verlagern. Mit Recht. Kaum ein Vierer hat ligaweit ein mit Love vergleichbares Offensiv-Arsenal, es muss einfach nur besser eingesetzt werden als im Vorjahr.

Um den Platz hinter ihm kämpfen im Training Camp derzeit Austin Daye und Nick Minnerath, auch hier werden die Minuten aber eher anderweitig verteilt werden. An LeBron, Jones, Jefferson, eventuell Kaun - und irgendwann wahrscheinlich auch an Thompson.

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Center

Kaum zu glauben: Die Cavs verfügen dann auch doch noch über eine Position, die (momentan) nicht von Verletzungssorgen beeinträchtigt wird. Auch ohne den auf beiden großen Positionen einsetzbaren Thompson verfügt Cleveland hier über - Stand jetzt - drei gesunde Center, die als Malocher allesamt gut ins System rund um die Scorer des Teams passen.

Starten wird erneut Timofey Mozgov, der nach seinem Midseason-Trade in der Vorsaison eine der Stützen der Mannschaft wurde und nun in sein letztes Vertragsjahr geht. Der Russe wird nie ein herausragender Scorer oder ähnliches sein, er ist dafür aber ein sehr solider Verwerter von Anspielen aus dem Pick-and-Roll und macht selten etwas, das er nicht kann.

Defensiv ist er zwar kein herausragender Shotblocker (1,2 Blocks pro Partie), bietet dank seiner Länge von 2,16 Meter aber adäquate Rim Protection. Auch Mozgov wurde in der Offseason operiert und ist daher noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, bis zum Saisonstart sollte er aber wieder dort angelangt sein.

Dahinter stehen noch zwei ordentliche Alternativen parat. Anderson Varejao ist - wenn er mal gesund ist - bestens geeignet für die Rolle als Energizer von der Bank und versteht sich blind mit LeBron.

Das Problem ist, dass er seit 2010 fast nie ansatzweise gesund durch eine Saison gekommen ist. Auf ihn als Stütze zu bauen, ist daher keine Option. Da sein Vertrag nach dieser Saison nicht mehr garantiert ist, könnte er unter Umständen sogar zum Tradechip werden.

Für diesen Fall stünde noch der Russe Sasha Kaun bereit, der zwar schon 2006 gedraftet wurde, den Sprung in die NBA aber erst jetzt als 30-Jähriger gewagt hat. Die Cavs scheinen sehr überzeugt von ihm zu sein, Coach Blatt kennt ihn zudem aus der russischen Nationalmannschaft. Dennoch muss er erst beweisen, dass er auch in der NBA bestehen kann.

Fazit

Auf dem Papier hat Cleveland die mit Abstand stärkste Truppe im Osten beisammen und gilt zu Recht als Favorit auf den erneuten Finals-Einzug. In der Praxis? Vermutlich auch. Klar, die vielen Verletzungen vor dem Saisonstart sind unschön. Sie sind aber wohl auch zu kaschieren, da die Qualität dieses Kaders vorerst auch ohne Irving und Shumpert ausreichen wird, um sich im Osten über Wasser zu halten.

Zumal die Bilanz in der Regular Season nicht allzu wichtig ist. Cleveland könnte als 4-Seed in die Playoffs gehen und wäre im Osten trotzdem haushoher Favorit. "Verletzungen sind wahrscheinlich das Einzige, was uns langfristig stoppen könnte", sagte LeBron kürzlich und lag damit auch richtig.

Zumindest gilt das für die Eastern Conference. Ob es diesmal auch für den ganz großen Wurf reicht, könnte neben der Gesundheit tatsächlich vom Ausgang des Thompson-Theaters abhängen. Da heißt es einfach abzuwarten.

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Die Cavaliers im Überblick