Ist das Rennen um den Rookie of the Year schon entschieden? Knacken die Warriors den Sieg-Rekord der Chicago Bulls? Fehlt den Clippers die Siegermentalität für die Meisterschaft? Und ist Dennis Schröder gar nicht so schlecht, wie seine Quoten es aktuell aussagen? Die SPOX-Redakteure diskutieren mit Livestream-Kommentator Alex Schlüter.
Porzingis wird Rookie of the Year
Ole Frerks: Nein, soweit würde ich nicht gehen. Vorweg: Ich bin ziemlich begeistert von Kristaps Porzingis a.k.a. "Three Six Latvia". Der Kerl hat nahezu grenzenloses Potenzial, eine wirklich erstaunliche Fußarbeit für seine Größe und dazu noch einen richtig guten Touch. Ich hätte nie erwartet, dass er den Kritikern aus Knicks-Fankreisen so schnell das Maul stopfen und zum neuen Publikumsliebling werden würde. Und sein Wert schlägt sich ja auch in den Zahlen nieder: Mit Porzingis auf dem Court sind die Knicks pro 100 Possession um 2,9 Punkte besser als der Gegner, ohne ihn macht der Gegner 9,6 Punkte mehr! Er steht defensiv wie offensiv seinen Mann, auch wenn die Quoten noch nicht toll sind, bin ich absolut beeindruckt. Und trotzdem kriegt bisher Karl-Anthony Towns meine Stimme, weil er mich einfach individuell noch ein bisschen mehr überzeugt. Er ist von den Zahlen her besser, trifft wesentlich effizienter aus dem Feld und gehört schon jetzt zu den besten Shotblockern der Liga. Mir gefällt vor allem, wie versiert und kräftig er für sein Alter schon ist - es wirkt teilweise, als wäre er seit 10 Jahren in der Liga!
Martin Klotz: Mir wird Porzingis zu sehr gehyped. Wenn ich mit 2,21 Meter richtig stehe, kann ich auch einen Putback-Dunk durch die Reuse hämmern und lande dann auf allen Social-Media-Kanälen. Sicher, es waren auch ein paar richtig gute Spiele dabei, offensiv wie defensiv, aber die Stadt New York trägt natürlich dazu bei, dass er gerade von den nach jedem Strohhalm greifenden Knicks-Fans und den Medien besser gemacht wird als er eigentlich ist. Daher sehe ich wie Karl-Anthony Towns ebenfalls momentan noch vorn. Der hat vom ersten Spiel an gezeigt, was er drauf hat. Beeindruckt haben mich vor allem die Range und die Vielseitigkeit. Porzingis muss erstmal zeigen, dass er das angedeutete Niveau konstant abliefern kann. Momentan wechseln sich sehr gute mit schlechten Leistungen ab. Seine Einstellung ist dagegen tadellos, damit kann der Junge kann viel erreichen.
Marc-Oliver Robbers: Apropos viel erreichen: Ich gehe sogar so weit und sage, dass Porzingis Dirk Nowitzki in einigen Jahren als bester Europäer aller Zeiten Konkurrenz machen könnte. Ole hat es bereits gesagt, das Potenzial ist schier grenzenlos. Ich hätte nicht gedacht, dass er so schnell einen Einfluss auf das Spiel nehmen und den Knicks direkt weiterhelfen kann. Er hat trotz seiner Größe kaum eine Schwäche und bringt alles mit. Aber, da bin ich deiner Meinung Martin, in New York geht alles ziemlich schnell - wie damals bei Linsanity. Der Hype ist gerade unglaublich. Die Stats von Porzingis und Towns sind auf jeden Fall recht ähnlich (Porzingis: 13,8 Punkte, 9,3 Rebounds, 2 Blocks - Towns: 14,4 Punkte, 9,4 Rebounds, 2,2 Blocks), aber Towns wirkt auf mich schon ein bisschen reifer in der Spielanlage. Da macht sich Einfluss von Mentor Kevin Garnett sicher bemerkbar. Deswegen tendiere auch ich zu KAT.
Alex Schlüter: Ich war ja gerade in New York und kann bestätigen, dass dort alle tierisch auf Porzingis abgehen. Aber ich finde diesen Hype geil. Ich traue ihm durchaus zu, in den nächsten Jahren der Star der Stadt zu werden. Wie schön muss das als Knicks-Fan sein, wenn dein eigenes Team nicht mehr von Carmelo Anthony angeführt wird?! Ich glaube, dass Porzingis Rookie of the Year wird, aber nicht so deutlich, wie die New Yorker ihn da gerade vorne sehen. In der Defense macht er schon noch einige Fehler, aber er hat das Zeug dazu, ein richtig Großer zu werden. Insgesamt ist der Jahrgang bisher wirklich überzeugend mit Porzingis, Towns und Jahlil Okafor - wenn man bei ihm die Verteidigung mal außen vor lässt. Ich glaube, alle drei werden Allstars und da haben wir D'Angelo Russell und Emmanuel Mudiay noch gar nicht erwähnt. Die Chance ist groß, dass wir in ein paar Jahren auf die Class von 2015 schauen werden und sagen: Verrückt, was für ein Jahrgang.
Marc-Oliver Robbers: Interessanter Punkt, vor allem wenn man mal auf den die Rookies 2014 zurückschaut. Der Jahrgang wurde zuvor ohne Ende gehyped und konnte letztlich die Erwartungen im ersten Jahr nicht erfüllen. Ganz anders dieses Jahr: Viele Spieler leisten direkt einen wichtigen Beitrag.
Martin Klotz: Bei Russell müssen wir mit unseren Urteil wohl noch ein wenig warten. Der wird erst kommen, wenn Kobe Bryant im Laufe der Saison weniger spielt und sich langsam zurückzieht. Zudem hat er es als Point Guard deutlich schwerer, da er lernen muss, das Spiel zu organisieren und zu strukturieren. Aber sein Scoring sieht schon mal vielversprechend aus. Der wird nach der Allstar Break durchstarten und den Big Men Konkurrenz machen.
Alex Schlüter: Sorry Martin, aber Russell hat für mich keine Chance. Solange Byron Scott Coach der Lakers ist, bekommt er nicht den nötigen Raum, den er zur Entfaltung braucht. Eigentlich hat er in L.A. die besten Voraussetzungen, da niemand dieses Jahr auf die Bilanz schaut und ihm keiner böse ist, wenn er Fehler macht. Aber Kobe dabei zuzusehen, wie er einen gut verteidigten Jumper nach dem anderen nimmt, bringt ihn nicht weiter. Der Kerl muss den Ball in die Hand bekommen und spielen - und das auch im vierten Viertel. Meine Nummer eins heißt Kristaps.
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Die Warriors knacken den Bulls-Rekord von 72 Siegen
Alex Schlüter: Ich sage ja. Natürlich unter der Voraussetzung, dass sie verletzungsfrei bleiben, sonst kannst du nicht besser sein als die Bulls 95/96. Aber Golden State hat das Zeug dazu. Sie haben Bock, es allen zu zeigen - vor allem nach den Clippers-Aussagen der Offseason. Und das macht sie so stark. Die Spurs hatten auch schon Jahre, in denen der Rekord denkbar gewesen wäre, aber die Mentalität ist eine völlig andere. Gregg Popovich, Tim Duncan, Manu Ginobili und Tony Parker geben alle nichts auf solche Rekorde und wollten lieber möglichst fit für die Playoffs sein, um nach einem weiteren Titel zu greifen. Ist zwar verständlich, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Steph Curry, Draymond Green und Klay Thompson freiwillig auf die Bank setzen, sollten sie kurz vor dem Rekord stehen.
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Marc-Oliver Robbers: Dabei darf man auch nicht vergessen, dass die Warriors den Vorteil haben, dass sie viele Gegner schon nach drei Vierteln aus der Halle geschossen haben. Das ist schon Wahnsinn. Die schonen sich dadurch auf eine andere Art als die Spurs. Ich bin da ganz bei dir, Alex. Die Warriors haben auf jeden Fall das Zeug dazu, den Rekord zu gefährden. Kleiner nichtssagender Fun Fact am Rande: Die Kollegen vom Bleacher Report haben die Partie zwischen diesen Überteams mal via NBA2K durchsimuliert und da haben sich die Dubs durchgesetzt. Die Diskussion, dass Curry zugleich MVP und Most Improved Player werden könnte, sagt eigentlich alles aus. Das hat es so noch nie gegeben.
Ole Frerks: Stimmt, Olli. Auch für mich sind sowohl Curry als auch Green ernsthafte Kandidaten für den MIP - vom MVP ganz zu schweigen. Das ist nach einer Saison, wie sie die Dubs gerade hatten, einfach nicht normal. Vor der Saison hätte ich den Rekord noch mit voller Überzeugung ausgeschlossen. Mittlerweile nicht mehr. Wenn Curry und Green gesund bleiben, ist dieses Team einfach drei Klassen besser als der Rest der Liga - wobei ich die Spurs und (irgendwann vielleicht sogar mal gesunde) Cavaliers hier ausklammern würde. Man kann als Basketball-Fan wirklich dankbar dafür sein, jede zweite Nacht diese Warriors-Show geboten zu kriegen. Green ist nicht mehr nur einer der besten Verteidiger, sondern auch einer der besten Playmaker der Liga. Und Steph hat seinen Scoring-Schnitt von der MVP-Saison(!) nochmal um 8,1 Punkte gesteigert. Und er wirft noch einmal deutlich effizienter. Er hat den Sprung von "grandios" zu "all-time-great" geschafft - einfach unfassbar. In beiden brennt ein Feuer, das ihr Team zu einer noch besseren Saison führen kann als letztes Jahr. Natürlich werden sie auch irgendwann mal wieder ein Spiel verlieren, aber dieses Team hat nach der Meisterschaft solches Selbstvertrauen und Selbstverständnis, dass man es kaum aus der Bahn werfen kann. Von daher: Ja, die Dubs holen den Bulls-Rekord. Und parallel dazu legt Philadelphia die schlechteste Saison aller Zeiten hin. What a time to be alive!
Martin Klotz: Definitiv beeindruckend, was in Oakland derzeit abgeht, doch jetzt kommt das große Aber: Eure Annahme ist totaler Quark. Wir sprechen über den Rekord, also über nackte Zahlen. Da muss man auch Verletzungen mit einkalkulieren. Kein Team bleibt davon verschont, auch nicht die Warriors. Letztes Jahr waren sie zwar recht gesund, aber Andrew Bogut und David Lee haben beide lange gefehlt. Dass das kaum ins Gewicht gefallen ist, lag an der wahnsinnigen Entwicklung von Green. Im Gegensatz dazu waren die Bulls 95/96 so dominant, dass sie es selbst auffangen konnten, dass Dennis Rodman rund 20 Spiele verpasst hat. Das muss man sich mal vorstellen! Trotzdem haben sie nur zehn Spiele in der gesamten Saison verloren, keine einzige Schwächephase gehabt und nur einmal zwei Spiele in Serie verloren. So gut ist Golden State nicht. Würde Green ein Viertel der Saison ausfallen, hätten die Warriors keine Chance auf 72 Siege.
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Marc-Oliver Robbers: Ich kann mir vorstellen, dass es die Warriors selbst dann schaffen würden. Ihre Tiefe haben sie schon öfter bewiesen und ich halte es für möglich, dass andere Spieler für Green in die Bresche springen können. Andre Iguodala, Harrison Barnes und Shaun Livingston können immer eine Schippe drauflegen, wenn es nötig sein sollte.
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Der Osten ist besser als der Westen
Ole Frerks: Nein. Der Osten ist besser als erwartet, der Westen in der Breite schwächer. Trotzdem würde ich die Kirche hier mal im Dorf lassen. Selbst wenn beispielsweise die Clippers oder auch OKC noch lange nicht ihre Bestform erreicht haben, sind das Teams, denen ich einen Finals-Run eher zutrauen würde als allen Ost-Teams außer Cleveland. Dazu kommen auch noch die Spurs, die ganz nebenbei auf dem Weg zu einer 67-Siege-Saison sind und mit Kawhi Leonard einen MVP-Geheimtipp im Roster haben. Und selbstverständlich die Warriors, die sowieso fast jede Diskussion ad absurdum führen. Natürlich bin auch ich enttäuscht und sogar schockiert von dem, was beispielsweise die Rockets oder Pelicans bisher aufs Parkett bringen, ich denke aber, dass sich das mit der Zeit einpendeln wird. Ich freue mich, dass es im Osten derzeit nur zwei Fußabtreter gibt (Philly und Brooklyn), während alle anderen mehr oder weniger mitten im Playoff-Rennen stecken. Das ist für mich aber vor allem der Tatsache geschuldet, dass es eben einen großen Mittelstand gibt und außer den Cavs fast niemand heraussticht. Die Spitze im Westen ist da im Vergleich einfach noch eine ganze Klasse besser.
Martin Klotz: Mein Reden, Ole. Da spielt aber noch eine wichtige andere Komponente eine Rolle, die zeigt, dass dieses Bild nur eine Momentaufnahme ist - und zwar der Spielplan. Cleveland hat nur 2 seiner 18 Partien gegen West-Teams bestritten, Indiana und Boston nur jeweils 4 von 16 und alle anderen Franchises mit einer positiven Bilanz auch nur zwischen 30 und 40 Prozent. Die Lakers und Pelicans waren darüber hinaus überdurchschnittlich oft die Gegner. Muss ich noch mehr aufzählen? Kein Wunder also, dass der Osten momentan sogar eine leicht bessere Gesamtbilanz hat als der Westen (Siegquote 0,51 zu 0,49). Aber die harten Brocken kommen eben erst noch. Zumal ich davon ausgehe, dass sich Memphis, Houston und die Clippers bald fangen. Dann wird die Diskrepanz zwischen den beiden Conferences wieder deutlicher in der Tabelle zu sehen sein.
Alex Schlüter: Man darf auch nicht vergessen, dass Zugehörigkeit zum Westen nochmal etwas ganz anderes bedeutet. Das macht keinen Spaß, als siebt- oder achtbestes Team sechs oder sieben Mal gegen die Warriors und Spurs spielen zu müssen. Das wirkt sich natürlich auf die Bilanz aus. Und auf die letzten Playoff-Plätze schauen ja viele zuerst. Da reichte im Osten zuletzt auch eine negative Bilanz, um sich zu qualifizieren. Aber davon die Stärke abzuleiten, ist ein Trugschluss. Der Absturz von Portland und Houston hat aber definitiv für eine Annäherung der beiden Conferences gesorgt.
Marc-Oliver Robbers: Ist ja alles schön und gut, aber zollt den Ost-Teams doch auch mal Respekt! Viele haben wirklich einen Schritt nach vorn gemacht. Angefangen bei Indiana, die durch die Rückkehr von Paul George viel besser sind als vergangene Saison und ohne Verzögerung den Umschwung zu einer komplett neuen Identität geschafft haben. Auch Miami bestätigt die Erwartungen und mischt wieder ganz oben mit. Die Leistungen von Charlotte, Orlando, Detroit und den Knicks waren hingegen nicht unbedingt vorhersehbar. Da wurde der nächste Schritt im Rebuild gemacht und das sieht man auch ganz eindeutig. Der Osten holt langsam wieder auf, vor allem im Mittelfeld. Aber wenn man die Qualität der Spitze sieht, ist der Westen weiterhin klar vorne.
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Den Clippers fehlt die Siegermentalität
Marc-Oliver Robbers: Ich bin kein Freund der Clippers. Sie haben versucht, mit Paul Pierce genau dieses fehlende Sieger-Gen nach L.A. zu holen. Allerdings kamen gleichzeitig mit Josh Smith und Lance Stephenson zwei Spieler, denen eher ein schwieriger Charakter nachgesagt wird. Selbst Chris Paul - so geil er als Spieler auch ist - geht die Führungsqualität ab, die ein absoluter Superstar braucht. Bei Blake Griffin sehe ich sie erst recht nicht, so viel wie er meckert und jammert. Selbst Coach Doc Rivers, den ich eigentlich für einen fähigen Trainer halte, verfällt immer mehr in den Meckermodus. Die Clippers sind schon kleine Heulsusen und wenn sie es nicht schaffen, diese Art abzulegen, werden sie nie Erfolg haben. Es ist noch früh in der Saison, aber es sieht so aus, als wäre das Team längst nicht so tief, wie wir wohl alle zuvor gedacht haben. Und da sie ihre Schwachstelle auf der Drei immer noch nicht wirklich behoben haben, glaube ich nicht, dass sie eine Chance auf die Meisterschaft haben werden.
Alex Schlüter: Das glaube auch nicht, Olli. Und für mich rutscht Chris Paul immer mehr in die Kategorie von Karl Malone oder Steve Nash - also großartige Spieler ohne Ring. Sagt man denn aber heute über dieses Trio, dass ihnen die Siegermentalität gefehlt hat? Nein. Gerade gegen San Antonio in den Playoffs hat CP3 gezeigt, dass er ein Leader ist und seine Leistungen - auch in Spiel 7 - waren einfach krass. Und doch kann ich mir gut vorstellen, dass Paul in seiner Rente ohne Ring am Finger rumlaufen muss. Ich steige nicht so recht dahinter, warum die Clippers jedes Jahr in den Playoffs relativ unbeholfen ausscheiden, aber mittlerweile traut man ihnen den großen Wurf einfach nicht mehr zu. Und das, obwohl Griffin wieder einen Schritt nach vorn gemacht hat und sie mit Rivers einen Meister-Coach auf der Bank sitzen haben. Es ist schlichtweg seltsam, aber irgendwas muss ja die Ursache sein.
Martin Klotz: Ich biete dir mal eine Theorie an, Alex. Den Clippers geht es zu gut. Sie haben sich in ihren Offseason-Moves gesonnt und überschätzen sowohl ihre Stärke als auch ihre Tiefe. Und: Es hat sich seit Pauls Ankunft mit Ausnahme von Rollenspielern kaum etwas verändert. Der Kern ist gleich geblieben, die Strukturen etabliert - und eingeschlafen. Ein alternder Pierce allein kann den Clippers nicht von heute auf morgen Willen, Biss und die Sucht nach Erfolg einimpfen. Und wenn die Clippers nicht endlich Eier zeigen, ihr Herz auf den Tisch legen und riskieren, dass sie verletzt werden, dann wird das auch nix mit dem Titel. Wenn du alles gewinnen willst, musst du auch bereit sein, alles zu verlieren. Und das sind die Clippers nicht. Alle hocken in ihrer Wellness-Komfort-Zone, aus der keiner ausbrechen möchte (siehe DeAndre Jordan). Da kommt das von Olli angesprochene Jammern von ganz allein, wenn irgendetwas nicht mehr angenehm ist. Das beste Gegenbeispiel sind übrigens die Warriors, die jede Nacht rausgehen und mit Haut und Haar alles geben. Schöne Ironie, dass die Clips das Feuer des Champs mit ihren Äußerungen in der Offseason angefacht haben und nun von Curry und Co. gezeigt bekommen, wo der Frosch die Locken hat.
Ole Frerks: Für mich spielt der Kader hier die größte Rolle, Jungs. Den Clippers fehlt derzeit einiges, aber ich weiß nicht, ob die Siegermentalität zwingend dazugehört. Wichtiger wäre für mich ein General Manager, der im Gegensatz zu Doc Rivers nicht in erster Linie auf Spieler setzt, die vor drei bis sechs Jahren in der Eastern Conference gut waren oder seinen Nachnamen teilen. Und wie schon angesprochen, ihnen fehlt ein fähiger Small Forward. Es ist für mich schon schwer zu verstehen, dass der Kern aus Paul, J.J. Redick, Griffin und DeAndre Jordan - der es mit JEDEM Quartett der Liga aufnehmen kann - immer noch allein dasteht und seit Jahren nicht adäquat ergänzt wurde. Pierce kann in den Playoffs noch wichtig werden, für 32 Minuten pro Spiel in der Regular Season ist er aber einfach zu alt. Dumm nur, dass Doc Stephenson jetzt schon nicht mehr vertraut (wie unvorhersehbar!) und zögert, Wesley Johnson viele Minuten zu geben. Eigentlich muss man als Small Forward bei dem Gerüst, was in L.A. bereits existiert, nicht viel mehr können als verteidigen und offene Würfe reindrücken. Es bleibt für mich ein Rätsel, warum Rivers seit seiner Ankunft 2013 immer noch niemanden auftreiben konnte, der diese Rolle ausfüllt. Meiner Meinung nach muss da in dieser Saison noch ein Move erfolgen.
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Schröder ist besser als seine Stats
Ole Frerks: Naja, woran machen wir diese These fest? Wenn ich mir seine Statistiken derzeit so anschaue, zeigen sie mir einen ineffizient abschließenden Point Guard (47,6 Prozent True Shooting), der die Offense seines Teams aber am Laufen halten kann, wenn er aufs Parkett kommt. Über 100 Ballbesitze legen die Hawks 2,7 Punkte mehr auf als der Gegner, wenn Dennis Schröder spielt. Das liegt vor allem auch daran, dass Schröder seine Assist/Turnover-Rate von 2,11 auf gute 2,5 hochgeschraubt hat und offensiv noch einmal etwas an Reife dazugewonnen hat. Diese Statistiken spiegeln eigentlich genau das Bild wider, das ich von Schröder als Spieler derzeit habe. "Besser als seine Stats" ist er für mich von daher nur in der Hinsicht, dass er das Zeug dazu hat, mehr als 39,4 Prozent seiner Würfe aus dem Feld und 29,2 Prozent von der Dreierlinie zu treffen - das ist uns aber sowieso allen klar, oder? Seine Zahlen aus der letzten Saison sprechen ja dafür und auch in dieser Saison hat er schon deutlich effektivere Spiele gezeigt. Ich mache mir da aktuell keine großen Sorgen, die Entwicklung bei Schröder geht meiner Meinung nach in die richtige Richtung.
Alex Schlüter: Ich sage: Nein, leider nicht. Sein Wurf sieht zwar schöner aus, aber er schafft es leider weiterhin nicht, die Dreier zu versenken. Er ist wichtig als sechster Mann und da kann man sicher argumentieren, dass die nackten Zahlen nicht so wichtig sind, weil er nun mal der einzige Spieler der zweiten Fünf ist, der sich seinen Wurf selbst kreieren kann. Mike Muscala kann das vielleicht in Ansätzen, aber wenn Dennis auf dem Feld steht, geht alles von ihm aus und er ist der einzige Spieler, der überhaupt in der Lage ist, Bewegung in die Defense zu bringen und die Offense ins Rollen zu bringen. Das ist sicher das einzige Argument, aber wenn jemand so schlechte Quote schießt - so gerne ich ihn auch spielen sehe - muss man sagen, dass dies die wichtigsten Zahlen sind und die lügen dann eben nicht.
Martin Klotz: Ich muss dir da widersprechen. Für mich durchläuft er gerade einfach eine Schwächephase. Er ist richtig gut in die Saison gestartet und hat einige gute Spiele gezeigt. Ich glaube, dass ihm der Switch von der Bank in die Starting Five Probleme bereitet hat. Er kann in der Starting Five nicht so seine Schnelligkeit ausspielen, weil in der Zone eben Al Horford und Paul Millsap stehen, die sicher auch einen guten Wurf haben und bessere Optionen sind als ein zum Korb ziehender Schröder. Das funktioniert in der Second Unit, wo es auch von ihm verlangt wird. Das funktioniert so aber nicht in der ersten Fünf und dementsprechend hat er mehr versucht zu kreieren. Du hast es in der Vorwoche bereits in der Webshow gesagt, dass er Probleme in der Entscheidungsfindung hat, weil er sich umstellen musste. Das ist ein Lernprozess, den er durchlaufen muss, der sich aber aktuell in nicht mehr so hohem Selbstbewusstsein widerspiegelt. Der Wurf ist auf jeden Fall schöner und ich denke, dass sich der grundsätzliche Effekt, den das Training mit Kyle Korver mit sich bringen soll, erst später bemerkbar machen wird. Er befindet sich jetzt gerade in einer Phase zwischen seinem alten Wurf und den Wurf, den er irgendwann beherrschen will.
Alex Schlüter: Lass mich da mal kurz einhaken. Ich habe vor kurzem in New York mit ihm gesprochen und da meinte er, dass sich seine Rolle als Starter nicht wirklich ändern würde, er aber versucht, seinen Mitspielern den Rhythmus zu geben. Du kannst eben nicht bei Atlanta mit Korver, Paul Millsap und Al Horford starten und dir die ersten fünf Drives nehmen. Das ist klar, aber er ändert sein Spiel eben doch komplett, wenn er in der Starting Five steht. Das hat seinen Rhythmus komplett durcheinander gebracht. Das muss man ihm als jungen Spieler zugestehen. Man kann ihm nur wünschen, dass er den Rest der Saison eine konstantere Rolle bekommt und die ist nun mal die Rolle als Bankspieler.
Marc-Oliver Robbers: Ich denke auch, dass Schröder im Laufe der Saison noch mehr von dem Wurftraining profitieren wird. In Ansätzen ist es bereits erkennbar. Er nimmt Würfe, die er so in der Vorsaison nicht genommen hat. Natürlich fallen sie aktuell nicht, aber er hat das Selbstverständnis, die Dinger zu nehmen. Was man bei der ganzen Diskussion natürlich nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass ihn die Gegenspieler mittlerweile kennen und er ganz anders verteidigt wird als in der letzten Saison. Dann betätige ich mich auch mal als Hobby-Psychologe und behaupte, dass viel bei ihm gerade auch Kopfsache ist. Nach der für ihn persönlich starken EM hat er sicher gehofft, dass sich dieser Erfolg auch signifikant in die NBA transportieren lässt. So lassen sich auch seine selbstbewussten Statements im Vorfeld der Saison interpretieren. Das hat nicht so funktioniert und könnte auch dazu führen, dass er gerade einfach zu viel nachdenkt. Ich denke, dass ihm gerade einfach dieses Aha-Erlebnis fehlt. Ein geiles Spiel, das dafür sorgt, dass der Schalter wieder umgelegt wird. Ich würde die These daher bejahen. Schröder ist definitiv besser als seine Stats es gerade aussagen.
Martin Klotz: Eine Sache, die wir nicht außer Acht lassen sollten, sind die Turnover. Die hat er in den letzten Spielen wirklich heruntergeschraubt und das zeichnet einen guten Spielmacher aus.
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