Dirk Nowitzki hat unlängst Shaquille O'Neal in der ewigen Scorerliste überholt. Im Interview spricht der Superstar der Dallas Mavericks über die Jagd nach Rekorden, eine mögliche Vertragsverlängerung und erklärt die Gründe für den guten Saisonstart der Mavs. In der Nacht vom 17. auf den 18. Januar gibt es Nowitzki ab 1 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE gegen die San Antonio Spurs.
nbaSPOX: Herr Nowitzki, erklären Sie uns diese Mavs. In der Offseason das DeAndre-Jordan-Debakel, schon wieder ein größerer Umbruch - und dennoch läuft es. Warum?
Dirk Nowitzki: Wir haben viele neue Spieler, das stimmt. Aber wenn man sich die vergangenen Jahre anschaut, dann ist das für uns nichts Neues mehr. Seit dem Titelgewinn verändert sich unsere Truppe ständig. Das ist natürlich nicht ideal, aber wir wissen dadurch, worauf wir achten müssen. Es ist ja nicht so, dass wir aus Panik irgendwelche Spieler zusammengekauft hätten. Wir haben auf ganz bestimmte Dinge geachtet: Die meisten neuen Spieler sind schon einige Jahre in der Liga, wollen zusammenspielen und gewinnen. Dazu haben sie Talent und dennoch kein Ego.
SPOX: Hinzu kommt sicherlich auch, dass Chandler Parsons und Wesley Matthews nach ihren Verletzungen langsam besser in Schwung kommen...
Nowitzki: Das war vor der Saison in der Tat ein großer Unsicherheitsfaktor und hat vermutlich auch dazu beigetragen, dass uns viele Experten nicht auf der Rechnung hatten. Auch wir wussten nicht, wie die Beiden von ihren Operationen zurückkommen. Besonders zu Beginn war es dann auch hart und nicht immer ansehnlich. Beide haben sich aber rangearbeitet und sind mittlerweise gut drauf. Wes ist unser absoluter Defensiv-Stopper und auch Chandler hat seinen Rhythmus und seine Rolle gefunden.
Chandler Parsons: Die Zeit ist gekommen
SPOX: Wie wichtig war es, dass das Team gut in die Saison kommt? Es war bereits die Rede davon, dass die Mavericks bei einem Fehlstart schnell in den "Tanking Mode" umschalten könnten, um sich langfristig für die Zukunft aufzustellen.
Nowitzki: Der gute Start tat uns natürlich gut, keine Frage. Wir konnten Selbstvertrauen gewinnen und sicherstellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das ist für ein neu zusammengestelltes Team extrem wichtig. Man muss aber auch eingestehen, dass uns der Spielplan dabei sehr entgegen kam. Wir hatten die leichtesten Gegner der Liga und konnten uns dadurch einspielen, besser finden. Das wird sich jetzt ändern. Erst in den kommenden Wochen werden wir sehen, was der gute Start wirklich wert ist.
SPOX: Welche Rolle spielen Sie dabei? Zusammen mit Coach Rick Carlisle sind Sie als einer der wenigen Mavs-Routiniers vermutlich derjenige, der das Team zusammenhält...
Nowitzki: Ich versuche natürlich, so gut wie möglich zu vermitteln, ein bisschen Spaß reinzubringen und den neuen Spielern den Einstieg zu erleichtern. Wenn es dazu noch auf dem Platz ganz gut läuft, und ich mit meinem Spiel dem Team zum Sieg und damit zu mehr Selbstvertrauen verhelfen kann, umso besser.
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SPOX: "Ganz gut" scheint mir eine Untertreibung. Lediglich Kareem Abdul-Jabbar, Karl Malone, Michael Jordan und Dominique Wilkins haben im Alter von 37 Jahren mehr Punkte pro Spiel erzielt als Sie (aktuell 17.7 Punkte). Was ist das Geheimnis?
Nowitzki (lacht): Das größte Geheimnis ist vermutlich, dass mein Spiel zum Großteil nicht auf meiner Fitness beruht. Da kann man schon mal etwas älter sein und dennoch gut spielen. Nein, mal im Ernst. Ich versuche schon alles, um mich in den letzten Jahren der Karriere noch so gut wie möglich zu fühlen: viel schlafen, gesund essen, spezielle Workouts für die Balance, wir haben mich während des Trainings sogar schon unter Strom gesetzt. Außerdem arbeite ich mittlerweile intelligenter. Natürlich will man immer alles geben, aber manchmal muss man eben auf den Spielplan gucken und dann in Absprache mit den Coaches im Training etwas zurückstecken.
nbaSPOX: Das scheint gut zu funktionieren. Vor Kurzem haben sie Shaquille O'Neal in der ewigen Scorer-Liste der NBA überholt und stehen jetzt auf Platz sechs...
Nowitzki: Das habe ich bewusst verdrängt. Natürlich wusste ich, dass der Moment immer näher rückt - da wurde ich vom Team und der Presse häufig genug dran erinnert. Ich selbst habe aber immer versucht, mich nur auf das Spiel zu konzentrieren. Auch in Brooklyn war das so. Natürlich wurde ich da gefeiert... Mir war es an dem Abend aber viel wichtiger, dass wir die Nets besiegen. Da ging der Rekord ein wenig unter. Wenn man dann aber mal eine ruhige Minute hat, um das alles richtig wirken zu lassen, ist es schon der Wahnsinn, so viele Legenden hinter sich zu lassen. Und wenn die Karriere irgendwann vorbei ist, dann wird das auch eine tolle Sache sein, auf diese Momente zurückzublicken und den Kindern und Enkeln diese Statistiken zu zeigen.
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SPOX: Hätten Sie sich da jemals träumen lassen, dass die Karriere so aussieht?
Nowitzki: Wenn man zurückblickt, ist das schon heftig. Als ich vor 18 Jahren in die NBA kam, wusste ich überhaupt nicht, was ich erwarten soll. Es fiel mir schwer, mich einzuleben. Besonders zu Beginn - in der Lockout-Saison - war es verdammt anstrengend. Die Wende kam dann, als mich unser damaliger Coach Don Nelson zum Ende der ersten Saison einfach hat spielen lassen. Wir waren aus dem Playoff-Rennen ausgeschieden und ich konnte mich ausprobieren. Das hat mir für die kommenden Jahre sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Dass meine Karriere aber mal so aussieht, hätte ich damals natürlich trotzdem nicht gedacht. Ich hatte - und habe - bisher mit meinen Teamkollegen, den Trainern und allem hier in Dallas immer sehr viel Glück gehabt.
SPOX: Also vielleicht doch noch eine weitere Saison dranhängen, nachdem Ihr Vertrag 2017 endet? Dann wären die 20 Jahre voll und Sie hätten die Chance, die 30.000-Punkte-Marke zu knacken oder sogar Wilt Chamberlain (31.419 Punkte) von Platz fünf der ewigen Punkte-Rangliste der NBA zu verdrängen...
Nowitzki: 20 Jahre mit den Mavericks - das wäre schon etwas Besonderes. Und 30.000 Punkte wären sicherlich auch fantastisch. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken. Generell ist die Jagd nach Rekorden nichts, was mich motiviert. Ich würde nie nur für eine Bestmarke spielen. Für mich ist entscheidend, dass es Spaß macht. Das habe ich schon immer gesagt. Ich habe mit dem Basketball aus Spaß am Spiel angefangen, und wenn es mir irgendwann keine Freude mehr bereitet, dann höre ich auf. Solange ich aber morgens keine Probleme habe, aus dem Bett zu kommen, und ich mich darauf freue, zum Training zu gehen, werde ich spielen.
Wilt Chamberlain: Der wandelnde Superlativ
SPOX: Welche Rolle spielt die Familie bei dieser Entscheidung? Sie haben mittlerweile zwei Kinder - macht es das manchmal schwerer, sich auf den Sport zu konzentrieren?
Nowitzki: Sobald ich das Haus verlasse, um zum Training oder Spiel zu fahren, konzentriere ich mich zu 100 Prozent auf Basketball. Daran hat sich im Laufe meiner Karriere nichts geändert - auch Niederlagen nehmen mich noch immer mit. Der Abschied selbst ist jetzt aber natürlich härter. Besonders da meine ältere Tochter mittlerweile weiß, was es heißt, wenn ich mal wieder weg muss. Das ist dann hart. Aber im selben Moment weiß ich auch, dass das Ende meiner Karriere immer näherkommt und da ist es doch schön, dass meine Kinder das so miterleben können.
SPOX: Wie sehr können Sie die Familie denn überhaupt einbinden?
Nowitzki: Während der Saison ist das natürlich schwierig, aber wann immer es die Zeit erlaubt, versuchen wir so viel Zeit wie möglich mit den Kindern zu verbringen, zu reisen, einfach Spaß zu haben. Als sie zum Beispiel im Sommer in Berlin bei der EM dabei waren, hat mir das viel bedeutet. Ich bin mittlerweile ein absoluter Familienmensch.