Es gab noch Zeiten, da gab es ernsthafte Diskussionen um den besten Rookie des Jahrgangs 2015. Doch während Kristaps Porzingis merklich gegen die gefürchtete Mauer gekracht ist, hat Karl-Anthony Towns einfach weiter abgeliefert. Der No.1-Pick hat nicht nur Potenzial en masse - er zählt schon jetzt zu den produktivsten Spielern der Liga. SPOX blickt auf die Zahlen.
Es ist kein Geheimnis, dass Kentucky sich unter Coach John Calipari zur wohl beliebtesten Talentschmiede Amerikas aufgeschwungen hat - insbesondere für die sogenannten One-and-Done-Spieler, die nach einem Jahr Richtung NBA weiterziehen. Allein seit 2010 verließen drei Wildcats ihre Uni als No.1-Pick.
Blickt man auf die Big Men der Liga, nennen mit DeMarcus Cousins und Anthony Davis ebenfalls zwei der talentiertesten Akteure Kentucky ihre Alma Mater. Der 26-jährige Cousins ist trotz allem Chaos in Sacramento individuell der vermutlich dominanteste Center der NBA, Davis (22) lieferte vergangene Saison eines der besten Player Efficiency Ratings der Geschichte und galt seither als nächster "bester Spieler der Welt", wenngleich diese Saison einen Dämpfer darstellte.
So dominant Boogie und The Brow auch sind - womöglich ist bald keiner von beiden mehr der "Big Dog" auf dem Campus in Lexington. Der 2015er No.1-Pick (und Kentucky-Alumnus) Karl-Anthony Towns spielt nämlich eine Premieren-Saison, die denen seiner beiden Vorgänger in Nichts nachsteht. Im Gegenteil.
Gute Gesellschaft
Es gab in der Geschichte der Liga bis dato vier Rookie-Bigs, die über eine Saison 18 Punkte und 10 Rebounds bei einer Quote von mindestens 53 Prozent aus dem Feld aufgelegt haben. Mit David Robinson, Shaquille O'Neal und Hakeem Olajuwon sind drei davon bereits in der Hall of Fame. Dass Tim Duncan ebenfalls dort landen wird, ist keine allzu gewagte Prognose.
Towns steht aktuell bei 18,3 Punkten, 10,3 Rebounds und 54,8 Prozent. Seine True Shooting Percentage (59,7 Prozent) ist dabei sogar höher als die von allen Genannten außer Robinson in deren erster Saison, denn sie berechnet ja auch Dreier mit ein - eine Fähigkeit, die keiner der anderen besaß.
Towns hält zwar nur einmal pro Spiel von draußen drauf, seine Quote von 33,8 Prozent deutet aber an, dass dieser Wurf in Zukunft ein wichtiger Teil seines Arsenals sein wird. Freiwürfe trifft er bereits deutlich besser (82,5 Prozent) als das prominente Quartett. Ist das der richtige Zeitpunkt, um zu erwähnen, dass Towns erst 20 Jahre alt ist? Und dass Hakeem, Shaq, Duncan und Robinson alle mindestens drei Jahre am College verbracht hatten?
Seinem Alter weit voraus
Nun soll nicht der Eindruck erweckt werden, Towns wäre in irgendeiner Weise bereits Teil dieses Klubs. Jeder davon hat mindestens einen MVP-Award und mindestens zwei Titel gesammelt, kombiniert sind es 13 Titel und fünf MVPs - bis dahin hat KAT dann doch noch etwas mehr zu leisten.
Aber statt ihn mit den Legenden des Sports zu vergleichen, kann man sich ja einfach der aktuellen Konkurrenz bedienen. Nicht unbedingt der Rookie-Klasse, denn das wäre auch nicht aussagekräftig - Towns ist in fast jeder relevanten Statistik besser als seine Alters- beziehungsweise "Erfahrungsgenossen". Sondern der gesamten Liga.
Towns spielt bereits in seinem ersten Jahr durchaus All-Star-würdigen Basketball. Er hat bereits 45 Double-Doubles gesammelt und belegt damit Platz 6 ligaweit. Bei den Rebounds belegt er Platz 9, bei den Blocks Platz 13. Bei den Punkten reicht es immerhin für Platz 33, obwohl sich gerade Big Men als Rookies oft beim Scoring schwer tun. Towns nicht, er legt die siebtbeste Field Goal Percentage der Liga auf. Sein Player Efficiency Rating (22,98) reicht für Platz 13.
Keine Empty Stats
Man kann auch nicht behaupten, er würde einfach bei einem schwachen Team seine Stats sammeln. Die Wolves sind auch mit ihm kein gutes Team, doch wenn er sitzt, verliert Minnesota pro 100 Ballbesitze knapp 3 Punkte "höher".
Er führt die Wölfe mit 7,4 Win Shares deutlich an, hat dem Team also geschätzt diese Anzahl an Siegen beschert (Platz 24 ligaweit). Kein schlechter Wert bei bis dato nur 25 Siegen und höher als die Win Shares der Kollegen Davis oder Cousins, um nur zwei "gestandene" Beispiele zu nennen.
Häufig würde man sich sogar wünschen, dass Interimscoach Sam Mitchell seinem Rookie etwas mehr Verantwortung überträgt. Wenn er auf dem Court steht, nutzt er zwar 24,7 Prozent der Angriffe, was für einen Frischling bereits viel ist. Allerdings ist KAT bei den Wolves eben auch mit Abstand die effektivste Offensiv-Option.
Andrew Wiggins legt zwar über 20 Punkte pro Spiel auf, braucht dafür aber auch deutlich mehr Würfe. Der Kanadier hat nicht den Schritt gemacht, den man sich in Minnesota nach seiner starken Rookie-Saison erhofft hatte.
Gut möglich, dass sich die Rollen der beiden bereits in der nächsten Saison vertauschen werden, denn Towns hat alle Voraussetzungen, ein wahrer Go-to-Scorer zu sein. Obwohl er in den USA noch nicht als Erwachsener gilt, legt er im Reich der Giganten beim Post-Up beispielsweise mit 0,93 Punkten pro Ballbesitz kaum weniger Punkte auf als Cousins (0,95). Er wird nicht häufig isoliert, legte bei den bisher 86 Versuchen aber im Schnitt 1,19 Punkte auf - das ist ein absurder Wert.
Auch als Cutter versteht er sein Handwerk, seine 1,42 Punkte pro Cut sind nah an Jimmy Butlers Liga-Bestwert (1,53) für Spieler mit mindestens 100 Cuts. Die 0,94 Punkte als "Abroller" im Pick'n'Roll sind noch ausbaufähig, aber wohl kein Grund zur Sorge: Platzieren die Wolves etwas mehr Shooting um Towns herum, wird die Effizienz auch in diesem Bereich deutlich steigen, da der Gegner KATs Weg zum Korb nicht so leicht zustellen kann. Ein positives Zeichen: Zach LaVine hat seinen Wurf gefunden und trifft seit dem All-Star Break starke 45,7 Prozent von Downtown.
Kein Spacing um Towns
Denn das ist häufig die Crux in Minnesota: KAT ist nicht nur der effektivste Isolation- und Post-Player der Wolves, er gehört auch zu den besten Shootern. Bisher vor allem aus der Mitteldistanz aktiv, legt er als Spot-Up-Shooter eine gute Effective Field Goal Percentage von 56,2 Prozent auf. Diese berechnet den Dreier mit ein - wenn er in Zukunft also häufiger von draußen draufhält, wird dieser Wert noch weiter steigen.
Der Wurf gehört dabei zweifelsohne zu den spannendsten Talenten von Towns. Schon jetzt ist seine Wurfquote aus Catch-and-Shoot-Situationen beinahe auf Stephen-Curry-Niveau (kein Witz! 47,8 zu 47,1 Prozent), er hat zudem bereits gezeigt, dass er auch den Stepback-Dreier im erweiterten Repertoire hat. Und dabei entspricht er mitnichten dem Klischee eines überdimensionierten Shooters.
Er hat nicht nur die Post-Moves oder das Rebounding, die ihn als echten Big Man kennzeichnen - er hat auch die Defense und das Potenzial, über die Jahre zu einem der besten Ringbeschützer der Liga zu werden. Umso mehr deshalb, weil ihm mit Kevin Garnett einer der besten Verteidiger der Geschichte regelmäßig Ratschläge und die eine oder andere Obszönität ins Ohr schreit.
Auch die Defense passt
Towns hat jetzt schon ein tolles Gespür dafür, wann er wohin rotieren muss, und füllt viele Lücken, die vom Wolves-Bataillon an überforderten Flügelverteidigern kreiert wird (Ricky Rubio ausgenommen). Er besitzt die laterale Geschwindigkeit, um beim Pick'n'Roll auch Point Guards zu übernehmen und ihnen den Weg zu versperren.
Kommt ihm dann doch mal jemand am Korb entgegen, trifft derjenige immerhin 4,7 Prozent schlechter als seinen Durchschnittswert. Damit ist er noch lange kein Rudy Gobert, aber schon ein positiver Faktor in der Defense - keine Selbstverständlichkeit bei Rookies, die offensiv bereits so eine große Rolle tragen.
Freilich weisen die Wolves trotzdem das viertschlechteste Defensiv-Rating der gesamten Liga auf (107,1), aber: Towns kann wenig dafür, dass der Kader in Minnesota noch nicht wirklich zusammenpasst und dass Spieler wie LaVine oder Shabazz Muhammad bisher fast ausschließlich offensiv zu gebrauchen sind.
Wer übernimmt das Jugendprojekt?
Das ist die Aufgabe des Front Office im ersten Sommer nach Flip Saunders. Auch die Trainerfrage ist ungeklärt. Öffentlich schließt man es zwar nicht aus, aber Mitchell wird wohl kaum auch im nächsten Jahr noch die Anweisungen von der Seitenlinie geben. Dafür dürften sich einige Hochkaräter um die Position reißen - unter anderem geisterte der Name von Tom Thibodeau schon öfter durch die Gerüchteküche.
Denn bei allen ungeklärten Fragen hat Minnesota die wichtigste bereits beantwortet und mit Towns einen Spieler, der ein wahrlich revolutionäres Talentpaket mitbringt. Wer als Coach gerne ein aufstrebendes Team aufbauen und formen möchte, wird sich nach dem Wolves-Job die Finger lecken - den kalten Winter hin oder her.
Entwickelt sich Towns so rasant weiter wie zuletzt, wird man ihn in nicht allzu ferner Zukunft dann auch im historischen Verhältnis adäquat beurteilen können. Für den Moment wissen wir immerhin, dass dieser 20-Jährige im aktuellen Kontext schon verdammt gut ist. Und dass er eigentlich nur noch besser werden kann.
Die Statistiken in diesem Artikel stammen von nba.com/stats, ESPN und basketball-reference.com und sind auf dem Stand vom 29. März.
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