SPOX: Jakob, Sie haben mittlerweile 14 NBA-Spiele auf dem Buckel. Ist da schon so etwas wie Normalität eingekehrt?
Jakob Pöltl: Teils, teils, um ehrlich zu sein. Dadurch, dass sich die Rotation bei uns in den ersten Wochen und Monaten immer wieder verändert hat , kann man spielerisch noch nicht wirklich von Normalität sprechen - dafür hat sich einfach zu viel gewandelt und es ist natürlich auch gewöhnungsbedürftig, wenn die Einsatzzeiten so unterschiedlich sind. An den NBA-Alltag aber habe ich mich schon ziemlich gut gewöhnt.
SPOX: Was ist Ihrer Meinung nach der größte Unterschied zwischen College- und NBA-Alltag?
Pöltl: Nun, in erster Linie ist der Fokus auf Basketball einfach noch viel größer geworden. Dadurch, dass Uni und die Freizeit mit meinen Studienkollegen wegfallen, bleibt viel mehr Zeit übrig, die ich dann wiederum in der Halle verbringe beziehungsweise zum Training nutze. Das ist schon einfach ein anderes Leben.
SPOX: Und wie gefällt Ihnen Toronto? Etwas anders als Utah dürfte es ja schon für Sie sein, oder?
Pöltl: Das kann man sagen. (lacht) Mir gefällt Toronto sehr gut, da es eine coole, junge, multikulturelle Stadt ist, in der immer irgendetwas los ist. Ich bin als jemand, der die ersten 18 Jahre seines Lebens in Wien verbracht hat, natürlich auch ein Stadtmensch und brauche das auch. Dieses Stadtleben ist etwas, was mir in Utah etwas gefehlt hat. Salt Lake City ist zwar auch keine wirklich kleine Stadt, dort ist aber eben nicht wirklich was los. Da gefällt mir das lebhafte Toronto schon viel besser.
SPOX: Werden Sie auf der Straße eigentlich schon erkannt oder können Sie sich noch relativ unbehelligt bewegen?
Pöltl: Es passiert schon immer mal, dass ich erkannt und angesprochen werde. Man kann das aber auch ein Stück weit steuern: Wenn ich mit Hoodie und dicken Kopfhörern durch die Straßen stapfe, spricht mich niemand an. Wenn ich ein Raptors-Shirt anziehe, ist das aber wieder eine ganz andere Sache. (lacht) Ich bin froh darüber, dass ich das selbst ein bisschen beeinflussen kann.
SPOX: Sie hatten bereits angesprochen, dass Ihre Minuten stets variieren: Zu Anfang der Saison wurden Sie immer eingesetzt, zuletzt dagegen saßen Sie auch öfter mal draußen und wurden kurz in die D-League geschickt. Strapaziert dieser Wandel teilweise auch die Nerven?
Pöltl: Nein, so würde ich das nicht sagen. Am Anfang der Saison habe ich ja vor allem auch deshalb so regelmäßig gespielt, weil sowohl Jonas Valanciunas als auch Lucas Nogueira und Jared Sullinger jeweils mit Verletzungen zu kämpfen hatten. Dadurch bin ich ja überhaupt erst in die Rotation reingeschlüpft und habe viele Minuten bekommen, was so früh eher nicht vorgesehen war. Dann kamen sie zurück und meine Rolle schrumpfte wieder. Natürlich ist das nicht immer leicht, weil man sich schlecht auf etwas einstellen kann, aber so ist das eben: Ich muss akzeptieren, dass meine Rolle momentan darin besteht, mich bereit zu halten und dann einzuspringen, wenn ich gebraucht werde.
SPOX: Wie regelmäßig stehen Sie dabei denn im Austausch mit Coach Dwane Casey?
Pöltl: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Der Austausch ist grundsätzlich da, er kommt aber zumeist eher von anderen Seiten. Viel läuft über die Assistant Coaches, vor allem Coach Jim Sann, der sehr viel und direkt mit mir zusammenarbeitet. Über Sachen wie Scouting, die Rotation und das nächste Spiel kommuniziere ich vor allem mit ihm. Aber auch Casey hat natürlich ein offenes Ohr für mich und der Austausch mit ihm findet ebenfalls statt, nur eben nicht ganz so häufig.
SPOX: Und wie ist insgesamt Ihr Eindruck von der Franchise und vor allem auch Ihren Mitspielern?
Pöltl: Ich fühle mich sehr wohl hier. Was mir an der Franchise sehr gut gefällt, ist die Tatsache, dass von oben bis unten eine total familiäre Atmosphäre herrscht, vom Equipment Manager bis Masai Ujiri, unserem General Manager. Das gefällt mir sehr gut, wobei ich natürlich nicht weiß, ob das bei anderen Franchises nicht auch so ist. (lacht) Was aber definitiv nicht überall so ist, sind die Fans, die auf jeden Fall zu den besten der Liga gehören. Ich habe es ja selbst noch nicht in Playoff-Atmosphäre erlebt, was ja noch extremer sein wird, aber auch schon in der Regular Season herrscht immer eine tolle Stimmung. Und auch über meine Mitspieler kann ich mich nicht im Geringsten beschweren. Wir sind ja ein sehr junges Team und auch die Ältesten sind gerade einmal 30 Jahre alt, deswegen herrscht beispielsweise beim Team-Essen im Restaurant auch immer eine coole Atmosphäre. Man kann auch problemlos auf jeden zugehen: Auch wenn wir in Kyle Lowry und DeMar DeRozan eigentlich zwei Superstars haben, hält sich hier niemand für etwas Besseres oder so. Das gefällt mir sehr gut.
SPOX: Das klingt alles so positiv. Aber einige Rookie-Pflichten mussten Sie bestimmt auch schon übernehmen, oder?
Pöltl: Klar, da kommt man ja nicht drum rum. Es sind keine gröberen Angelegenheiten, aber der Rookie-Rucksack ist immer dabei. (lacht) Taschen tragen, Essen holen, wenn irgendjemand Wünsche hat, Spielkarten für den Flug auftreiben, das sind so Beispiele, die dann entweder an mich oder Pascal Siakam gehen. Das sind meistens solche Kleinigkeiten. Wir mussten aber teilweise auch schon Tanz- und Sing-Performances abliefern. (lacht)
SPOX: Durften Sie wenigstens die Songs selbst auswählen?
Pöltl: Nein, die Songs werden sehr sorgfältig von den anderen ausgewählt. (lacht) Teilweise sind das wohl auch Klassiker, die schon die Rookies in den letzten Jahren zum Besten geben mussten.
SPOX: Und was war das Merkwürdigste, was Sie bisher machen mussten?
Pöltl: Das geschah in der Preseason, als wir in Vancouver waren. Ich wurde um 23.30 Uhr auf dem Hotelzimmer angerufen, als ich eigentlich schon schlafen wollte. Ein Mitspieler war dran - ich verrate den Namen nicht - und wollte, dass ich FIFA 17 auftreibe. In Vancouver, ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich das Spiel jetzt kaufen könnte. (lacht) Ich habe dann Pascal geholt und bin mit ihm im Taxi zum nächsten Walmart gefahren, der ungefähr eine halbe Stunde entfernt war. Wir konnten den Auftrag also erfüllen. (lacht)
SPOX: Immerhin. Kommen wir nochmal auf Ihre Erfahrungen auf dem Court zurück: Hatten Sie schon Momente, in denen Sie sich dachten: 'Man, den Typen habe ich schon als Kind im Fernsehen verfolgt und spiele jetzt gegen ihn.'?
Pöltl: Ein bisschen surreal ist es teilweise schon. Mein allererstes Preseason-Spiel etwa fand gegen die Warriors statt: Auf einmal wirst du eingewechselt und dann stehst du Stephen Curry, Kevin Durant, Klay Thompson und Draymond Green gegenüber. Da denkt man schon mal: 'Whoa!' Das sind ja die Jungs, die ich gerade erst kurz davor in den Finals gesehen habe, KD ausgenommen. Das erste Spiel gegen Cleveland war dann ähnlich - auf einmal wurde ich von LeBron James verteidigt. In so einem Moment denke ich dann auch: 'Moment, das ist LeBron!' Das sind schon absolute Highlights, ganz klar.