"Ich verschreibe mich Nikola Jokic. Das schulde ich dem Jungen." Das waren die Worte von Mike Malone, Coach der Denver Nuggets. Mitte Dezember nach einem Roadtrip über sieben Spiele, in dem das Team fünf Spiele verloren hatte. Es war letztlich der Wegbereiter für den Trade von Jusuf Nurkic zu den Portland Trail Blazers.
"Er hat uns gezeigt, was er drauf hat und wenn es eben nicht funktioniert, dann wenigstens mit dem besten Lineup, das wir haben." Aber wie scheint, funktioniert es prächtig mit Jokic als startendem Center. Die beste Serie der Saison. Die Nuggets sind inzwischen in der Pole Position im Schneckenrennen des Westens um den achten und letzten Playoff-Spot. Von 29 Spielen wurden 15 gewonnen. Es ist wieder Hoffnung am Fuße der Rocky Mountains aufgekeimt, nachdem die Jahre nach der Ära George Karl reichlich beschwerlich waren.
Klar, die Bilanz (24-30) klingt noch nicht allzu atemberaubend, doch die Nuggets haben nun ausgesiebt und ihren Goldklumpen der Zukunft wohl gefunden. Seit der Beförderung von Jokic zum Starter ist Denver das zweitbeste Offensiv-Team der Liga. Auch Defensiv-Guru Malone hat dies erkannt. Manchmal ist gute Offense schließlich auch die beste Verteidigung.
Verspielt und übergewichtig
Dabei sprach nicht vieles dafür, dass aus dem Joker ein valider NBA-Spieler wird. Cola, Burek und Cevapcici standen in der Jugend in Serbien auf dem Speiseplan. Sportlernahrung ist etwas anderes. Auf dem Court machten ihm seine 300 Pfund wenig aus. Behind-the-back-Pässe und andere Kabinettstückchen waren an der Tagesordnung. "Er wollte einfach nur Spaß haben", beschreibt Bruder Nemanja den Teenager Nikola. Nicht ohne Grund nannte sich Jokic später selbst mit einem Schmunzeln "fetten Point Guard".
Den Denver Nuggets waren Jokic' Qualitäten aber schon beim Nike Hoop Summit aufgefallen, als er Karl-Anthony Towns gleich mehrfach in Szene setzte. Für die Franchise aus Colorado war das genug, um ihn mit dem 41. Pick 2014 auszuwählen. Jokic selbst bekam davon nichts mit. Er schlief lieber, als in der Nacht mitzuerleben, welches NBA-Team sich seine Rechte sicherte.
Verständlich, denn die beste Liga der Welt schien da noch fern. Der Big Man spielte in der serbischen Talentschmiede Mega Leks und sollte ein Jahr später nach Barcelona gehen. Eigentlich war schon alles abgesprochen, doch die Scouts der Katalanen nahmen nach einem schwachen Spiel, das sie sich vor Ort ansahen, wieder Abstand von der Verpflichtung: "Ich machte 4 Punkte, 3 Rebounds und spielte keine Defense. Ohne dieses Spiel wäre ich jetzt wohl in Barcelona", erinnert sich Jokic.
Denvers Twin Towers
Stattdessen einigte man sich 2015 auf den Schritt NBA, nachdem der Jokic-Clan erörterte, wo sich der talentierte Sprössling wohl am besten entwickeln könnte. Coach Malone war anfangs wenig begeistert, wie er unumwunden zugab: "Er war ein sehr durchschnittlicher Spieler."
Doch Jokic arbeitete an seinem Spiel und vor allem an seinem Körper. Der einstige Cola-Liebhaber (vor dem Flug zur Vorstellung in Denver trank er seine letzte Flasche) ist austrainierter denn je und kann so seine PS besser auf das Feld bringen.
Das war zunächst aber gar nicht so leicht, speziell mit einem Kader, der absolut unauswogen war. Mit Nurkic stand ein weiterer Spieler im Roster, der bereits ein Jahr vor Jokic eine überzeugende Rookie-Saison spielte. Wer der Center der Zukunft sein sollte, war völlig unklar. Malone beantwortete die Frage auf seine Art und Weise: beide spielten. Wie sich zeigte, eine suboptimale Lösung. Die Big Men standen sich auf den Füßen. Jokic steckte zurück und kam freiwillig von der Bank.
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Finesse unter dem Korb
Doch Nurkic überzeugte nicht und hatte immer wieder Schwierigkeiten. Schließlich beorderte Malone den Joker in die Starting Five. Ein Schritt, den er nicht bereuen sollte. Seit dem 15. Dezember legt der Center in 29 Minuten im Schnitt fast ein 20/10-Double-Double auf (21,0 Punkte, 9,8 Rebounds). Garniert wird dies mit 5,3 Assists(!) und einer Feldwurfquote von 61,5 Prozent (über 41 Prozent von der Dreierlinie). Bemerkenswert, da unter seinen 208 Field Goals nur zwölf Dunks sind.
Anders als Big Men wie DeAndre Jordan oder Rudy Gobert schließt Jokic in der Zone mit Finesse ab und erinnert eher an die litauische Center-Legende Arvydas Sabonis. "Nikola ist ein Junge, für ich zahlen würde, um ihn sehen", schwärmt Coach Malone. "Nicht weil er dunkt oder an seinem Gegner vorbeirauscht, sondern wegen seiner Skills, seines Flairs und seines Spielwitzes."
Jokic nennt ein ganzes Arsenal an Hakenwürfen und Floatern sein Eigen. 66 Prozent seiner Würfe trifft der Nuggets-Fünfer aus dem Bereich um die Restricted Area. Kein anderer Spieler erreicht in diesem Bereich überhaupt 53 Prozent.
Vergleiche mit Magic
Doch Jokic besitzt nicht nur bei seinen Würfen einen weichen Touch. Auch im Passspiel hat der Serbe Qualitäten wie kaum ein anderer. Das macht ihn auf jeder Position im Halbfeld zu einer Waffe. Ob an der Birne, am Elbow oder im Low Post - Jokic strahlt überall Gefahr aus. "Seine Zuspiele sind beeindruckend. Er weiß, wann seine Mitspieler offen sind, bevor sie es sind", so Malone.
Und die Kollegen profitieren enorm. Beim Sieg gegen Milwaukee gelang ihm mit 20 Punkten, 13 Rebounds und 11 Assists gar das erste Triple-Double seiner Karriere. Dafür gab es sogar anschließend eine nackte Umarmung für den Coach.
Hält Jokic den Ball am Elbow, scheint es so, als seien seine Augen überall. Durch Cuts der Mitspieler werden einfache Leger generiert. "Jeder hat gesehen, was sie für leichte Abschlüsse bekommen", erklärt Malone. Und der positive Nebeneffekt: "Auf einmal cuttet bei uns jeder!"
Ein großes Lob gab es für die Entwicklung von Veteran Mike Miller, der auch schon Titel mit LeBron James gewann: "Er macht Dinge, die wahrscheinlich noch kein großer Spieler gemacht hat." Isiah Thomas setzte am Rande der Global Games in London sogar noch einen drauf, indem er Vergleiche mit Magic Johnson zog.
Jokic ist ein Star
So macht es absolut Sinn, dass der Großteil der Offense nun über den Hünen läuft. Die Nuggets haben insgesamt sechs Aufstellungen mit mehr als 40 Minuten Spielzeit, die ein positives Net-Rating vorzuweisen haben. Jokic steht in fünf davon. Nimmt der Serbe auf der Bank Platz, fällt das Offensiv-Rating um sagenhafte 14 Punkte, während defensiv keine Verbesserung vermerkt wird (auch wenn seine Verteidigung noch ausbaufähig ist). Kurzum: Mit Jokic steht und fällt das Spiel der Nuggets.
Das weiß inzwischen auch die Liga. Nicht von ungefähr gab es Forderungen, dass der Sophomore bereits in diesem Jahr zum All-Star Game hätte fahren müssen. Spätestens mit seinen 40 Punkten (17/23 FG!) im Madison Square Garden hat er seine Duftmarke gesetzt.
Dabei darf nicht vergessen werden: Der Junge wird erst in wenigen Tagen 22 Jahre alt. Für einen Center, der sowieso nicht von der Athletik lebt, heißt dies, dass die Prime eigentlich noch in weiter Ferne sein sollte.
Entsprechend haben die Nuggets sich positioniert. Jokic ist der Franchise-Spieler. Der Kern, um den in der Zukunft das junge Team aufgebaut wird. Mit dem Trade von Nurkic nach Portland wird das noch einmal unterstrichen. Mason Plumlee wird sich als Backup unterordnen müssen. Auch Coach Malone hat daran überhaupt keinen Zweifel mehr. Durchschnitt war gestern. "Wir sind bereit zu sagen, dass Nikola Jokic ein Star ist". Nicht schlecht für einen übergewichtigen Second-Rounder.