Die Milwaukee Bucks sind zum zweiten Mal in Folge in der ersten Playoff-Runde rausgeflogen. Warum konnten sie ihr Potential nicht abrufen? Wie ist ihre Saison zu bewerten - und was passiert mit Jabari Parker und auf der Head-Coach-Position? SPOX beleuchtet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
In einer nervenaufreibenden Erstrundenserie gegen die Boston Celtics haben sich die Milwaukee Bucks nach sieben Spielen in den Urlaub verabschiedet. Das wäre wenig überraschend gewesen, wenn die Endtabelle der Regular Season als Maßstab gedient hätte: Demnach wären die Celitcs als No.2-Seed gegen die Bucks auf Platz 7 der große Favorit gewesen.
Ganz so einfach war die Lage bekanntlich nicht. Aufgrund der vielen Verletzungen auf Seiten der Celtics sprach Vieles für eine ausgeglichene Serie. Mehr noch: Allein aufgrund der Personalie Giannis Antetokounmpo - einem Spieler, dessen Qualität im aktuellen Celtics-Kader nicht zu finden ist - galten die Bierstädter als leicht favorisiert.
Die Ergebnisse zwischen den Boston Celtics und Milwaukee Bucks
Spiel | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | Boston | Milwaukee | 113:107 |
2 | Boston | Milwaukee | 120:106 |
3 | Milwaukee | Boston | 116:92 |
4 | Milwaukee | Boston | 104:102 |
5 | Boston | Milwaukee | 92:87 |
6 | Milwaukee | Boston | 97:86 |
7 | Boston | Milwaukee | 112:96 |
Daraus schlugen sie aber kein Kapital. Die Heimstärke beider Teams dominierte die Serie, kein einziges Mal verließ das Gästeteam als Sieger das Parkett. Und so war der sagenumwobene Home Court Advantage, um den in der regulären Saison 82 Spiele lang gekämpft wird, mal wieder entscheidend. Auch im siebten Spiel, das logischerweise im TD Garden stattfand.
Unter dem Strich bleibt den Bucks also nur das zweite Erstrunden-Aus in Folge, nachdem sie im letzten Jahr von den Toronto Raptors eliminiert worden waren und die Frage, ob die Saison 2017/18 nicht irgendwie verschenkt war...
Wie ist die Saison der Milwaukee Bucks zu bewerten?
"Ich bin mir sicher, dass manche Leute die Saison als Enttäuschung bezeichnen werden - aber diese Leute schauen nicht auf die Dinge, die sich positiv entwickelt heben. Und dies waren eine Menge Dinge", sagte Interimscoach Joe Prunty nach Spiel 7.
Klar, es gab diese positiven Dinge: Khris Middleton spielte die beste Saison seiner Karriere. Jabari Parker ging fit in die Playoffs. Mit Eric Bledsoe kam die nötige Verstärkung im Backcourt. Und das Wichtigste: Giannis Antetokounmpo machte einen weiteren, riesigen Schritt nach vorne und war lange Zeit sogar Inhalt der MVP-Diskussionen.
Das große Problem daran: Trotzdem haben es die Bucks nicht geschafft, sich im Vergleich zur Vorsaison zu verbessern. Sie holten nur zwei Siege mehr in der Regular Season und schieden erneut in der ersten Playoff-Runde aus - obwohl die Marschrichtung im Sommer 2017 eigentlich die war, eine Breakout-Saison hinzulegen, um mit neuem Elan in die ebenso neue und hochmoderne Spielstätte umziehen zu können. Sogar von den Conference Finals war in der Bierstadt orakelt worden.
Davon war das Team allerdings meilenweit entfernt. Die Spielphilosophie war weder in der Defensive noch in der Offensive zeitgemäß. Jason Kidd, der in der ersten Saisonhälfte noch als Head Coach fungierte, wurde seinem Ruf als Sturkopf gerecht, wollte offenbar nichts ändern - und wurde folgerichtig entlassen. Joe Prunty, bis dahin Kidds Assistent, sprang ein, nur um den nahezu gleichen Ball spielen zu lassen.
So kam es letztlich, wie es kommen musste: Erneut ging es schon nach der ersten Runde in den Urlaub. "Klar, es ist auch ein Erfolg, überhaupt in die Playoffs zu kommen und dort ein Game 7 zu erreichen", sagte der noch amtierende Rookie of the Year Malcolm Brogdon. "Aber irgendwie ist es auch nicht das, was wir uns als Endergebnis erhofft hatten."
Aus diesem Grund ist es sinnvoller, schnell in die Zukunft zu blicken, um von der Gegenwart abzulenken: "Wir alle freuen uns schon riesig auf die neue Saison - wir spielen in einer neuen Arena und jeder von uns wird eine Menge Spaß haben." Vielleicht wird es dann ja tatsächlich etwas mit der Breakout-Saison.
Warum kann die Mannschaft ihr Potential nicht abrufen?
Wie schon erwähnt, fehlt es an einer modernen Spielphilosophie. Das fängt schon in der Defensive an: Das Konzept des aggressiven Trappens und Doppelns von Pick-and-Rolls beispielsweise mag in der Debüt-Saison von Jason Kidd in Milwaukee noch funktioniert haben. Mittlerweile haben sich aber alle Teams darauf eingestellt und können es überspielen. Die Folge: Offene Dreier.
Nun muss zur Ehrenrettung Milwaukees erwähnt werden, dass die Bucks gegen die Celtics versuchten, nicht allzu oft auf diese Variante zurückzugreifen. Viele offene Triples ließen sie nicht zu, die Quote Bostons von Downtown betrug nur 35 Prozent.
Trotzdem kassierten die Bucks bei drei von vier Niederlagen über 110 Punkte, weil es an vielen anderen elementaren Dinge hakte, wie zum Beispiel an der Helpside-Rotation bei gegnerischen Drives. Und einen echten, mobilen Ringbeschützer hatten sie auch nicht - John Henson, der als einziger dafür infrage kommt und in Spiel 1 noch 6 Würfe blockte, fiel nach dem zweiten Spiel mit einer Rückenverletzung für die restliche Serie aus.
In der Offensive fehlt es dem Team an potenten Dreierschützen. Giannis vertraut phasenweise nicht einmal seinem Wurf aus der Mitteldistanz. Middleton hat genau dort seine Stärke und ist von Downtown nicht konstant genug. Bledsoe traf seit seiner Ankunft 35 Prozent. Jabari Parker kratzte immerhin an der 40-Prozent-Marke, drückte aber nur 2,6-mal pro Spiel ab.
Letztlich sind dies alles Spieler, mit denen es schwierig ist, ein ordentliches Spacing zu kreieren. Dadurch hat es Giannis mit seinen Drives oder Pick-and-Rolls enorm schwer, da jeder Gegner die Zone verstopfen kann - vor allem dann, wenn neben Giannis zwei weitere Spieler auf dem Parkett stehen, die draußen getrost ignoriert werden können.
Eine gut geölte Motion-Offense hätte vielleicht eine Antwort auf das Problem sein können, doch auf eine solche hatten weder Kidd noch Prunty Lust. Stattdessen hagelte es planlose Isolations oder Post-ups von Giannis, Middleton oder auch Bledsoe, während derer sich die Spieler abseits des Balles die Beine in den Bauch standen und interessiert zuschauten.
Sicherlich gab es Lineups, in denen vier halbwegs gescheite Schützen um Giannis herum postiert werden konnten. Diese Lineups - die unter anderem Thon Maker beinhalteten - hatten aber eklatante Schwächen in anderen Bereichen, vor allem defensiv. Oder, das andere Problem: Prunty scheute davor zurück, solche Experimente über längere Zeiträume zu wagen.
Was bleibt, ist also die Erkenntnis, dass das viele Talent im Kader noch nicht aufeinander abgestimmt ist und ein geeignetes Spielkonzept fehlt, für welches wiederum die nötigen Rollenspieler (Shooter!) benötigt werden. Im Sommer wartet also viel Arbeit auf das Front Office
Was machen die Bucks mit Jabari Parker und in der weiteren Offseason?
Zwei zentrale Fragen dominieren die Offseason bei den Milwaukee Bucks: Wer wird neuer Head Coach (alles dazu in Frage 5) und was passiert mit Jabari Parker?
Geht es nach Antetokounmpo, stellt sich zumindest die Parker-Frage überhaupt nicht. "Jabari geht nirgendwo hin", war sich der Grieche nach dem Ausscheiden der Bucks sicher. "Er wird weiter hier sein und sich nun auf die neue Saison vorbereiten."
Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht. In den Gehaltsbüchern Milwaukees tauchen für die kommende Saison schon knapp 120 Millionen Dollar auf - und da ist der Forward noch nicht mit eingerechnet. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, er wird Restricted Free Agent. Und die Bucks müssen sich überlegen, ob sich ein teures Investment in den 23-Jährigen lohnt.
Was dafür spricht: Wenn er fit ist, kann er ein kompletter Offensiv-Spieler sein, der sich selbst einen Wurf kreieren kann und auch abseits des Balles funktioniert. Er verfügt über einen guten Distanzwurf, in der Regular Season, in der er immerhin noch 31-mal auf dem Feld stand, traf er 38,3 Prozent von draußen. Aus dem Catch-and-Shoot waren es sogar 44 Prozent.
Da der Spielraum der Bucks in der Free Agency begrenzt ist, könnte er mit dieser Eigenschaft sehr wichtig werden (siehe Frage 3), denn den Bucks fehlt es an Spacing und Shooting. Und wenn er endlich mal eine ganze Saison durchspielt und konstant seinen Rhythmus hat, sind weitere Verbesserungen hinsichtlich seiner Abschluss-Effizienz zu erwarten.
Das alles ist aber mit diesem "wenn" verbunden - Parker hat schon zwei Kreuzbandrisse erlitten. Die Gefahr, dass er sich erneut verletzt, ist definitiv präsent. Darüber hinaus gibt es Fragezeichen hinter seiner Defense, die gemessen an seinen körperlichen und athletischen Voraussetzungen zuletzt nicht zufriedenstellend war.
Und: Offenbar strebt er nach einer größeren Rolle, als ihm zuletzt zugestanden worden ist. In Spiel 2 spielte er nur 10 Minuten und beschwerte sich darüber öffentlich. Es ist davon auszugehen, dass er ebenfalls öfters die erste Option sein will, was sich in Phasen, in denen er zusammen mit Giannis auf dem Feld steht, als schwierig gestalten dürfte.
Bei dieser offen geäußerten Unzufriedenheit dürften andere Teams die Ohren gespitzt haben. Jede Franchise ist berechtigt, dem Restricted Free Agent Angebote zu machen, die Bucks dürften jedoch matchen. Ein Szenario, in dem Parker viel Geld verdient, ist aber mit hohem Risiko verbunden: Die Cap-Situation wäre noch vertrackter und im Falle einer erneuten Verletzung kaum Spielraum für Reaktionen möglich.
Zwei andere Baustellen hat General Manager John Horst auch noch zu beackern. Eric Bledsoe könnte mit seiner durchaus vorhandenen Qualität und seinem auslaufenden Vertrag ein Trade-Asset sein, wenn die Bucks der Meinung sind, dass er kein Eckpfeiler für die Zukunft darstellen soll. Bis dato zeigte er mehr Schatten als Licht, vielleicht könnte man für ihn etwas Shooting akquirieren - oder im besten Fall auch noch einen Center, denn John Henson fehlt die Qualität, um mit ihm als Starter höhere Ziele anzustreben.
Wer wäre der ideale Coach für die Milwaukee Bucks?
Die Bucks brauchen auf der Head-Coach-Position eine 180-Grad-Wendung. Sie brauchen einen Coach, der die Defense repariert und die Halbfeld-Offense modernisiert. Und er muss den jungen Kern um Antetokounmpo entwickeln, damit dieser in drei, vier Jahren - wenn er seine Prime erreicht hat - realistische Chancen auf einen Titel hat.
Vorneweg: Joe Prunty dürfte keinerlei Aussichten auf eine Weiterbeschäftigung haben, sein Coaching gegen die Celtics war gelinde gesagt keine Offenbarung. Die Bucks wirkten planlos, Prunty schien mit der Aufgabe teils überfordert und wurde von Brad Stevens nach allen Regeln der Kunst ausgetrickst.
Die Chancen auf eine größere Lösung sind aber ohnehin nicht schlecht. Es ist recht selten, dass ein kleines Team wie die Bucks einen Coaching-Job anzubieten hat, der wohl begehrt wie kein anderer ist, was natürlich an Antetokounmpos Zukunft und dem besagten jungen Kern liegt.
Optionen gibt es jede Menge. Jeff Van Gundy, Monty Williams oder der nun wohl bei den Knicks angestellte David Fizdale gelten und galten in Milwaukee wie auch bei anderen Teams als Kandidaten. Die interessanteste Variante dürfte aber Mike Budenholzer sein, der erst kürzlich sein Amt bei den Atlanta Hawks niedergelegt hat.
Der ehemalige Schröder-Coach arbeitete über Jahre erfolgreich in Atlanta und will, wie es scheint, auch keine Pause einlegen, wie erste Bewerbungsgespräche mit den Suns und Knicks zeigten. Eine Qualität von Bud war es vor allem, junge Spieler zu entwickeln, wie die Beispiele von DeMarre Carroll, Kent Bazemore, Schröder oder Taurean Prince zeigten.
Die Bucks haben jede Menge Talent und Youngster, angefangen bei Maker, Sterling Brown oder eben Antetokounmpo, dessen Entwicklung noch nicht abgeschlossen scheint. Gerade in der Crunchtime hat Giannis noch einiges an Luft nach oben, um sich seine Offense zu kreieren.
Ein anständiges System könnte dabei helfen. Dass Budenholzer diese Qualitäten besitzt, hat er bewiesen, nicht zuletzt, als er die Hawks 2015 zu 60 Siegen führte - und dieses Team hatte keinen Spieler vom Schlag des jetzigen Bucks-Franchisespielers.
Budenholzer steht für einen Motion-basierten Angriff, wie ihn die Bucks so sehr haben vermissen lassen. Auf der einen Seite braucht es dafür auch die richtigen Spieler, um effizient zu sein - auf der anderen Seite ist Bud aber sicherlich niemand, der seine Spieler in ein unpassendes Korsett zwingt und keine alternativen Lösungen parat hat.
Insider Tim Bontemps von der Washington Post hat es in seiner Analyse recht passend formuliert: Die Bucks können es sich nicht leisten, Budenholzer nicht einzustellen, sollte sich dafür tatsächlich eine Chance bieten.