NBA Playoffs: 5 Fragen zum Aus der Sixers: Der Process geht in die entscheidende Phase

Robert Arndt
11. Mai 201808:51
Ben Simmons und Joel Embiid sind die Gesichter der Philadelphia 76ersgetty
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Die Philadelphia 76ers haben sich nach fünf Spielen gegen die Boston Celtics aus den Playoffs verabschiedet. Das junge Team scheiterte dabei mehrfach an sich selbst. Wie geht es nun in Philly weiter? Es wartet ein richtungsweisender Sommer auf die Sixers. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Eine der größten Wohlfühlgeschichten der Saison hat in der Nacht auf Donnerstag sein Ende gefunden. Nachdem die Sixers die letzten 16 Spiele der Regular Season gewannen und auch die nicht zu unterschätzenden Miami Heat souverän in fünf Spielen abbügelten, war nun gegen verletzungsgeplagte Boston Celtics Endstation.

Trotz des fehlenden Heimvorteils gingen die Sixers als leichter Favorit in die Serie mit den Kobolden, sahen sich aber schnell einem 0-3-Rückstand gegenüber. Dies klingt im Nachhinein deutlicher als es letztlich war. In Spiel 2 dominierte Philly die ersten 20 Minuten der Partie, um sich dann aber gegen entfesselt spielende Celtics die Butter vom Brot nehmen zu lassen.

Auch im ersten Heimspiel war durchaus ein Sieg drin, doch beim möglichen Gamewinner stand Marco Belinelli mit der Fußspitze auf der Dreierlinie, sodass der lange Zweier die Sixers nur in die Verlängerung hievte, in der die Celtics die Oberhand behielten. Dass ein Mitarbeiter nach Ende der regulären Spielzeit dennoch Konfetti für den vermeintlichen Sieg der Sixers auf das Feld regnen ließ, erwies sich als schlechtes Omen. In Spiel 4 konnte immerhin der Sweep noch verhindert werden, doch in Boston musste sich das Team von Head Coach Brett Brown in einem weiteren knappen Spiel geschlagen geben.

Celtics vs. Sixers: Alle Spiele der Serie

TagDatumUhrzeitSpielHeimAuswärtsErgebnis
Dienstag1. Mai2 Uhr1BostonPhilaldelphia117:101
Freitag4. Mai2.30 Uhr2BostonPhilaldelphia108:103
Samstag5. Mai23 Uhr3PhilaldelphiaBoston98:101 OT
Dienstag8. Mai0 Uhr4PhilaldelphiaBoston103:92
Donnerstag10. Mai2 Uhr5BostonPhilaldelphia114:112

Kleinigkeiten machten letztlich den Unterschied und dort lag der große Vorteil der Celtics, die vor allem defensiv kaum Fehler machten. Ben Simmons hat sich nach einer grandiosen Serie gegen Miami unglaublich schwer, weil Celtics-Coach Stevens die Wurf-Allergie des Australiers schamlos ausnutzte. Der Rookie fand nur selten Wege zum Korb, weil Philly gegen die vielen Switches der Celtics sowie das Vollpacken der Zone kein Gegengift entwickeln konnte.

Ähnliche Probleme hatte auch Joel Embiid, der mit Baynes einen körperlich fast gleichwertigen Gegenspieler hatte. Der Kameruner agierte im Post teilweise zu ungestüm und zu fehleranfällig. Sinnbildlich war dafür die Aktion in den letzten Sekunden von Spiel 5, als er erst in bester Position gegen Baynes nicht scoren konnte und Terry Rozier dem Center dann auch noch den Ball klaute.

Sixers: Ballverluste und schwache Dreierquote die Problemzonen

Außerdem half es nicht, dass die Sixers fast über die komplette Serie kalt blieben. Nachdem Philly in der ersten Runde noch 36 Prozent aus der Distanz getroffen hatte, waren es gegen die beste Defense der Liga nur noch 30 Prozent. Es fehlte der Plan B, da Boston es verstand, Embiid im Post zu kontrollieren und die Schützen gut zu bewachen. Auffällig war dabei, dass Philly mit Simmons und Embiid zu selten Pick'n'Roll spielte, ein Spielzug, der unglaublich effizient war.

Gleichzeitig verstand es Boston mit hohem Druck, die Sixers in unangenehme Situationen zu bringen. Schon in der Regular Season war die Brown-Truppe anfällig für Ballverluste, die Celtics nutzten diesen Umstand in der Crunchtime (Spiel 3 und 5) gnadenlos aus.

Wie ist die Saison der Sixers zu bewerten?

Auch wenn Philly-Fans sicher der Meinung sind, dass in dieser Spielzeit mehr drin gewesen sei, muss die Saison als Erfolg verbucht werden. Das Team übersprang in nur einem Jahr gleich mehrere Schritte. Noch im Sommer 2017 wäre man mit dem Erreichen der zweiten Playoff-Runde wohl mehr als zufrieden gewesen, doch mit dem Erfolg wuchsen eben auch die Ansprüche.

Die Siegesserie von 16 Spielen erwies sich auch ein wenig trügerisch. Blickt man auf die Kontrahenten wird schnell klar, dass mit Ausnahme der Partien gegen Cleveland und Minnesota jede Menge Gemüse dabei war. Auch Miami entpuppte sich als zahnloser Tiger, der sich auf Heldentaten eines 36-Jährigen namens Dwyane Wade verlassen musste.

Das soll aber in keinem Fall die Leistungen der Sixers schmälern, das stellte auch Embiid mit einem interessanten Vergleich dar. "Wenn man sich zum Beispiel die erste Saison von Russell Westbrook und Kevin Durant in Oklahoma City anschaut: Sie haben nur 28 Spiele gewonnen", sagte der Kameruner. "Und nun vergleicht das mit dem, was wir erreicht haben. Ich denke, dass uns eine rosige Zukunft bevorsteht."

Die Bilanzen der Sixers seit 2013

SaisonPlatzSiegePlayoff-AusGegner
2013/141419verpasst-
2014/151418verpasst-
2015/161510verpasst-
2016/171428verpasst-
2017/18352Conference SemifinalsCeltics (1-4)

Wer möchte dem Center da widersprechen? Embiid blieb in seinem vierten Jahr in der NBA erstmals von größeren Verletzungen verschont, Ben Simmons dürfte wohl zum Rookie of the Year gewählt werden. Dazu steigerte sich auch Dario Saric und zeigte mit verbessertem Shooting, dass auch er ein Teil der Zukunft sein kann.

Endlich hat der Process ein neues Level erreicht, endlich konnten die Fans sehen, wozu dieses Team einmal fähig sein kann. Dies ist auch für die kommenden Jahre ein gewaltiges Pfund: Die leidgeprüften Fans in der Stadt der brüderlichen Liebe stehen nach vielen schweren Jahren voll hinter diesem Team.

Ihr Potenzial haben die Sixers dabei bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Sowohl Simmons als auch Embiid werden ihr Spiel noch auf ein höheres Level bringen und dann ist da schließlich auch noch eine Wildcard, die die Sixers in der Hinterhand haben ...

Wie geht es mit Markelle Fultz weiter?

... und die hört auf den Namen Markelle Fultz. Der No.1-Pick von 2017 spielte in den Playoffs gerade einmal 23 Minuten, in der Celtics-Serie setzte ihn Brown überhaupt nicht mehr ein. Stattdessen sah T.J. McConnell die Backup-Minuten hinter Simmons und startete in den Spielen 4 und 5 sogar neben dem Australier.

Dies ist natürlich auch die Vision mit Fultz. Der 19-Jährige spielt in den Planungen der Sixers weiter eine große Rolle, auch wenn der Guard noch nicht das zeigen konnte, wofür ihn die Sixers drafteten. Am College überzeugte Fultz als Scorer, Schütze und Spielmacher - eine Kombination, die ihn so begehrt machte und die auch perfekt zu Simmons passen würde.

Im Sommer kann sich Fultz die Zeit nehmen und sich auf die Suche nach seinem verloren gegangenen Jumper machen. Im Idealfall ist die Schulter dann auch völlig auskuriert und die Sixers haben auf einmal einen Spieler mit absolutem Starpotenzial.

Fultz: Es kann nur besser werden

Ein Trade würde ohnehin nur wenig Sinn ergeben, es sei denn, im Gegenzug kommt mit Fultz im Paket ein echter Superstar nach Philly (Kawhi Leonard?) Natürlich wird es Teams geben, die weiter an seinen Wurf glauben, doch ein gewisses Restrisiko bleibt bestehen. So würde Philly wohl keinen allzu großen Gegenwert für seinen letztjährigen Top-Pick bekommen.

Aber selbst wenn Fultz tatsächlich kein tödlicher Schütze mehr wird: McConnell lieferte so etwas wie eine Blaupause, schließlich ist der kleine Point Guard selbst nicht mit einem überdurchschnittlichen Sprungwurf gesegnet. Dafür zog McConnell immer wieder aggressiv zum Korb und schuf so Freiräume für seine Mitspieler, für die er immer ein Auge hatte.

Auch Fultz deutete dieses Potenzial gegen Ende der Regular Season an, als er unter anderem gegen die Milwaukee Bucks ein Triple-Double mit 10 Assists auflegte. So groß die Enttäuschung über Fultz in dieser Spielzeit gewesen sein mag: Das kommende Jahr kann eigentlich nur besser werden.

Ist Brett Brown der richtige Coach für die Sixers?

Willkommen auf der großen Bühne, Mr. Brown. Über Jahre waren die Sixers eine Lachnummer in der Liga und Brown verbuchte in seinen ersten vier Jahren eine fürchterliche Bilanz (75-253). Dabei stand ihm auch teils wenig NBA-taugliches Personal zur Verfügung, weswegen sein Job nie zur Disposition stand. Ganz im Gegenteil: Während der historisch schlechten 10-72-Saison wurde Browns Vertrag sogar verlängert.

In den Playoffs steht aber bekanntlich alles unter dem Brennglas und so musste sich Brown einiges an Kritik an seinen Entscheidungen anhören. Ob dies nun berechtigt ist, sei mal dahingestellt. Gegen die Celtics stand mit Brad Stevens einer der Besten seines Fachs gegenüber, da haben schon andere Coaches schlechter ausgesehen.

Sicherlich war es nicht glücklich, zunächst J.J. Redick gegen Jayson Tatum starten zu lassen oder dass Brown in Spiel 2 beim großen Celtics-Run keine Auszeit genommen hatte. Es gäbe noch zahlreiche weitere Beispiele für Dinge, die man anders hätte angehen können, doch vor falschen Entscheidungen ist kein Übungsleiter gefeit.

Das Ausscheiden an Brown festzumachen, wäre falsch. Es darf nie vergessen werden, dass die Schlüsselspieler der Sixers noch blutjung sind bzw. erstmals in den Playoffs standen. Das gilt übrigens auch für Brown, der davor zumindest über ein Jahrzehnt als Assistent bei Gregg Popovich und den San Antonio Spurs diente.

Brown staffelt wie kein anderer

Ähnlich wie in Texas hat Brown so etwas wie eine Kultur aufgebaut. Dabei verlässt sich Brown wohl wie kein anderer Coach auf Analytics, wenn es um seine Rotationen geht. Im Gegensatz zu den meisten Teams mischt Brown seine Rotationen mehr durch, lässt seine Starter kürzere Stints spielen und behauptete sich auch gegen Widerstände innerhalb des Teams. "Ich bin quasi drei Minuten hoch und runter gerannt, um dann wieder vom Feld zu gehen", sagte Redick gegenüber Zach Lowe (ESPN). "Ich hatte das Gefühl, keinen Rhythmus zu bekommen."

Brown hielt aber an dieser etwas ungewöhnlichen Rotation fest. "Am Anfang waren alle im Team dagegen", erinnerte sich Brown. "Ich habe das verstanden und habe mich auch ein wenig unwohl gefühlt. Mit der Zeit wurde es aber besser." Der klare Vorteil war, dass Philly zu jeder Zeit zwei bis drei Starter auf dem Feld hatte.

Trotz aller anfänglichen Widerstände scheint Brown aber das Vertrauen seiner Spieler gewonnen zu haben. Deswegen wird es wahrscheinlich keinen Wechsel an der Seitenlinie geben.

Was können die Sixers in der Offseason machen?

Die Sixers werden eines der interessantesten Teams dieser Offseason sein. Das Fenster für einen dicken Fisch aus dem Free Agency-Teich ist jetzt oder im kommenden Sommer. So lange spielen Simmons und Saric noch mit ihren Rookie-Verträgen, in dieser Zeit kann Philly mit Capspace operieren. Zwei Free Agents stechen dabei ins Auge: LeBron James und Paul George.

Mit Embiid und Simmons ist das Fundament schon einmal da, doch ob dies einem LeBron reicht, um 53 Millionen Dollar auf dem Tisch liegen zu lassen? Für die Sixers ist es auch ein Vabanque-Spiel, da James bekannt dafür ist, sich mit seiner Entscheidung über seine Free Agency jede Menge Zeit zu lassen. Sollte LeBron wieder seine Interessenten hinhalten, könnte Philly so die eigenen Free Agents verlieren, namentlich Redick, der sich allerdings nach seinem großen Zahltag im Sommer diesmal mit weniger zufriedengeben könnte.

Für einen großen Namen müsste sich Philadelphia aber einiger wichtiger Rollenspieler entledigen. Man müsste die Optionen für McConnell und Richaun Holmes (okay, geschenkt) verstreichen lassen, dazu wird sich GM Bryan Colangelo die Schnapper Ilyasova und Belinelli (zusammen 0,9 Millionen Dollar) nicht mehr leisten können.

Die Gehälter der wichtigsten Sixers-Spieler in Millionen Dollar

Spieler2017/182018/192019/202020/212021/22
Jerryd Bayless9,08,6UFA
Markelle Fultz7,08,49,7**12,3**RFA
Ben Simmons6,26,48,1RFA
T.J. McConnell1,51,6**UFA
J.J. Redick23,0UFA
Marco Belinelli0,5UFA
Robert Covington16,710,511,312,113,0
Dario Saric2,42,53,5**RFA
Amir Johnson11,0UFA
Richaun Holmes1,51,6**
Ersan Ilyasova0,36UFA
Joel Embiid6,125,327,329,331,3

*Spieleroption, **Teamoption, UFA = Unrestricted Free Agent, RFA = Restricted Free Agent

Ein weiteres Szenario wäre ein Trade. Den Sixers stehen im Sommer wohl gleich sechs Draft-Picks zur Verfügung, dazu verfügt man über jede Menge Assests wie Fultz, Covington oder gar Jerryd Bayless, dessen Vertrag als Gehaltsfüller eines Deals herhalten kann. Diese drei Spieler plus beliebige Picks wären eine Möglichkeit, um in San Antonio bei Kawhi anzuklopfen.

Die Picks der Sixers in diesem Draft (Stand vor der Draft Lottery)

PickVon
10 (zwischen 2 und 4 nach Boston)Lakers
26Eigener Pick
38Brooklyn
39New York
56Eigener Pick
60Eigener Pick

Auf Teufel komm raus sollten und werden die Sixers aber nicht ihren Capspace diesen Sommer verbraten. Nur wenn tatsächlich ein dritter Star geholt werden kann, wird Philly aktiv werden. Ansonsten wird man Simmons, Embiid und Co. noch ein Jahr reifen lassen und 2019 angreifen, wenn jede Menge hochklassige Free Agents zu haben sein werden. Das dreckige Geheimnis dieser Free Agency ist nämlich auch, dass von 150 potenziell verfügbaren Spielern nur 25 potenzielle Starter dabei sind. Entweder passiert also etwas Großes oder nur sehr wenig. Der Process geht dennoch nun in seinen entscheidende Phase.