Eigentlich sollte es eine ganz normale Pressekonferenz werden am vergangenen Montag, abgehalten im beschaulichen Braunschweig, der Heimatstadt Dennis Schröders - der der Mittelpunkt eben dieser PK war.
Es sollte ein wenig über die Nationalmannschaft geplaudert werden, über die Ambitionen von Dennis mit dem DBB, über Medaillenträume bei der anstehenden WM oder auch über die NBA-Karriere des 24-Jährigen. Dieser letzte Punkt sorgte dann jedoch dafür, dass es alles andere als normal wurde.
Denn als es um die Zukunft Schröders bei seinen Atlanta Hawks ging, ließ er sich ungewohnt deutlich in die Karten blicken - und was er sagte, sorgte erst in Basketball-Deutschland und einen Tag später auch in den USA für Schlagzeilen.
"Ich weiß nicht, was die Organisation vorhat", hatte er unter anderem über die Hawks gesagt. "Aber ich muss auch individuell denken und schauen, was für mich am besten ist."
Dennis Schröder deutet Abschied von den Atlanta Hawks an
Und das, so kristallisierte sich im weiteren Verlauf des Gesprächs heraus, sei unter Umständen ein Abschied von der Franchise, die ihn 2013 an 17. Stelle gedraftet und zu einem hochbezahlten Starter der besten Liga der Welt gemacht hatte.
Zur Erinnerung: In den ersten vier Spielzeiten mit Schröder war Atlanta ein Top-Team in der Eastern Conference. 2014/15 waren sie auf ihrem Höhepunkt, schlossen die Regular Season mit einer Bilanz von 60-22 als Top Seed ab und stellten mit Jeff Teague, Kyle Korver, Paul Millsap und Al Horford vier All-Stars.
Schröder war damals noch ein recht kleiner Fisch im Roster, er teilte sich die Backup-Rolle hinter Teague mit Shelvin Mack. Im weiteren Saison-Verlauf allerdings wurde DS17 immer wichtiger, schon in den Playoffs war Mack kaum mehr gefragt, während der Deutsche sogar Crunchtime-Minuten sah.
Das deutliche Aus gegen die Cavaliers in den Conference Finals konnte er allerdings nicht verhindern. Dieses war ohnehin ein Knacks in der Hawks-Entwicklung, bei der es fortan nicht steil, aber doch merklich bergab ging.
Atlanta Hawks machten Dennis Schröder zum Starter
Bei Schröder war das anders. Es kam zu einem Konkurrenz-Kampf mit Teague um die Starter-Rolle, den er mit Bravour gewann. Sein einstiger "Vorgesetzter" wurde 2016 zu den Indiana Pacers getradet, der Weg für den Golden Patch war frei. Ein paar Wochen später unterstrich die Franchise das Vertrauen in Schröder mit einer Rookie-Extension: 70 Millionen Dollar für vier Jahre sollte er bekommen.
Sein Förderer in Atlanta war stets Head Coach Mike Budenholzer, der bis 2017 auch General Manager des Teams war. Er war es also auch, der den Kontrakt für Schröder ermöglicht und aufgesetzt hat, er legte den (sportlichen) Schlüssel der Franchise in die Hände des jungen Mannes und begleitete Schröder sogar nach Deutschland zu BBL-Spielen.
Die NBA-Statistiken von Dennis Schröder
Saison | Minuten | Punkte | Assists | Rebounds | FG% | Ballverluste |
2013/14 | 13,1 | 3,7 | 1,9 | 1,1 | 38,3 | 1,2 |
2014/15 | 19,7 | 10,0 | 4,1 | 1,8 | 42,7 | 1,9 |
2015/16 | 20,3 | 11,0 | 4,4 | 2,2 | 42,1 | 2,3 |
2016/17 | 31,5 | 17,9 | 6,3 | 2,6 | 45,1 | 3,3 |
2017/18 | 31,0 | 19,4 | 6,2 | 2,4 | 43,6 | 2,7 |
Seine Dankbarkeit dafür drückte Schröder am Montag so aus: "Natürlich ist Atlanta meine Stadt. Ich wurde dort gedraftet, ich habe viele Erinnerungen dort." Allerdings: Mike Budenholzer ist nicht mehr da und damit fehlt nun die vermutlich wichtigste Bezugsperson innerhalb der Franchise für Schröder.
Vielleicht hat er aus diesem Grund die Orientierung verloren: "Ich weiß halt nicht, was die Organisation vorhat. Deshalb gehe ich auch in sechs Tagen rüber, um zu schauen, was passiert."
Dennis Schröder gefällt der Rebuild nicht
Offenbar gefällt dem Nationalspieler also die Richtung nicht, die das Front Office eingeschlagen hat. Mit den Abgängen von Dwight Howard und Millsap im vergangenen Sommer wurde ein radikaler Rebuild eingeleitet, der wenig überraschend zur Folge hatte, dass die Hawks jüngst zum ersten Mal seit 2008 die Postseason verpasst haben. Mit einer Bilanz von 24-58 landeten sie im Keller des Ostens.
Genau dort allerdings fühlt sich Schröder nicht mehr wohl: "Natürlich ist es eine Umstellung für mich, mein fünftes Jahr Vorletzter, Letzter zu sein. Es ist schade anzusehen. Aber wie die Organisation weitergehen will, ist nicht meine Entscheidung."
Schröders Argumentation ist recht logisch: In seiner Prime, die bald anbricht, will er oben mitspielen, am besten um Titel. Und er hat Recht, wenn er der Meinung ist, dass dies bei den Hawks in den kommenden Jahren nicht funktionieren wird.
Denn das im Kader vereinte Talent hält sich arg in Grenzen. Klar, mit John Collins und Taurean Prince gibt es zwei Spieler mit Potential. Aber: Bei Prince stellt sich die Frage, ob er nicht schon längst über seinen Möglichkeiten performt und sich überhaupt noch signifikant weiterentwickelt. Und bei Collins weiß man noch nicht, ob er eine Rolle finden kann, die über die eines konstanten Starters hinausgeht.
Hawks nicht attraktiv für Free Agents
Immerhin besitzen die Hawks den No.3-Pick für den Draft 2018. Die Chance, dort einen Jungspund vom Formate eines späteren Franchise-Spielers zu picken, ist durchaus gegeben - aber Garantien gibt es halt nie. Den Pick für einen "fertigen" Spieler in einem Trade abzugeben, ist indes unwahrscheinlich: "Wenn jemand anruft und uns für einen Pick ein gutes Angebot macht, dann hören wir sicherlich zu", sagte GM Travis Schlenk zwar, "aber ich denke nicht, dass wir uns die Chance nehmen lassen, an Position drei ein tolles Talent zu ziehen."
Ob mit diesem Talent oder ohne: Es wird Jahre dauern, bis in Atlanta wieder ein konkurrenzfähiges Team entstehen wird, mit dem Schröder in die Playoffs einziehen kann. Daran ändert auch der massig vorhandene Cap Space für die kommende Free Agency nichts, denn eine beliebte Destination für hochkarätige vertragslose Spieler sind und waren die Hawks nicht, auch, wenn es im kommenden Sommer wenig Teams mit ähnlichen finanziellen Möglichkeiten gibt.
Schröder sagt, dass er in Atlanta bleiben will, "wenn es in die richtige Richtung geht" - aufgrund der genannten Faktoren dürfte es aber schwer sein, ihn davon zu überzeugen, dass dies der Fall ist. Was für eine Richtung er sich vorstellt, verkündete er auch schon: In Indiana oder Milwaukee sei man auf einem guten Weg, ein Trade dorthin wäre "nicht verkehrt."
Mit dieser Aussage hob sich Schröder dann tatsächlich in einen Kreis von Spielern, die sich öffentlich unzufrieden über ihre derzeitige Franchise äußern und mit Wechselgedanken spielen. Die Macht solcher Spieler (und Berater) ist mittlerweile größer denn je, und sollte Schröders Stab tatsächlich mit einer konkreten Trade-Forderung im Front Office vorsprechen, wird es für dieses schwer, abzulehnen.
Schröder auf den Spuren von Irving, George und Anthony
Kyrie Irving, Paul George und Carmelo Anthony sind die jüngsten Beispiele von Stars, die einen Trade forcierten (wenn auch nicht unbedingt öffentlich) und damit Erfolg hatten. Allerdings muss man auch festhalten, dass sie einen Star-Status hatten und haben, wie ihn Schröder noch längst nicht sein Eigen nennen kann.
Was Schröder mit diesen Spielern offenbar auch gemein hat, ist die Tatsache, dass ihnen ihr eigener Trade-Wert egal ist und die Franchise selbst damit klarkommen muss. Sollte es tatsächlich zu Verhandlungen kommen, hätten die Hawks durch Schröders Äußerungen schlechte Karten. Überhaupt ist das Image Schröders seit seiner temporären Verhaftung im Vorjahr wegen Körperverletzung angekratzt.
Bleibt die Frage: Wo passt der Point Guard eigentlich hin? Die Bucks brauchen eigentlich keinen balldominanten Spieler, dessen Stärke der Drive ist und der Schwächen beim Dreier und in der Defense hat - ein "umgekehrtes" Skill-Set wäre deutlich passender. Sollte Coach Budenholzer tatsächlich in der Bierstadt anheuern, würde das die Karten unter Umständen neu mischen, aber das steht noch in den Sternen.
Die Pacers brauchen pro Schröder auch noch mehr Argumente als das, dass Victor Oladipo "ein Freund" des Deutschen ist. Darren Collison hat als Starting Point Guard einen guten Job gemacht und überhaupt: Wieso sollte sich das Team, dass eine hervorragende Entwicklung zu nehmen scheint, großartig verändern?
Verliert Schröder seine Starter-Rolle?
Es kann also durchaus auch sein, dass sich Schröder mit seiner vermeintlichen Trade-Forderung selbst ein Bein stellt. Es gibt kein Top-Team, das akuten Bedarf auf der Eins hat und das Schröders Anforderungen erfüllt. Darüber, ob er seine Starter-Rolle dafür opfern würde, um bei einem besseren Team unterzukommen, hat er sich nicht geäußert. Dabei wäre dies ein nicht unwahrscheinlicher Nebeneffekt seiner Herangehensweise.
Sein Vertrag läuft übrigens bis 2021 - ohne Optionen darauf, vorzeitig Free Agent zu werden. Auch diese Tatsache würde die Hawks fast zwingen, tätig zu werden, falls Schröder es denn will: Ein unzufriedener Leistungsträger in einem jungen Rebuild-Team hat noch niemandem geholfen. Ein paar Neuaufbau-Puzzleteile in Form von rohem Talent und Picks wären wohl das Maximum, was rauszuholen ist. Auf Schröders Meinung, welcher Trade-Partner dabei denn der Beste sei, müssen sie dabei übrigens nicht hören.