Kein Team hat bisher in diesem Sommer für so viele Schlagzeilen wie die Los Angeles Lakers. Alles wurde zunächst im positiven Sinn von der Verpflichtung von LeBron James überstrahlt, die der LakeShow eigentlich automatisch einen Platz unter den Gewinnern der Offseason sicherte. Was danach dann folgte, rüttelte indes in den Augen vieler Zuschauer ein wenig an diesem Bild.
JaVale McGee wurde geholt, genau wie Rajon Rondo und Lance Stephenson - alles "interessante Charaktere", vorsichtig ausgedrückt. Da sich zudem mit LaVar Ball auch noch der König der Dampfplauderer in L.A. befindet und LeBron ohnehin überall, wohin er geht, ein Blitzlichtgewitter mitnimmt, ist den Lakers ein gewisser Status wohl sicher: Sie werden nicht das beste, aber das interessanteste Team der kommenden Saison sein. Ein Wanderzirkus, wenn man so will.
Gemessen an diesen "lauten" Verpflichtungen ging das Signing, das die Franchise am Freitag via Tweet und Pressemitteilung verkündete, beinahe unter: "Die Los Angeles Lakers haben Forward Isaac Bonga verpflichtet, wie General Manager Rob Pelinka heute bekanntgab", war dort zu lesen, ganz nüchtern. Dabei kam diese Meldung durchaus überraschend.
Isaac Bonga: Doch kein Draft-and-Stash
Die Lakers hatten sich kurz vor dem Draft-Abend vor rund zwei Wochen die Rechte an Bonga gesichert, indem sie einen Trade mit den Philadelphia 76ers einfädelten. Aufgrund der Cap-Regularien konnte der Trade allerdings erst am Freitag finalisiert werden, als das Moratorium ablief. Deswegen konnte auch dann erst der "offizielle" Kontakt und der Vertragsabschluss mit Bonga erfolgen.
Die Entscheidung war da allerdings aus Lakers-Sicht längst gefallen. Eigentlich hatte fast alle Welt erwartet, dass Bonga weiter in Europa "geparkt" würde, als klassisches Draft-and-Stash-Projekt - angesichts seines Alters (18) und seines noch durchaus rohen Spiels auch nachvollziehbar. Stattdessen statteten ihn die Lakers nun direkt mit einem Dreijahresvertrag aus, mit garantiertem Gehalt in den ersten beiden Jahren.
Und nicht nur das: Sie zahlten an Bongas bisherigen Klub, die Fraport Skyliners, eine Ausbildungsentschädigung von Medienberichten zufolge 650.000 Euro - und den Sixers zahlten sie Berichten zufolge sogar 1,5 Millionen Dollar für den Pick. Ursprünglich wollten sie erst die Eindrücke aus der Summer League abwarten, nun fiel die Entscheidung aber doch schon, bevor Bonga erstmals den Court in Las Vegas betreten konnte.
Erfolgreiches Vorspielen bei Magic Johnson
Natürlich ist das Investment in Bonga, der kommende Saison 1 Million Dollar verdienen wird, kein übermäßig großes für die Lakers, dass sie jedoch einem "Projekt" wie ihm einen der 15 Kaderplätze geben, statt hier einen weiteren Veteranen für einen etwaigen Playoff-Run zu verpflichten, ist durchaus bemerkenswert. Und es zeigt, wie wichtig es ihnen ist, dieses Talent selbst zu formen.
Der Grundstein dafür wurde schon lange vorm Draft gelegt, die Entscheidung LeBrons war da sogar noch weiter entfernt. Am 23. Mai hatte Bonga in El Segundo vorgespielt, in der Trainingshalle der Lakers, vor den Augen von Magic Johnson und eben Pelinka. Bei diesen Terminen geht es nicht nur darum, spielerische Fähigkeiten zu zeigen oder seine Athletik zu präsentieren, sondern auch seinen Charakter. Und dabei hat sein Gesamtpaket die Lakers offenbar absolut begeistert.
Lakers: Frühes Versprechen an Isaac Bonga
Wie sehr? Laut Lakers-Insider Eric Pincus (Bleacher Report) haben die Lakers Bonga und sein Management explizit darum gebeten, im Draft zu bleiben, er hätte ja durchaus noch die Möglichkeit gehabt, seinen Namen zurückzuziehen und es nächstes Jahr, mit mehr Erfahrung und mehr Reife, erneut zu versuchen.
"Sie haben mir sozusagen ein Versprechen gegeben, dass sie mich haben wollten", erklärte Bonga in Las Vegas selbst gegenüber Silver Screen and Roll. Dann tradeten sie hoch, um ihn auch wirklich zu bekommen. Bonga war ein Wunschspieler für die Lakers, das wird mehr und mehr deutlich.
Isaac Bonga: Noch lange nicht fertig
Das dürfte nicht etwa daran liegen, dass Magic als bester Point Guard der NBA-Geschichte sein Ebenbild in Bonga sehen würde - dieser ist ja genau wie Johnson 2,06 Meter groß. Die Parallelen zwischen beiden hören allerdings an dieser Stelle auf und die Lakers denken natürlich nicht, dass sie hier den nächsten Magic bekommen hätten. Der deutsche Teenager ist für sie aus anderer Hinsicht interessant.
Man sollte ihn dabei nicht als auch nur ansatzweise fertiges Produkt ansehen. Bongas Wurf ist wacklig, seine Turnover-Anfälligkeit offensichtlich, was seine ersten beiden Summer League-Spiele mit 11 Ballverlusten in nur 29 Minuten erneut verdeutlichten. Bisweilen agiert er sehr überhastet - man sieht ihm an, dass er 18 Jahre alt ist und noch nicht lange auf professionellem Niveau gespielt hat.
Moritz Wagner über Isaac Bonga: "Exzellenter Passer"
Gleichzeitig sieht man ihm aber auch einige andere Eigenschaften an, die viele Spieler auch im höheren Alter nicht mitbringen. Allen voran die körperlichen Maße: Playmaker dieser Größe und vor allem dieser Länge (2,13 m Spannweite!) sind auch in der NBA sehr ungewöhnlich, zumal dazu noch eine vielversprechende Kombination aus Spielgefühl, Dynamik und Athletik kommt.
Bonga weiß, wie er sich im Pick'n'Roll zu bewegen hat, seine Übersicht ist für sein Alter extrem weit. "Er ist ein exzellenter Passer für seine Größe", lobte beispielsweise auch Moritz Wagner nach dem ersten gemeinsamen Auftritt. Auch sein defensives Potenzial ist offenkundig, mit seiner Länge ist er an sich wie gemacht für die Switch-freudige Defense der heutigen NBA.
"Er will immer den offenen Pass spielen, und sobald er ein besser Shooter und Finisher ist, wird sich sein Spiel extrem öffnen", analysierte Lakers-Summer-League-Coach Miles Simon. "Er hat ein gutes Ballhandling und kann viele Positionen verteidigen. Mir hat es sehr gut gefallen, was ich bisher von ihm sehen konnte. Und dabei ist er erst einige Stunden bei uns."
Spielzeit in der G-League
Bonga ist zudem ein schneller Lerner - das zeigte schon der Unterschied zwischen Spiel 1 und Spiel 2 in der Summer League. Bei letzterem hatte er zwar immer noch Aktionen, in denen er wortwörtlich das Dribbling vergaß und damit Schrittfehler beging, es passte gegen die Bulls aber schon viel besser, zumal er "viel aggressiver" auftrat als zuvor gegen Philly, wie Simon feststellte.
Nun gehe es vor allem darum, eine gewisse Routine und Selbstvertrauen aufzubauen. Das sagte auch Bonga selbst: Er wolle versuchen, "mein Ding zu machen und mich zu verbessern", erklärte er nach dem Spiel gegen Philadelphia.
Die Lakers werden dabei geduldig mit Bonga sein. Von ihm wird nicht erwartet, dass er nächste Saison ein fester Teil der Rotation sein wird, diese ist aktuell auf den Guard-Positionen mit Ball, Rondo und Josh Hart ohnehin recht gut besetzt und auch James wird ja vermutlich wieder viele Minuten "de facto" auf der Eins spielen.
Bonga dürfte viel Zeit bei den South Bay Lakers in der G-League verbringen, um dort zu reifen und vor allem Spielpraxis zu sammeln. Letztendlich ist das der größte Mangel, den er aktuell mitbringt. In sehr kurzer Zeit ist er schon sehr weit gekommen, seine Entwicklung als Basketballer steht trotzdem noch ziemlich am Anfang.
Isaac Bonga: Anderer Zeitplan als die Lakers
Dass die Lakers diesen Weg ab sofort direkt begleiten wollen und Bonga nicht erst in Übersee reifen lassen, spricht jedoch Bände dafür, wieviel sie von ihm halten. Sie wollen ihn selbst formen und entscheiden, mit welchen Drills er an welchen Facetten seines Spiels arbeitet und was für ein Spieler er wird. Gewissermaßen ist Bonga von nun an Azubi bei der berühmtesten Basketball-Franchise der Welt.
Sein eigener Zeitplan ist dabei ein völlig anderer als der von LeBron, Rondo und Co. - und damit auch gesondert von den anderen Lakers zu sehen. Von Wagner erhofft sich L.A. schon in dieser Saison einen Impact, bei Bonga hingegen werden sie zufrieden sein, wenn er eine gute Entwicklung in der G-League hinlegt. Für die "echte" Rotation dürfte er als fester Bestandteil frühestens 2019/20 interessant sein, wobei er in der kommenden Saison sicherlich einige Minuten in der NBA sehen wird.
Andererseits ist Bonga in den letzten Jahren schon mehrfach dem eigenen Zeitplan entwischt. Auszuschließen ist es also nicht, dass auch der nächste Quantensprung früher erfolgt als erwartet. Druck hat er dabei vorerst nicht - sondern nahezu ideale Voraussetzungen, um den nächsten Schritt zu machen.