Ben Simmons (Philadelphia 76ers)
Ben Simmons ist da schon viel weiter; seit Sonntag ist der 24-Jährige dreimaliger All-Star (auch wenn er nicht am Spiel teilnehmen konnte) und wird von Vielen beständig in die Konversation um den besten Verteidiger der Liga gebracht. Tatsächlich ist Simmons bei gewissen Matchups mit seiner Kombination aus Länge, Physis und Geschwindigkeit mittlerweile die 1A-Option, obwohl sich das nicht immer in den Metriken der Sixers niederschlägt.
Die Baustelle findet sich nach wie vor auf der anderen Seite des Courts. Philly hat aufgrund der MVP-würdigen Saison von Joel Embiid bisher knapp vor Brooklyn die beste Bilanz im Osten, ihre Punkte-Differenz (+3,1, Platz 8) hält da allerdings nur bedingt mit, was vor allem an der mittelmäßigen Offense liegt (nur Platz 15). Was wiederum zu einem gewissen Anteil an Simmons liegt.
Die Problematik ist nicht neu: Der Australier ist ein überragender Transition-Spieler, im Halbfeld hat er jedoch aufgrund der Wurfprobleme seine Defizite. Simmons nimmt 20/21 die wenigsten Würfe seiner Karriere und strahlt weiterhin zu oft zu wenig Gefahr aus, auch wenn er sich in den letzten Wochen merklich gesteigert hat.
In den Minuten mit Embiid ist das kein Problem - Philly dominiert, wenn beide Stars auf dem Court stehen. Steht Simmons indes ohne den Kameruner auf dem Court, produzieren die Sixers über 100 Ballbesitze gerechnet im Halbfeld nur 85,3 Punkte. Zum Vergleich: Die schlechteste Halbfeld-Offensive der Liga gehört den Cleveland Cavaliers und selbst diese schaffen ein Offensiv-Rating von 87,6.
On/Off-Statistiken: Die Zahlen der Sixers mit und ohne Embiid und Simmons
Possessions | Net-Rating | |
Embiid/Simmons ON Court | 1592 | +15 |
Embiid ON, Simmons OFF Court | 481 | -2,6 |
Embiid OFF, Simmons ON Court | 605 | -11,9 |
Ein Problem dabei ist, dass die Sixers insbesondere in den Minuten ohne Embiid, aber auch mit ihm zu wenige Dreier loswerden, obwohl sie in beispielsweise Seth Curry, Tobias Harris oder Furkan Korkmaz durchaus fähige Schützen haben. Nur zwei Teams verfügen über eine niedrigere Dreierrate, was wohl vor allem daran liegt, dass es an dynamischer Creation auf dem Flügel fehlt.
Auf dem Papier liefert Simmons davon zwar einiges - die 20,4 Punkte, die er pro Spiel per Assist kreiert, reichen immerhin für Platz neun, etliche seiner Pässe führen zu Dreiern. Er ist jedoch nach wie vor kein echter Pick'n'Roll-Creator und ein solcher fehlt im System der Sixers; Shake Milton kann es ein bisschen, Harris und Curry auch, aber keiner von ihnen bringt die Dynamik und Kreativität mit, welche die besten Spieler dieser Disziplin mitbringen.
Ben Simmons: Der Pfeil zeigt nach oben
Simmons kompensierte seinen fehlenden Wurf zuletzt immerhin sehr viel besser. Im Februar hob er seinen Scoring-Schnitt auf 21 pro Spiel, suchte mehr denn je den Kontakt, verzeichnete mehr Drives und wurde häufiger als Screener in Bewegung eingesetzt - das sind alles gute Wege, um ihn auch neben Embiid zu einem gefährlicheren Spieler zu machen.
Das Problem dabei ist, dass er solche Phasen in der Vergangenheit schon öfter hatte, nur um dann wieder in Passivität zu versinken. Die Sixers brauchen aber eine dynamische Outside-Präsenz neben dem Inside-Maestro Embiid, um wirklich in der obersten Contender-Kaste anzukommen, weshalb die Gerüchte um einen Trade für Hometown Hero Kyle Lowry (siehe Seite 3) so interessant sind.
Es ist gut möglich, dass Simmons diesen Schritt machen wird - zuletzt wirkte er selbstbewusster und die Ansätze sind da. Er postet öfter auf, die Effektivität aus der Mitteldistanz wird besser, die Freiwurfrate war nie höher. Die Frage ist allerdings, ob sich Philly Geduld leisten möchte.
Jrue Holiday (Milwaukee Bucks)
Wir haben die schlechte Clutch-Bilanz der Clippers angesprochen: Das einzige Top-Team, das eine niedrigere Prozentzahl seiner engen Spiele gewonnen hat, ist Milwaukee. Die Bucks sind in dieser Spielzeit allerdings in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall: Sie experimentieren (endlich) mehr, sie priorisieren (endlich) nicht mehr die Regular Season und opfern etwa durch neue Defensiv-Prinzipien teilweise Siege, damit diese dann bis zu den Playoffs einstudiert sind.
Das ergibt alles Sinn. Bisher erleichtert es nur nicht unbedingt die Beantwortung der Frage, die Milwaukee seit dem Trade in der Offseason begleitet: Sind die Bucks nun wirklich besser - und vor allem gut genug, um endlich bis in die Finals vorzudringen? Fast alle Überlegungen dazu sind noch immer theoretischer Natur, zumal der wichtigste Neuzugang noch nicht alles zeigen konnte.
Jrue Holiday hat zehn Spiele verpasst, seit seinem Comeback nach Corona-Infektion kam er unter Minutenlimit von der Bank. Teilweise war zwar schon zu sehen, dass er Milwaukee durch seine defensive Vielseitigkeit und ein besseres Playmaking im Vergleich zu Eric Bledsoe eine neue Dimension gibt, aber seinen Stempel hat der 30-Jährige seinem neuen Team noch nicht aufgedrückt.
Holiday verzeichnet bei den Bucks die niedrigste Usage-Rate seit seinem Rookie-Jahr, auch bei den Punkten und Assists sind seine Werte auf dem tiefsten Niveau seit Jahren. Er macht Milwaukee zwar subtil in vielen Kategorien besser, aber die Bucks haben für ihn Assets wie für einen Superstar investiert. Ein solcher ist er bisher gemäß seiner (offensiven) Rolle nicht gewesen.
Jrue Holiday: Welche Version bekommen die Bucks?
Wobei das ja seit Jahren ein Holiday-Thema ist: Den einfachen Zahlen zufolge gehörte er fast nie in diese Kategorie, nicht aus Zufall wurde er nur ein einziges Mal All-Star. Die Punktedifferenz seiner Teams sprach nur stets dafür, dass er eigentlich weitaus besser ist, als die Counting Stats es ausdrückten. 2017/18 kam für eine magische Playoff-Serie mal alles zusammen, als Holiday heiß lief und keinen Geringeren als Damian Lillard über vier Spiele an die Wand spielte.
Es ist noch nicht abzusehen, ob diese Version Holidays sich in Milwaukee mal zeigen wird - und ob das überhaupt gewünscht ist. In Giannis Antetokounmpo und auch Khris Middleton stehen zwei legitime Stars im Kader, die weitaus mehr Plays in der Offensive nutzen als er. Middleton, nicht Holiday ist in dieser Saison der häufigste Pick'n'Roll-Playmaker in einer etwas veränderten Offense.
Auch hier: Es ergibt Sinn, dass die beiden etablierten Bucks-Stars ihr Spiel und ihre Rolle erweitern. Beide haben nach enttäuschenden Playoffs einiges zu beweisen und noch Luft nach oben. Holiday ist allerdings mit seinem eher durchschnittlichen Wurf offensiv nicht zwingend am besten genutzt, wenn er abseits des Balles agiert (auch wenn er ein sehr kluger Cutter ist). Gut möglich, dass er in der zweiten Saisonhälfte etwas mehr aktive Kontrolle über die Offense erhält.
Die Statistiken von Jrue Holiday in Milwaukee
Spiele | Minuten | Punkte | Usage% | Assist% | Net-Rating |
26 | 31 | 15,3 | 20,2 | 22,8 | +7,6 |