NBA - MVP-Ranking im Februar: Ein Schulterzucken, das alles sagt

Philipp Jakob
28. Februar 202210:35
Nikola Jokic und Joel Embiid sind aktuell die Topfavoriten auf den MVP-Award.getty
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Der Februar brachte vor allem eine Erkenntnis im MVP-Rennen: Die Top 3 ist unanfechtbar! Einer hat eigentlich keine Makel, ein anderer könnte das schaffen, was Shaquille O'Neal vor 22 Jahren zuletzt gelang - und der dritte zuckt bei all dem nur müde mit den Schultern. Das MVP-Ranking von SPOX.

Wie erwartet mussten wir uns in diesem Monat von einem Spieler aus dem MVP-Ranking verabschieden, der sich zu Saisonbeginn noch um die Spitzenposition gebalgt hatte. Seine Knieverletzung macht es Kevin Durant, der die vergangenen 19 Spiele verpasst hat, wohl unmöglich, in dieser Spielzeit nochmal in das MVP-Rennen einzugreifen. Dafür ist die Konkurrenz einfach zu weit enteilt.

Ein ähnliches Problem verfolgt auch Chris Paul, der in den vergangenen Monaten immer mal wieder mit einem Sprung in die Top 5 geliebäugelt hat, nun jedoch aller Voraussicht nach die restliche Regular Season vom Fernseher aus verfolgen muss. Eröffnen sich dadurch Möglichkeiten für Devin Booker, an der Top 5 anzuklopfen?

Bislang hat es für den Suns-Guard nicht gereicht, das kann sich in den letzten Saisonmonaten aber natürlich noch ändern. Das wollen auch der zuletzt aufstrebende Luka Doncic, der immer spektakuläre Ja Morant oder der bei den Heat tonangebende Jimmy Butler unter Beweis stellen. Für die Top 3 wird es aber für keinen von den genannten mehr reichen, die ist eigentlich schon jetzt kaum mehr anzufechten. Außer der einzige Februar-Neuling im SPOX-Ranking hört gar nicht mehr auf, Wilt-Rekorde zu brechen. Hier kommt unsere Top 5!

PLATZ 5: STEPHEN CURRY (Golden State Warriors)

  • Platzierung im Vormonat: 5
  • Teambilanz: 43-18, Platz 2 in der Western Conference
  • Stats 2021/22: 25,7 Punkte, 5,3 Rebounds und 6,5 Assists bei 42,8 Prozent aus dem Feld und 37,6 Prozent von Downtown (in 56 von 61 Spielen)

Wenn doch nur immer All-Star Game wäre ... Ist es aber nicht und so erwachte Stephen Curry nach dem Dreierregen in Cleveland recht unsanft aus seinen gülden glänzenden All-Star-MVP-Träumen. Zum Auftakt des Saisonendspurts gegen Portland fuhr Golden State zwar einen Blowout-Sieg ein, doch Curry netzte 14 Dreier weniger als im Spaß-Event am vorigen Wochenende. Immerhin 14 Assists, aber nur 2/7 Triples für 18 Punkte lautete die Ausbeute. Bei der anschließenden Pleite gegen die Mavs stand er bei 3/10 Dreiern.

Zwar hat der 33-Jährige seinen historischen Shooting-Slump aus dem Januar überwunden, das brandheiße Niveau vom Saisonstart sucht er aber weiterhin vergebens. Kurz vor der Reise nach Cleveland packte Curry immerhin eine 8/13-Dreier-Performance bei der Niederlage gegen die Clippers aus, doch davor (1/8 Dreier gegen LAL) und danach (1/7 Dreier gegen DEN) haderte er wieder mit seinem Wurf.

Seit Jahresbeginn steht der Splash Brother damit bei 23,0 Punkten im Schnitt (dazu gute 7,4 Assists) und einer für seine Verhältnisse überschaubaren True-Shooting-Percentage von 56,9 Prozent. Das sind natürlich gute, aber nicht unbedingt MVP-Zahlen. Dass Golden State vor der Pause auch noch vier von fünf Spiele abgab, half Currys Argumentationskette ebenfalls nicht.

Dabei sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass die Dubs Ende Januar und Anfang Februar auch eine Serie von neun Siegen am Stück hinlegten. Golden State nennt dadurch weiterhin die zweitbeste Bilanz der Association sein Eigen. Das in Verbindung mit Currys spektakulärem Saisonstart hält ihn weiterhin auf dem fünften Rang.

PLATZ 4: DEMAR DEROZAN (Chicago Bulls)

  • Platzierung im Vormonat: nicht gerankt
  • Teambilanz: 39-22, Platz 2 in der Eastern Conference
  • Stats 2021/22: 28,3 Punkte, 5,3 Rebounds und 5,1 Assists bei 51,7 Prozent aus dem Feld und 36,5 Prozent von Downtown (in 57 von 61 Spielen)

Eat. Sleep. Drop 35 points on 50 percent shooting. Repeat. So sah der Februar von DeMar DeRozan aus. Acht Spiele in Folge mit mindestens 35 Zählern und über 50 Prozent Trefferquote aus dem Feld schüttelte der 32-Jährige zuletzt aus dem Handgelenk, das schaffte noch nicht einmal Wilt Chamberlain! Gegen Memphis riss die Serie schließlich. Die Grizzlies hielten DeRozan bei "nur" 31 Zählern (10/29 FG).

Bei DeRozan stimmen auch alle Parameter abseits dieses Hot Streaks. Da ist der historische Aspekt seiner Leistungen: Er ist erst der achte Spieler in der Geschichte der NBA, der eine 28/5/5-Saison bei mindestens 60 Prozent True-Shooting auflegt. Da ist der Teamaspekt: Trotz Verletzungen von Zach LaVine, Lonzo Ball oder Alex Caruso hält er die Bulls im Rennen um die Spitzenposition im Osten.

Clutch-König DeRozan liefert auch dann ab, wenn es am wichtigsten ist. Keiner hat mehr Punkte im vierten Viertel erzielt als der Bulls-Star (468), pro Spiel gerechnet legen nur Giannis Antetokounmpo und Kyrie Irving knapp mehr Zähler auf (jeweils 8,8 zu 8,5). Mit seinem eiskalten Midrange-Game hat DeRozan den Bulls in entscheidenden Phasen schon einige Siege geschenkt.

Das umstrittene Offseason-Signing hat Chicago überraschend in die Ost-Elite geführt. Allein dafür gebührt DeRozan eine Menge Respekt. Und wer im Jahr 2022 auch noch einen Wilt-Rekord bricht, der muss fast automatisch im MVP-Ranking auftauchen. Um in die Top 3 vorzudringen, müssten allerdings noch ein paar mehr Bestmarken fallen.

PLATZ 3: GIANNIS ANTETOKOUNMPO (Milwaukee Bucks)

  • Platzierung im Vormonat: 2
  • Teambilanz: 36-25, Platz 5 in der Eastern Conference
  • Stats 2021/22: 29,4 Punkte, 11,3 Rebounds, 6,0 Assists und 1,4 Blocks bei 54,4 Prozent aus dem Feld und 30,4 Prozent von Downtown (in 50 von 61 Spielen)

Stand jetzt scheint ein Superstar-Trio die MVP-Trophäe 2022 unter sich auszumachen, aktuell ist die Top 3 im Rennen um den begehrten Award unanfechtbar. Das beginnt mit Giannis Antetokounmpo, der vielleicht den besten Basketball seiner Karriere spielt - und sich halt doch nur mit Platz 3 zufriedengeben muss.

Der Punkteschnitt des Griechen ist nur 0,1 Pünktchen "schlechter" als in dessen in dieser Kategorie bester Saison (29,5 PPG in 2019/20), ligaweit ist das in der laufenden Spielzeit der zweitbeste Wert. Dazu legt Giannis DPOY-würdige Defense, einen Karrierebestwert bei den Assists (6,0) oder beim Player Efficiency Rating auf (32,0 - in dieser Saison und aller Zeiten ist nur Nikola Jokic besser mit 32,3).

Will man bei Antetokounmpo das Haar in der Suppe suchen, könnte man die fehlende Dominanz der Bucks anmerken. Im Vergleich zu den Vorjahren wirkt der amtierende Champion menschlicher. Mit der aktuellen Teambilanz kann sich Giannis keinen entscheidenden Vorteil erspielen, tatsächlich liegt die Top 3 im MVP-Rennen in dieser Hinsicht relativ gleich auf.

Der aktuell fünfte Platz im Osten liegt nicht an Giannis, das ist klar. Doch es gibt in dieser Saison eben zwei Akteure, die aufs große Ganze gesehen noch einen Hauch besser waren. Das soll allerdings nichts von den überragenden Leistungen Antetokounmpos wegnehmen, sondern spricht vielmehr für ein extrem spannendes MVP-Rennen.

NBA: Der MVP-Tracker von basketball-reference.com

PlatzNameMVP-Chancen
1.Nikola Jokic (Nuggets)40,1 Prozent
2.Giannis Antetokounmpo (Bucks)22,2 Prozent
3.Joel Embiid (Sixers)12,5 Prozent
4.Chris Paul (Suns)8,4 Prozent
5.Stephen Curry (Warriors)3,6 Prozent

PLATZ 2: JOEL EMBIID (Philadelphia 76ers)

  • Platzierung im Vormonat: 3
  • Teambilanz: 37-23, Platz 3 in der Eastern Conference
  • Stats 2021/22: 29,8 Punkte, 11,1 Rebounds, 4,4 Assists und 1,5 Blocks bei 49,4 Prozent aus dem Feld und 36,7 Prozent von Downtown (in 48 von 60 Spielen)

Tatsächlich deutet sich eins der, wenn nicht sogar DAS engste MVP-Rennen der jüngeren Vergangenheit an. Zumindest, wenn man die Menschen außerhalb von Philadelphia fragt. Innerhalb der Stadtgrenzen scheint dagegen fast klar zu sein, dass der Award nur über Joel Embiid geht.

Die Argumente für den 27-Jährigen sind simpel. Seit Shaquille O'Neal im Jahr 2000 hat sich kein Center mehr die Scoring-Krone geschnappt, Embiid hält aktuell Rang eins. Er verankert als einer der besten Defensiv-Center eine Top-10-Verteidigung, dominiert Abend für Abend die Zonen der NBA - zwischenzeitlich 23 Spiele in Folge mit mindestens 25 Zählern und insgesamt neun Spiele mit 40+ Punkten - und trug die Sixers, während der zweitbeste Spieler des Teams streikte.

Selbst die Mehrheit der ESPN-Journalisten sah den Kameruner in einer informellen Umfrage kurz vor dem All-Star-Wochenende an der Spitze des MVP-Rennens, wenn auch nur hauchdünn mit 45 zu 43 First-Place-Votes und insgesamt 789 zu 754 Punkten vor Nikola Jokic. Keine Frage, Embiid wäre ein verdienter Titelträger, dennoch behält Jokic im SPOX-Ranking die Nase vorn.

Warum? Zum einen kann der Joker über das Argument, Embiid habe sein Team im Alleingang getragen, nur müde lächeln. Zudem begann Embiids irre Dominanz so richtig erst Anfang Dezember. Zuvor hatte er einen Großteil des Saisonstarts aufgrund einer Corona-Infektion verpasst, Jokic stand in deutlich mehr Partien auf dem Parkett. Auch das spielt in einem so engen Rennen eine Rolle.

Während sich ganz Philly den 11. März und die potenzielle Rückkehr von Ben Simmons mit den Nets in die Stadt der brüderlichen Liebe rot im Kalender eingekreist hat, sollte auch der 15. März nicht unter den Tisch fallen. Dann kommt es in Philadelphia zum Duell zwischen Embiid und Jokic, kann einer der beiden dann eine MVP-Duftmarke setzen? Spannend wird zudem sein, wie sich die Ankunft von James Harden bei den Sixers auswirkt. Womöglich könnte er Embiid etwas das Scheinwerferlicht klauen.

PLATZ 1: NIKOLA JOKIC (Denver Nuggets)

  • Platzierung im Vormonat: 1
  • Teambilanz: 36-25, Platz 6 in der Western Conference
  • Stats 2021/22: 25,5 Punkte, 13,8 Rebounds, 8,0 Assists und 1,4 Steals bei 56,7 Prozent aus dem Feld und 36,4 Prozent von Downtown (in 55 von 61 Spielen)

Als Nikola Jokic Ende Januar die Pelicans mit einem Triple-Double bestehend aus 29 Punkten, 13 Rebounds und 10 Assists in 30 Minuten Einsatzzeit in ihre Einzelteile zerlegte, erntete er vor allem: Schulterzucken. "Einfach der MVP, der MVP-Dinge macht", kommentierte Aaron Gordon den Auftritt seines Teamkollegen, als wenn es nichts Besonderes wäre.

Ist es in gewisser Weise auch nicht, denn der amtierende Würdenträger legt knapp 26/14/8 über die Saison auf. Triple-Doubles hat er bereits 16 angesammelt, natürlich die meisten in der Association. Er legt also quasi in jedem vierten Spiel eins auf. Doch nur, weil Jokic diese Stats als normal erscheinen lässt, sollten wir sie nicht als normal akzeptieren.

Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass der mittlerweile 27-Jährige noch effizientere (65,1 Prozent True Shooting, ein besserer Wert als zum Beispiel die 61,3 Prozent von Embiid), teils noch bessere Zahlen als in der Vorsaison auflegt. Die historisch starken Advanced Stats müssten langsam bekannt sein, es wird fast schon langweilig aufzuzählen, welche Kategorien Jokic alle anführt.

Vor kurzem ist eine weitere hinzugekommen, als ESPN das erste Real Plus-Minus-Update der Saison veröffentlichte. An der Spitze? Natürlich Jokic (11,34 RPM) mit deutlichem Vorsprung vor Curry (9,88) und Embiid (9,58). So hält er Denver auch ohne Jamal Murray und Michael Porter Jr. im Playoff-Rennen, die Nuggets sind nur 1,5 Spiele schlechter als Philadelphia und haben sogar eine leicht bessere Punktedifferenz (+2,9 zu +2,3).

Das Triell mit Embiid und Giannis um die MVP-Krone wird in den kommenden Wochen noch richtig eng, Jokic hat Stand jetzt aber gute Aussichten auf den Repeat. Dass der Serbe in der angesprochenen ESPN-Umfrage auf fünf von 100 Wahlzetteln gar nicht auftauchte, grenzt da eigentlich schon an einen Skandal.