NBA Opening Night - Eine Beobachtung zu den Warriors, Lakers, Celtics und Sixers: Leben und Sterben mit James Harden

Robert Arndt
19. Oktober 202210:07
SPOXgetty
Werbung

Die erste Nacht der Regular Season ist absolviert, die Golden State Warriors und Boston Celtics haben ihre ersten Siege gefeiert und in Philadelphia und Los Angeles ist es Zeit, den Panikknopf zu betätigen. Oder nicht? Vier Takeaways zur Opening Night!

Boston Celtics: Tatum und Brown? Immer noch gut

Bevor wir starten: Jayson Tatum und Jaylen Brown sind verdammt gut. Tatum hatte mit P.J. Tucker keinerlei Probleme und bekam jeden Wurf, den er wollte. Gleiches galt für Brown, gegen den Tobias Harris nichts entgegenzusetzen hatte. Tatum übernahm in Viertel Nummer drei mit 17 Punkten, Brown stellte den Sieg im Schlussabschnitt sicher, als sich Philadelphia anschickte, noch einmal ein Comeback zu starten. Ob man nun so weit wie Paul Pierce auf Twitter gehen möchte, sei jedem selbst überlassen.

Boston Celtics: Die ultimative Feuerprobe für die Bigs

Wenn es Zweifel vor der Saison an der Celtics-Rotation gab, dann die, dass ohne den verletzten Robert Williams III (Knie-OP) der Frontcourt etwas dünn besetzt ist. Und das schien sich auch zu bestätigen, als sich Al Horford und Backup Noah Vonleh innerhalb weniger Minuten zwei Fouls abholten. So gab es Minuten für Blake Griffin und Situationen, in denen sich Grant Williams um Joel Embiid kümmern musste.

Anfangs war es holprig, doch im Laufe des Spiels lösten die Celtics die Probleme. Embiid wurde meist aggressiv gedoppelt, aus dem Pick'n'Roll war oft schnell Hilfe da, um den Sixers-Center von der Weakside zu überraschen. Interessant dabei: Horford übernahm Eins-zu-Eins die Williams-Rolle und wurde zunächst in den Ecken geparkt (meist bei Tucker), um dann blitzschnell zur Hilfe am Ring zu kommen. Für seine 36 Jahre setzte Horford dies exzellent um.

Die große Überraschung war dennoch Vonleh, der im vergangenen Jahr nicht einmal einen Platz in der NBA hatte und stattdessen in China sein Geld verdiente. Sein letztes NBA-Spiel hatte der Nr-9-Pick von 2014 am 18 Februar 2021 für die Brooklyn Nets absolviert. Die Stats sehen mit 2 Punkten, 2 Rebounds, 4 Fouls und 1 Steal in 20 Minuten (zuletzt spielte er 12/2019 so lange) nicht besonders aus, doch Vonlehs Präsenz war spürbar und Embiid kam fast nie zu leichten Punkten.

Vonleh hatte meist eine gute Position und boxte klug aus. Nach drei Offensiv-Rebounds der Sixers in den ersten drei Minuten kam für den Rest des Spiels nur noch ein einziger hinzu. Nicht selbstverständlich, vor allem weil Boston durch das Switch-lastige System eigentlich anfällig für solche Dinge ist.

Lobend erwähnen muss man aber auch noch einmal Grant Williams, der ebenfalls alles gab, um seine Größennachteile zu kaschieren. Offensiv machte er das sowieso wett. 15 Punkte, alle fünf Würfe fielen, drei davon von Downtown.

Joel Embiid leistete sich gegen die Boston Celtics 6 Turnover.getty

Philadelphia 76ers: James Harden ist zurück - mit allen Vor- und Nachteilen

Sprechen wir zunächst einmal über das Positive bei den Sixers. James Harden sah tatsächlich wieder wie James Harden aus und spielte mit Ausnahme seiner peinlich gescheiterten Shimmy-Aktion eine richtig gute erste Halbzeit. Der Stepback-Dreier fiel so gut wie lange nicht, gleichzeitig zog er mit diesem Move gleich dreimal ein Shooting Foul.

Aber es war nicht nur der Dreier. Harden wirkte explosiv und schlug seine Gegenspieler mit einem überraschend schnellen ersten Schritt. Hier nur mal ein Beispiel: Grant Williams ist ein durchaus solider Verteidiger nach dem Switch, doch Harden lässt es in dieser Szene einfach aussehen. So haben wir Harden schon länger nicht mehr gesehen, erst recht nicht im Jersey der Philadelphia 76ers.

35 Punkte waren ein Bestwert für den achtfachen All-Star für die Sixers, auch wenn gerade im vierten Viertel nicht mehr viel kam. Stattdessen war es Tyrese Maxey, der im Zusammenspiel mit Embiid ein wenig glänzen konnte. Maxey und Harden harmonierten dagegen kaum. Gerade Maxey sah in Halbzeit eins selten den Ball, gleichzeitig drückte der Guard auch liebend gern ab, sobald er diesen in den Händen hielt.

Hier gibt es noch Luft nach oben, aber es war auch auffällig, dass Coach Doc Rivers die Minuten seiner Starter mehr staffelte. Es stand stets Harden oder Maxey auf dem Feld, es gab nicht die berüchtigten Rivers-All-Bench-Lineups, die sich häufig als Rohrkrepierer entpuppten. Auf der anderen Seite bleibt so aber ein anderes Problem: Transition-Defense.

Hier verloren die Sixers das Spiel, das musste auch Harden nach der Partie zugeben. 24:2 zugunsten der Celtics bei den Fastbreak-Punkten sind eigentlich nicht zu entschuldigen. Gerade Harden sah in diesen Situationen gelinde gesagt nicht immer gut aus. Allerdings hätte das vermutlich im Vorjahr noch etwas anders ausgesehen, denn ...

NBA: Das "Euro Foul" ist Geschichte

Wir gratulieren Jaylen Brown zum ersten Take-Foul der Saison (es dauerte gerade einmal sechs Minuten), welches einen technischen Freiwurf nach sich zieht. Zur Erinnerung: Wenn ein Fastbreak mit einem Foul unterbunden wird, wo keine klare Aktion zum Ball zu erkennen ist, wird dies seit dieser Saison mit einem Freiwurf sowie einem Ballbesitz für das gegnerische Team sanktioniert.

Los Angeles Lakers: Das Shooting-Problem ist nicht nur Westbrook

In der Preseason stellten die Lakers die schlechteste Offense der Liga (O-Rating: 93,9), was grundsätzlich nichts heißen muss, aber der Trend setzte sich in der Bay Area fort (96,4 laut Cleaning the Glass). Klar, die Warriors haben eine der besten Verteidigungen der NBA, aber wer so wenig Shooting auf dem Feld hat, macht es sich selbst schwer. Da hilft es auch nicht, dass Anthony Davis den Center gab, der zwar im Vorjahr unterirdisch von außen warf, in der Theorie aber ein solider Schütze ist.

Mehr als solide ist aber keiner der Rotationsspieler der Lakers - mit einer Ausnahme. Matt Ryan (nicht der QB, der aber gut in die Altersstruktur gepasst hätte ...) hatte vor der Saison ein Spiel mit den Celtics gemacht, nun werden bei den Lakers Plays in der Auszeit für ihn angesagt, weil es keine besseren Alternativen von Downtown gibt. Der Mann spielt mit einem nicht-garantierten Vertrag und hat auf der offiziellen NBA-Seite nicht einmal ein Profilbild!

So werden wir häufiger Spiele sehen, in denen die Lakers Dreierquoten von 25 Prozent auflegen. "Wir müssen uns zusammenreißen und endlich unsere Würfe treffen", forderte auch Coach Darvin Ham. Darüber hinaus war deutlich sichtbar, dass die Automatismen noch nicht da waren. Einerseits wurde dies durch die Turnover, andererseits aber auch durch die Statik im Spiel deutlich. Erhielt Davis im Post den Ball, passierte kaum noch etwas, auch so wird es schwierig, hochprozentige Würfe zu generieren (und vielleicht auch mal zu treffen).

Der Finger wird hier sicherlich in Richtung Russell Westbrook gehen, erst recht, wenn solche Versuche wieder viral gehen. Der 33-Jährige ist natürlich ein Teil des Problems, weil er am Perimeter nicht respektiert wird, gleichzeitig ist er nicht der einzige Spieler, der in dieser Disziplin gerne einmal zögert (Juan Toscano-Anderson, Lonnie Walker und Co. dürfen sich angesprochen fühlen). Wenn LeBron sitzt, hat Westbrook seinen Wert, ein Starspieler ist er nicht mehr.

Aber nicht nur Westbrook wurde offen stehengelassen. Die Warriors hatten kein Problem damit, Davis oder LeBron James zu doppeln und die Räume dicht zu machen, andere Teams werden das auch gesehen haben. So wird es nicht funktionieren. L.A. braucht mehr Tempo, mehr Stopps in der Defense, wenn sie Erfolg haben wollen. Gegen die Warriors war das nur in Ansätzen erkennbar. Ein Westbrook-Trade würde vermutlich helfen, all die Probleme, die sich zum Auftakt zeigten, würde dieser aber auch nicht lösen.

Los Angeles Lakers: Das Shooting um Davis und LeBron

Namevs. GSWKarriere
Lonnie Walker0/334,3 Prozent
Russell Westbrook1/330,5 Prozent
Patrick Beverley1/537,8 Prozent
Austin Reaves0/231,7 Prozent
Kendrick Nunn3/636,4 Prozent
Juan Toscano-Anderson0/336,1 Prozent
Matt Ryan1/3nur 1 NBA-Spiel (20%)

Golden State Warriors: Es wird wieder simpler

Sind wir ehrlich, in Sachen Starting Five gibt es bei den Warriors eigentlich keine Fragezeichen. Das schöne Spiel war auch zum Auftakt wieder sichtbar, die ständige Bewegung der Spieler sucht in der NBA seinesgleichen, natürlich allen voran Stephen Curry, der wieder so einige leichte Leger bekam. Es gab das berüchtigte dritte Viertel (32:19) und auch die fast schon obligatorische Curry-Lawine, diesmal erst spät im Schlussabschnitt.

Deswegen richtet sich unser Blick Richtung Second Unit, welche Warriors-untypisch über einige Minuten so auch zusammenspielte. Dabei war vor allem die Rolle von James Wiseman auffällig, der die komplette vergangene Saison mit einer Meniskusverletzung verpasste. Der ehemalige Nr.2-Pick gibt den Dubs ein Element, welches sie letztmals mit JaVale McGee hatten - nämlich einen explosiven Roll Man, der auch im fünften Stock alles verwerten kann. Davon war in Wisemans Rookie-Saison noch sehr wenig zu sehen.

Es war schon in der Preseason zu erkennen, dass die Warriors das Spiel für den Center simpler gestalten. Ganz untypisch liefen Jordan Poole oder auch Neuzugang Donte DiVincenzo ein Pick'n'Roll nach dem anderen mit dem 21-Jährigen, der hin und wieder andeuten konnte, dass dies mit ein paar Wiederholungen dauerhaft eine Waffe werden könnte.

In seinen 16 Minuten, in denen Wiseman auf 8 Punkte und 7 Rebounds kam, lief natürlich nicht alles perfekt. Hin und wieder war er nicht entschlossen genug, nachdem er den Ball erhielt, defensiv stand Wiseman ebenfalls nicht immer richtig. Der Stint zu Beginn des vierten Viertels war zudem nicht das Gelbe von Ei, dennoch sind dies alles Dinge, die mit mehr Erfahrung besser werden können.

Das gilt grundsätzlich für den neuen zweiten Anzug, der sich über die Saison einspielen wird. Head Coach Steve Kerr glaubt zumindest daran und zog Parallelen zu 2014/15, als "Strength in Numbers" zum Motto wurde. Diesmal bestand seine Rotation aus elf Spielern und da fehlte noch der geschonte Andre Iguodala. Bei all dem Drama um Poole und Draymond Green, die Bankspieler der Dubs sind die Storyline der Saison und könnten einen Einblick geben, wie gut gerüstet die Warriors für die Zeit sind, wenn Curry, Thompson und Co. nicht mehr die Sneaker schnüren.