"Al Hilal, ihr könnt mich nehmen. Ich sehe aus wie Kylian Mbappe." Das war die Reaktion von Bucks-Superstar Giannis Antetokounmpo auf die angeblichen 700 Millionen Euro für ein Jahr, mit denen Saudi-Arabien versuchen soll, den Franzosen Mbappe in die landeseigene Pro League zu locken.
Sicherlich: Antetokounmpos Post war mit einem Augenzwinkern versehen, aber der saudi-arabische Staatsfond PiF investiert aktuell massiv in den Sport. Teils kauft er sich, wie im Golf, mehr oder weniger ganze Sportarten. Das stößt aus verschiedenen Gründen nicht nur auf Gegenliebe, Stichwort: Sportswashing, Stichwort: Menschenrechte.
Dass die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien im Allgemeinen oder Dinge wie die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im Speziellen bei einigen Sportfunktionären keine Skrupel auslöst, überrascht nur wenig.
Dass sich aber nun auch NBA-Commissioner Adam Silver - als verlängerter Arm der Team-Eigentümer - zu jenen gesellt, die keine Probleme zu haben scheinen, mit Alimentierung aus Saudi-Arabien oder anderen Ländern der Golfregion, das überrascht dann doch. Gilt doch die Basketball-Liga als die liberalste und "wokeste" der Major Leagues in den USA. In der "Dan Patrick Show" legte Silver zuletzt einen rhetorischen Drahtseilakt der Spitzenklasse hin, als er auf das Engagement Saudi-Arabiens im Sport angesprochen wurde.
NBA: Fehlen bald Abnehmer für die Teams?
Dabei wirkte es beinahe so, als ob der 61-Jährige Werbung für die Möglichkeit eines Einstiegs der Saudis machte, während er gleichzeitig versuchte, die amerikanische Öffentlichkeit zu beruhigen. Es sei ein zweischneidiges Schwert, neben der Kritik des Sportwashings müsse man auch die Vorteile sehen, wie erhöhte Aufmerksamkeit und ein stärkeres Miteinander durch den Wettkampf. Auf die Frage, ob der Public Investment Funds (PIF) plane, sich in die NBA einzukaufen, antwortete Silver, er wisse nichts.
Die Regeln ließen sowieso nur zu, dass Franchises durch einzelne Personen gekauft würden - man erlaube Fonds lediglich in Klubs zu investieren, Kontrolle oder Einfluss dürfe nicht damit einhergehen. Aus Sicht des 61-Jährigen ist die Vorsicht durchaus angebracht. Schließlich erntete der Chef des Golf-Verbandes PGA, Jay Monahan, erst vor kurzem einen echten Shitstorm, nachdem er überraschend eine Partnerschaft seiner Tour mit dem Konkurrenzprodukt der Saudis, LIV Golf, bekannt gegeben hatte.
Diese hatte zuvor mit hochdotierten Angeboten einige der besten Golfer der Welt von der PGA abgeworben und für eine Spaltung des besonders in den USA beliebten Sports gesorgt. Monahan hat dies immer wieder scharf kritisiert und dabei sogar auf die Rolle des Königreichs bei den Anschlägen vom 11. September 2001 verwiesen, bevor er Anfang Juni die Einigung bekannt gab. Ein solches PR-Desaster würde die NBA gerne vermeiden, allerdings würde man das Geld, das durch den PIF in die Kassen der besten Basketball-Liga der Welt und ihrer Eigentümer käme, wohl schon gerne nehmen. So scheint es jedenfalls.
Schließlich verkleinert sich der Kreis potenzieller Käufer in den USA immer mehr, denn nicht jeder kann, wie der Unternehmer Mat Ishbia im vergangenen Jahr es für die Phoenix Suns tat, Mehrheitsanteile an einem Team erwerben, wenn die Bewertung bei astronomischen vier Milliarden Dollar liegt.
Fehlen allerdings die Abnehmer für die Teams, kann sich das langfristig nur negativ auf den Wert der einzelnen Teams auswirken. Ein Szenario, das die Beteiligten auf jeden Fall vermeiden wollen, wie etwa im Fall der Portland Trail Blazers, die seit dem Tod von Eigentümer Paul Allen nur noch treuhänderisch verwaltet werden und um die sich immer wieder Verkaufsgerüchte ranken.
NBA: Die ersten Golf-Staaten sind schon eingestiegen
Also her mit den Öl-Milliarden aus dem Nahen Osten? Seit dem vergangenen Jahr trägt die NBA auch Vorbereitungsspiele in Abu Dhabi aus. Im Oktober 2023 werden die Dallas Mavericks und Minnesota Timberwolves dort zwei Partien bestreiten. Mit dem katarischen Staatsfond steht zudem bereits ein großer Player aus der Golf-Region in den Startlöchern. Laut AP planen die Kataris, sich mit 4,05 Milliarden Dollar in die Muttergesellschaft der Washington Wizards einzukaufen, die zudem an den Washington Mystics in der WNBA und den Washington Capitals (NHL) beteiligt ist.
Ein Vorgang, dem die NBA im November 2022 die Tür geöffnet hatte, indem sie eine Übernahme von Minderheitsanteilen durch ausländische Staatsfonds unter Auflagen erlaubte. Zu den Vorschriften der Änderung gehört, dass den Investoren Mitbestimmung oder Kontrolle über das Team verboten ist, was Silver in seinem Interview betonte. Einfluss auf einzelne Franchises, die Liga als Ganzes und Sportswashing ganz generell scheint der Riegel vorgeschoben zu sein, oder?
Eher nicht. Denn man muss nicht sonderlich weit in die Vergangenheit zurückgehen, um ein Beispiel dafür zu finden, dass die NBA nach den Wünschen eines Geldgebers handelt, auch ohne, dass dieser im Vorstand oder Aufsichtsrat eines Vereins vertreten ist.
NBA: Der Hongkong-Skandal ist exemplarisch
Als Daryl Morey - damals noch General Manager der Houston Rockets - 2019 über Twitter seine Solidarität mit der Demokratie-Bewegung in Hongkong ausdrückte, sorgte das in China für einen Aufschrei. Mehrere chinesische Liga-Partner drückten ihren Unmut aus. Das Medien-Unternehmen Tencent, mit einem Streaming-Rechte-Deal über fünf Jahre und 1,5 Milliarden Dollar, weigerte sich sogar, Houstons Spiele zu zeigen.
Das Problem wurde so groß, dass Morey seinen Tweet löschen und sich öffentlich bei der Volksrepublik entschuldigen musste, während Rockets-Eigentümer Tilman Fertitta erklärte, dass sein General Manager nicht für das Team spreche. Sogar absolute Superstars wie LeBron James, eigentlich ein Vorbild bei sozialen und politischen Themen, stellten sich gegen Moreys Tweet. Zwar befand der heute 38-Jährige sich mit seinen Los Angeles Lakers zu diesem Zeitpunkt für Vorbereitungsspiele in China, doch wurden schnell Vorwürfe laut, wonach der Forward seine persönlichen, wirtschaftlichen Interessen im Sinn hatte.
All das, obwohl die chinesische Seite nicht an einer Franchise beteiligt ist, beziehungsweise war. Da die NBA allerdings ein Unternehmen ist, das nach Möglichkeit seinen Gewinn maximieren möchte, konnte und wollte man einen wichtigen Geldgeber nicht vergraulen. Daher wäre es Augenwischerei, davon auszugehen, dass Katar trotz seiner Investition in die NBA ohne Einfluss bleiben würde. Aber wieso sollten arabische Staaten überhaupt in die NBA investieren wollen?
NBA: Warum es für die Saudis lukrativ ist
Die Antwort ist einfach: Es gibt eine ganze Menge Geld zu verdienen, denn durch den Kollektivvertrag und den Salary Cap halten sich die Kosten in Grenzen - dazu kommt das Transfersystem, das auf Trades und nicht auf Ablösesummen basiert.
Das macht die Liga besonders für Saudi-Arabien attraktiv, das versucht, seine Wirtschaft breiter aufzustellen, um nicht mehr allein von Öl- und Gas-Exporten abhängig zu sein. Der Staatsfond verfügt über knapp 620 Milliarden Dollar, von denen etwa 300 Millionen Dollar in die Übernahme von Newcastle United, zwei Milliarden Dollar in LIV Golf und weitere 7,5 Milliarden Dollar in E-Sports flossen.
Rechnet man das Geld dazu, mit dem die staatseigenen Fußball-Klubs Al-Ittihad, Al-Nassr, Al-Ahli und Al-Hilal aktuell Spieler aus Europa in die saudische Pro League locken, landet man bei Investitionen von circa zwei Prozent des Kapitals des PIF in Sport-Bereiche. Ein vergleichsweise geringer Teil, denn allein an dem Start-Up-Fond Vision ist Saudi-Arabien mit 45 Milliarden Dollar beteiligt. Eine Anlage, die deutlich rentabler sein dürfte, als das Geld, das in LIV Golf, Newcastle United oder die Pro League gesteckt wurde. Denn angesichts der bisher gezahlten Summen dürften sich diese Investments bestenfalls geringfügig lohnen.
Anders ist das im US-Sport, wo etwa die NBA für die Saison 2021/22 laut Schätzungen des Dienstes Statista 10 Milliarden Dollar einnahm und damit den Umsatz der Premier League - bekanntlich die finanzstärkste Fußball-Liga der Welt - im gleichen Zeitraum um knapp drei Milliarden Dollar übertraf. Unfassbare Zahlen, die in Zukunft noch größer werden dürften. Die NBA soll laut "CNBC" planen, ihre Übertragungsrechte 2025 nach Auslaufen der gegenwärtigen Vereinbarungen für 75 Milliarden Dollar zu verkaufen - je nach Laufzeit des neuen Vertrages beinahe eine Verdreifachung der Einnahmen, die momentan erzielt werden.
NBA: Gefangen zwischen Image und Rendite
Selbst wenn diese ehrgeizigen Ziele nicht erreicht werden: der Tenor unter amerikanischen Experten ist, dass es mindestens zu einer Verdoppelung kommen wird, womit sich auch die Gewinne der Teams drastisch steigern dürften. Nicht nur für den saudischen Staatsfond eine lukrative Gelegenheit, um nach dem Vorbild der Kataris sein Portfolio zu erweitern und zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen - Rendite und Sportswashing. Die NBA riskiert hingegen ihren Ruf als politisch- und sozial-bewusste, ja sogar aktivistische Liga, den sie nicht zuletzt durch ihre Positionierung während der George-Floyd-Proteste im Mai und Juni 2020 kultiviert hat.
Damals sprach Commissioner Silver noch von seiner Empörung über die Vorgänge und den alltäglichen Rassismus, dem Schwarze in den USA ausgesetzt sind. Das war zwar auch dem Umstand geschuldet, dass die NBA sich gezwungen sah, im Sinne ihrer größtenteils schwarzen Spieler zu handeln. Allerdings passte Silvers Botschaft auch ganz hervorragend ins Marketing-Konzept der Liga, die versucht, bei einem eher weltoffenen Publikum zu landen.
Hingegen vermeidet der NBA-Commissioner bisher ähnlich klare Worte beim Thema Saudi-Arabien, wobei man ihm durchaus Absicht unterstellen darf.
Schließlich könnte eine zu deutliche Positionierung zukünftige Milliarden-Geschäfte in Gefahr bringen - und Geld stinkt bekanntlich nicht.