Nach dem Titel ist die Zeit für für Entscheidungen gekommen: Wie sollen die Dallas Mavericks in der nächsten Saison aussehen? Auf jeder Position gibt es Fragezeichen, dafür sind neue Top-Stars im Gespräch. Erst wenn die zähen Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag zwischen der NBA und der Spielergewerkschaft zu einer Einigung führen, wird klar, wie viele Millionen Dollar Dallas ausgeben darf, um mit seinen Free Agents zu verlängern. Dennoch lohnt ein näherer Blick: die Kader-Analyse.
Die Center: Was passiert mit Tyson Chandler?
Unter Vertrag: Brendan Haywood (31, bis 2015), Ian Mahinmi (24, bis 2012)
Free Agents: Tyson Chandler (28)
Sollten die Mavericks ihrem wichtigsten Spieler nachträglich ein Geschenk zum 33. Geburtstag machen wollen - Dirk Nowitzki hätte einen Wunsch. Kostspielig zwar, aber sportlich umso wertvoller: "Es ist offensichtlich: Wir drücken alle die Daumen, dass der Deal mit Tyson Chandler klappt und er lange bei uns bleibt", sagt der Finals-MVP. "Ich habe noch nie mit einem Center gespielt, der so athletisch und schnell ist und so viel Energie zeigt. Er hat den Unterschied zu den letzten Jahren gemacht."
Nur: Dallas und Nowitzki müssen sich mit dem Szenario befassen, dass Chandler den Klub als Free Agent verlässt. Der 28-Jährige war mit seiner Defense und Toughness neben Nowitzki der womöglich wichtigste Baustein für den Titel - und wird entsprechend umworben.
Chandler selbst mag sich nicht zu Dallas bekennen. Direkt nach der Meisterschaft sagte er noch: "Solange wir zusammenbleiben und uns nicht verletzen, ist auch nächstes Jahr alles möglich. The Sky is the limit." Mittlerweile klingt er jedoch so: "Ich überlasse das Thema meinem Agenten und dem Mavs-Management. Ich versuche, mich damit nicht zu sehr zu befassen, weil es sonst persönlich wird."
Die Personalie Chandler ist die diffizilste im Sommer. Was darf ein Spieler kosten, der bei der Championship-Feier als "der beste Center der Mavs-Geschichte" angekündigt wurde? In der abgelaufenen Saison verdiente Chandler 12,6 Millionen Euro - und entsprechend seinem gestiegenen Marktwert wird er vermutlich ein höheres Gehalt erwarten. Inwiefern Dallas dies zu zahlen bereit und in der Lage ist, hängt von den Tarifverhandlungen um ein Collective Bargaining Agreement (CBA) zwischen der NBA und der Spielergewerkschaft ab.
Mavs-Besitzer im Fokus: "Mark Cuban ist schlecht für den Basketball"
Nach dem bestehenden CBA könnte Dallas dank der sogenannten "Larry-Bird-Exception" mit Chandler zu einem höheren Gehalt verlängern, obwohl die Payroll der Mavs - selbst wenn alle Free Agents abgerechnet sind - über dem Salary Cap liegt. Es wird jedoch vermutet, dass zukünftig Ausnahmeregelungen wie die "Larry-Bird-Exception" abgeschafft oder zumindest beschnitten werden.
Welche Folgen ein neuer CBA für Dallas und die Bemühungen um Chandler haben könnte: Niemand weiß es. "Ich versuche, aus den Verhandlungen so lange mich herauszuhalten, bis es nicht mehr geht. Erst in letzter Minute werde ich mich mit meinem Agenten zusammensetzen und entscheiden", kündigt Chandler an.
Sein Weggang wäre umso bitterer, weil sich Brendan Haywood in den Playoffs mit der anfangs unliebsamen Backup-Rolle angefreundet hat und willens ist, auch in der kommenden Saison gemeinsam mit Chandler das beste Center-Duo der NBA zu bilden: "Mit Ty in einem Team zu stehen ist großartig, weil wir uns jeden Tag gegenseitig pushen. Ich würde es nicht gut finden, wenn er geht. Wir sind eine Mannschaft und niemand kümmert sich darum, wer die Meriten sammelt, solange wir gewinnen."
Aber welche Alternativen gibt es, sollte Chandler Dallas doch verlassen? Offensiv mag es zwar talentiertere Center geben, doch defensiv setzte Chandler Maßstäbe - und spielte fast auf dem Niveau eines Dwight Howard. Jener Howard, mit dem sich Dallas nach Informationen von "ESPN" bereits beschäftigt hat. Spätestens für 2012, wenn der Vertrag des wechselwilligen 25-Jährigen ausläuft. Das Problem: Howard ist noch umworbener als Chandler.
Die Forwards: Die Suche nach dem Premium-Dirk-Backup
Die Guards: Jedi-Meister Kidd, Padawan Roddy
Die Forwards: Die Suche nach dem Premium-Dirk-Backup
Unter Vertrag: Dirk Nowitzki (33, bis 2014), Shawn Marion (33, bis 2014), Corey Brewer (25, bis 2013)
Free Agents: Caron Butler (31), DeShawn Stevenson (30), Predrag Stojakovic (34), Brian Cardinal (34), Tim Thomas (34)
Altruimus, wohin man blickt: Butler verletzte sich schwer und war trotz des Frusts ein Muster an Teamgeist. Der gegen die Gegner so großmäulige Stevenson setzte sich in den Finals klaglos auf die Bank. Stojakvoic, immerhin einer der besten Scharfschützen der Historie, verrichtete für ein Minimum-Gehalt von 700.000 Dollar sein Tagwerk. Veteran Cardinal verdiente nicht viel mehr und schmiss sich nach jedem verloren geglaubten Ball und in jeden schmerzhaften Zweikampf.
Vier Forwards, die allesamt ihre Aufgaben erfüllten - und nun vor einer ungewissen Zukunft stehen: Mit wem verlängert Dallas? Dass Butlers Ausfall nicht allzu schwer wog, war eines der großen Wunder der Mavs-Saison, immerhin war dem 31-Jährigen die Aufgabe zugedacht, hinter Nowitzki die zweitmeisten Punkte zu erzielen und die Verteidigung des besten gegnerischen Swingman zu übernehmen.
Dennoch wurde Dallas Meister, was Fragen aufwirft: Wurde Butlers Wichtigkeit überschätzt? Oder wären die Mavs mit Butler noch stärker gewesen? Mit 10,6 Millionen Dollar wurde er gemessen an seinem Talent und Alter gerecht entlohnt, seine Knieverletzung jedoch wird einige Interessenten abgeschreckt haben - was Dallas entgegenkommt. Immer unter der Prämisse des neuen CBA: Wenn Butler einer moderaten Gehaltskürzung zustimmt, sollte einem Verbleib nichts entgegenstehen.
Happy Birthday, Dirk! Die besten und skurrilsten Videos von und mit Nowitzki
Womöglich könnte sich Butler als nötige Verstärkung erweisen: Dallas wurde zwar ohne ihn Meister, doch mit ihm wäre die Mannschaft tiefer, vielseitiger - und vor allem hungriger. Er wurde zwar auch als Champion geehrt, aber er wird beweisen wollen, dass die Mavs mit ihm noch gefährlicher sind. "Caron ist ein Teil unseres ganzen Systems. Wir bauen auf ihn", sagt GM Donnie Nelson.
Von Butlers zukünftiger Verwendung hängt ab, ob und unter welchen Konditionen der vertragslose Stevenson in Dallas unterschreibt. Sein Gehalt von 4,2 Millionen Dollar ist unter dem NBA-Durchschnitt, obwohl er als aggressiver Verteidiger und gelegentlicher Dreierschütze in den Playoffs wichtige Aufgaben erfüllte. Wenn Small Forward Butler wider seine Präferenz jedoch auch als Shooting Guard eingeplant ist, wäre Stevenson weitestgehend abkömmlich. Zumal Brewer ähnliche Anlagen hat, dafür aber jünger und günstiger (3 Millionen) ist.
Ebenfalls offen: Wer wird in der kommenden Saison Nowitzkis Backup? In den ersten Playoff-Runden wurde Stojakovic eingewechselt und Marion auf die Power-Forward-Position verschoben, in den Finals jedoch ersetzte der kämpferisch stärkere Cardinal eins-zu-eins den Deutschen.
Aber Stojakvic wie auch Cardinal sind bereits 34 Jahre alt - und ob sie bereit sind, erneut für ein derart niedriges Gehalt zu spielen? Cardinal (1,4 Millionen) würde dem wohl zustimmen, Stojakovic (0,7) hingegen könnte sich womöglich einem Team anschließen, um sich mehr Minuten und Dollars zu verdienen.
In welchem Zustand sich der ursprünglich als Nowitzki-Vertreter eingeplante Thomas befindet, ist nicht bekannt. Er wäre die ideale Lösung gewesen, doch nach der schweren Erkrankung seiner Frau und seiner Bitte um einen Rückzug ward er nicht mehr gesehen.
Die Center: Was passiert mit Tyson Chandler?
Die Guards: Jedi-Meister Kidd, Padawan Roddy
Die Guards: Jedi-Meister Kidd, Padawan Roddy
Unter Vertrag: Jason Kidd (38, bis 2012), Jason Terry (33, bis 2012), Rodrigue Beaubois (23, bis 2012), Dominique Jones (22, bis 2012)
Free Agents: J.J. Barea (26)
Die Antwort gab Kidd bereits während der Playoffs. Ja, er werde weiterspielen. Ja, er gedenkt, die Karriere sogar noch zwei, drei Jahre fortzusetzen. Und ja, es wäre ihm eine Freude, einen jüngeren Point Guard anzuleiten und sich selbst mehr zurückzunehmen. Mit ihm und Terry stehen die beiden Guards mit den meisten Spielminuten auch kommende Saison zur Verfügung.
Aber Dallas muss wie auf den Forward-Positionen einen Umbruch einleiten - und sich entscheiden, wer mittelfristig das Spiel lenken soll. Zur Wahl stehen Barea und Beaubois. Barea misst zwar nur auf Zehnspitzen stehend die offziell notierten 1,83 Meter, aber mit seiner wuseligen und unberechenbaren Art wurde er zur Sensation der Playoffs.
Wegen seiner Größennachteile und Unbeständigkeit musste er noch letztes Jahr froh sein, überhaupt in der NBA zu spielen, entsprechend fiel sein Gehalt aus (1,8 Millionen). Mittlerweile dürfte er seinen Wert mindestens verdoppelt haben.
Beaubois hingegen erlebte ein Jahr des Grauens: Erst fehlte ihm die Fitness, dann die nötige Einstellung (oder zumindest das Selbstvertrauen). Er kehrte in den Playoffs zurück in den Kader, wurde jedoch überhaupt nicht mehr eingesetzt, was Zweifel an seinem Standing aufkommen lässt: Haben die Mavs das Vertrauen in ihn verloren, nachdem sie ihn noch letztes Jahr trotz verführerischer Angebote nicht ziehen ließen?
Die Meisterhelden im Porträt: Dieser verdammte 71-Jährige!
Der Franzose verfügt über die besseren Anlagen als Barea: Er ist athletischer, größer, wurfstärker und um Welten besser in der Defense. Mental fehlt ihm aber die Toughness des Puertoricaners. "Roddy soll im Sommer erst einmal relaxen und komplett genesen. Dann soll er wieder relaxen und einfach Basketball spielen", sagt Kidd. Coach Carlisle betont: "Niemand in der Mannschaft kann das, was Roddy kann. Wir sehen ihn weiterhin als eine der Säulen für die Zukunft."
Beaubois also als Kidd-Erbe? Oder doch Barea, dem viele Experten jedoch weiterhin nicht zutrauen, als Starter in der NBA zu bestehen? "Ich liebe meine Rolle in Dallas und ich hoffe, dass ich im Sommer zurückkehre. Aber eines Tages möchte ich in der ersten Fünf stehen", sagt Barea, der zahlreiche Angebote erwartet: "Die Free Agency ist ein Traum. Das Timing ist wirklich gut."
Beide zu behalten, ergibt wenig Sinn, daher ist eine grundsätzliche Entscheidung vonnöten. Oder: Dallas verzichtet gänzlich darauf, einen eigenen Nachfolger für Kidd aufzubauen, und verpflichtet lieber einen Hochkaräter. Laut "ESPN" wird bei den Mavs nämlich nicht nur über Dwight Howard diskutiert (siehe Center), sondern auch über die beiden Point Guards Chris Paul (New Orleans Hornets) und Deron Williams (New Jersey Nets), deren Verträge ebenfalls nur bis 2012 befristet sind.
Um überhaupt einen Spieler dieser Kategorie verpflichten zu können, müsste Dallas aber ein umfangreiches Trade-Paket schnüren oder massiv Platz unter dem Salary Cap schaffen. Beides hätte die gleiche Konsequenz: das Ende der Championship-Mannschaft.