Es war der 6. Januar 2013. Washington empfing in der Wildcard-Runde der Playoffs die Seattle Seahawks, Redskins-Quarterback Robert Griffin III war bereits mit einer großen Kniestütze in die Partie gegangen und offensichtlich nicht bei 100 Prozent. "Mein Gefühl sagte mir, dass ich ihn in der Halbzeit hätte raus nehmen sollen", gab der damalige Skins-Coach Mike Shanahan später zu: "Ich hätte auf mein Gefühl hören sollen."
Doch stattdessen ließ der erfahrene Coach seinen Star-Rookie auf dem Platz und im Schlussviertel dann der Schock: Bei einem missglückten Snap knickte Griffins Knie böse ab, der Quarterback versuchte gar nicht erst den Ball noch zu erreichen und musste raus. Diagnose: Kreuzbandriss - und der Anfang eines monatelangen Machtspiels zwischen Shanahan und Griffin.
Shanahan: "Leute müssen einander vertrauen"
Es folgte ein unglaublicher Medienzirkus. Shanahan wurde für seine Entscheidung, den unerfahrenen Youngster auf dem Platz zu lassen, heftig kritisiert, während RG III den Druck erhöhte, indem er nicht müde wurde anzukündigen, dass er bis zum Start der folgenden Saison wieder fit sein würde.
"Ich denke ein Teil jedes Football-Teams sind die Beziehungen. Und die Leute müssen einander vertrauen", reagierte Shanahan während der Off-Season: "Das habe ich Robert auch gesagt, er soll mir gegenüber so ehrlich wie irgendwie möglich sein. Und ich denke, Robert erkennt dieses Jahr, wie wichtig es ist, dass man ehrlich zueinander ist."
Doch Griffin machte den Fans weiter Hoffnung und setzte seinen Trainer unter Zugzwang, immerhin hatte er gerade eine überragende Saison, in der er als Offensive Rookie of the Year ausgezeichnet wurde, hinter sich. Washingtons Point-and-Shoot-Offense überraschte dank Griffins spektakulären Run-Spielzügen und die Skins gewannen die NFC East. Doch spätestens jetzt wurde deutlich, dass das Verhältnis zwischen Shanahan und Griffin mehr als nur angeknackst war.
Der bewegliche Quarterback, für den Washington im Draft viele hohe Picks aufgab, war von Beginn an nicht Shanahans Lieblingskandidat. Der erfahrene Coach hätte wohl Ryan Tannehill bevorzugt, doch Eigentümer Dan Snyder wollte Griffin unbedingt, und so stand das Verhältnis von Beginn an unter keinem guten Stern. Als die Erfolge ausblieben, sollte das deutlich werden.
Frust wächst wegen "kompletter Farce"
Da Griffin Snyders Lieblingsspieler sein soll und daher angeblich andere Spieler vernachlässigt wurden, wuchs der Frust bei Shanahan. Vor allem Backup-QB Kirk Cousins habe darunter gelitten und Snyders Umgang mit Griffin sei eine "komplette Farce", wurde der 62-Jährige Insider-Informationen zufolge zitiert.
Unter anderem schickte Snyder Sicherheitskräfte mit, wenn Griffin abends ausging und ließ dessen Frau von seinem persönlichen Fahrer zu Auswärtsspielen abholen. Shanahan war so frustriert, dass er 2012 schon vor dem Playoff-Spiel gegen Seattle sein Büro geräumt haben soll, in dem Glauben, den Klub zu verlassen. Nur weil sich Griffin verletzte, blieb er, da er nicht den Anschein erwecken wollte, er sei deshalb gegangen.
Doch es folgte eine desolate Saison mit drei Siegen und 13 Niederlagen, in die Griffin ohne Preseason-Spiel und offensichtlich noch längst nicht komplett fit ging. Das Verhältnis zwischen Quarterback und Trainer wurde immer eisiger. Am Ende sollen sie sich auf den Gängen des Klubzentrums nicht einmal mehr gegrüßt haben.
Interne Intrigen und Fehler auf dem Platz
Zudem gelangen immer mehr Insider-Informationen ohne genaue Quelle an die Öffentlichkeit, wodurch Griffin in Verdacht geriet und auch intern soll der 24-Jährige die Autorität der Trainer untergraben haben. Dazu gehörte ebenfalls, dass Griffin gegenüber Mitspielern einige Wochen vor Saisonende erklärt haben soll, er gehe davon aus, in der kommenden Saison für einen anderen Head Coach zu spielen.
Auf dem Platz machten außerdem beide Fehler. Griffin nutzte die neuen Räume nicht, die Defenses ihm gaben, um seine Läufe zu limitieren, während Shanahan offensichtlich nicht wusste (oder nicht wissen wollte), wie man den explosiven Youngster richtig einsetzt.
Das Tischtuch war zerschnitten. Obwohl man Shanahans Entscheidung, den Quarterback in den letzten drei, aus Washingtons Sicht bedeutungslosen, Spielen auf die Bank zu setzen als sportlich sinnvoll erachten könnte, war es angesichts der Beziehung der beiden nur noch das i-Tüpfelchen - und zudem eine öffentliche Demütigung seines Starting-QBs, denn einen vergleichbaren Vorfall hatte es drei Spieltage vor Schluss noch nie gegeben.
"Wenn man es witzig sagen will, wurde ich in die Offseason geschickt. Das war wieder mal eine einmalige Situation. Ich war noch nie Teil von so etwas oder habe von so etwas in der Geschichte der Liga gehört", erklärte Griffin etwas später und legte nach: "Rückblickend war es ein Segen. Es hat mir gezeigt, wer ich bin und ich glaube, es hat vielen Leuten, die sich mit diesem Team beschäftigen, gezeigt, was wirklich passiert ist."
Kommunikation? Fehlanzeige!
"Er hatte Probleme damit zu verstehen, was Mike an ihm störte", plauderte Ex-Skins-TE Chris Cooley, der RG III noch als Mitspieler erlebt hatte, aus dem Nähkästchen: "Sie hatten Probleme in ihrer Beziehung zueinander, aber außerdem gab es diese Idee, dass Mike Robert nicht mochte. Und das sahen viele. Mike sprache nie mit Robert darüber, und als junger Kerl willst du vor allem wissen, was Leute über dich denken und was sie erwarten."
Vor allem die interne Kommunikation zwischen den beiden war katastrophal: "Robert hatte das ganze Jahr über das Gefühl, dass sein Coach ihn nicht wirklich mochte - aber er wusste nicht warum. Ich hoffe, Robert hat viel daraus gelernt. Wenn ich privat mit ihm rede, habe ich das Gefühl, dass dem so ist und dass er nach vorne schaut."
Immerhin: Den internen Machtkampf, von dem vieles wohl nie an die Öffentlichkeit gelangen wird, hatte Griffin gewonnen. Shanahan, der sich zuvor schon erfolgreich mit Donovan McNabb und Albert Haynesworth angelegt hatte, zog dieses Mal den Kürzeren und musste gehen - trotz noch kolportierten 14 Millionen Dollar an ausstehendem Gehalt.
Zu viel Verantwortung?
Stattdessen kam Jay Gruden, neben einem neuen Head Coach erhielt Griffin auch mit DeSean Jackson und Andre Roberts zwei weitere Waffen. Kurzum: Snyder hat seinem Lieblingsspieler alles mitgegeben, damit er erfolgreich sein und Washingtons Investitionen in ihn rechtfertigen kann. Zudem wollte Griffin eine größere Rolle in der Offense und bekam sie: Unter Gruden hat er die ausdrückliche Erlaubnis, Spielzüge an der Line of Scrimmage frei zu ändern.
Doch die Preseason trieb Redskins-Fans Sorgenfalten auf die Stirn. Griffin wirkte unkonzentriert, in drei Spielen passte er für insgesamt 141 Yards, warf zwei Interceptions und blieb ohne Touchdown. Schlimmer noch: Er musste vier Sacks einstecken und nach einigen kurzen Läufen wurde er mehrfach hart getroffen. "Er trainiert mehr als jeder, den ich bisher gesehen habe", wird Gruden, der Insider-Berichten zufolge ein gutes Playbook für Griffin zusammengestellt haben soll, nicht müde zu betonen.
Dennoch ist der neue Head Coach, der die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft im Vergleich zu seinem Vorgänger deutlich aufgelockert hat, bereits jetzt in der Pflicht: Er muss Griffin zeigen, wer der Chef des Teams ist, ohne dabei Shanahans autoritäre Züge zu kopieren - beispielsweise indem er seinem Quarterback wieder etwas Verantwortung auf dem Platz nimmt, damit er befreiter aufspielen kann.
Der Druck nach dem Machtkampf
Griffin auf der anderen Seite steht nach dem gewonnenen Machtkampf unter besonderem Druck. Die ganze Franchise ist jetzt noch stärker auf ihn ausgerichtet und körperlich ist er nach seiner verlängerten Off-Season ohnehin wieder bei 100 Prozent. In seinem dritten Jahr in der NFL muss er jetzt zeigen, dass er auch als Pocket Passer die Defense lesen und schlagen kann.
"Er ist viel weiter, als es den Anschein hat und als die Medien ihm eingestehen", stellt sich Gruden demonstrativ vor den 24-Jährigen und wies auch die klaren Worte von Redskins-Legende Joe Theismann, man solle doch endlich auf Cousins bauen, zurück: "Ich bin zufrieden mit unserer Startformation."
An der mangelnden Rückendeckung durch seinen Trainer sollte es dieses Jahr also nicht scheitern, und auch sonst ist alles für Griffin bereitet. Jetzt muss er nur noch seine Leistung bringen - dann gibt es womöglich auch ein Playoff-Spiel mit positiven Nachwirkungen.
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