NFL

Planlos im Big Apple

Weder Geno Smith (l.) noch Michael Vick scheinen in New York als Langzeitlösung denkbar
© getty

Nach seinem katastrophalen Auftritt gegen die Bills wurde Jets-QB Geno Smith in Week 9 gegen die Chiefs erstmals durch Michael Vick im Starting Lineup ersetzt. New Yorks Head Coach Rex Ryan hält sich mit verbindlichen Aussagen zurück, dennoch scheint der einstige große Hoffnungsträger seine letzte Chance verspielt zu haben, zumal Vick zumindest solide agierte. Einen langfristigen Plan gibt es derzeit trotzdem nicht.

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"Herzzerreißend... brutal... du fühlst dich, als hätte dir jemand ins Gesicht geschlagen." Es war keine gewöhnliche Ansprache, die John Idzik den versammelten Journalisten bei seiner Midseason-Review am Montag nach der Bills-Pleite in Week 8 gab.

"Es ist schmerzvoll, vor allem für unsere Fans. Ich nehme das persönlich. Die Jets sind mein Team, unser Team." Insgesamt 19 Minuten nahm sich der sonst wortkarge GM, um die schon jetzt völlig verkorkste Saison zu analysieren und nach Ursachen zu suchen.

Mittlerweile acht Niederlagen in Folge mit teilweise peinlichen Auftritten, negative Schlagzeilen abseits des Feldes - keine Frage, "brutal" trifft auf die Saison der Jets wie die Faust aufs Auge.

QBR von 0.04

Das Spiel gegen die Bills scheint derweil einen Wendepunkt markiert zu haben, vor allem für Geno Smith. Es fiel schon auf, dass Idzik, sein bisher größter Befürworter, die desolate Vorstellung des designierten Franchise-Quarterbacks als "besorgniserregend" und "Augen öffnend" bezeichnete. Die Demission durch Coach Rex Ryan wenig später schien da nur noch folgerichtig.

Smith lieferte in Week 8 eine Stinkbombe, die selbst der größte Fan nicht mehr schön reden konnte. Zwei von acht Pässen brachte er an den Mann, für fünf Yards. Drei haarsträubende Picks gab es oben drauf, und ein QBR von 0.04, das einem stummen Schrei nach Auswechslung gleichkam.

Es war das vorläufige Ende einer mehr als enttäuschenden Saison für Smith. Die Jets hatten ihn 2013 in der zweiten Runde gedraftet mit der Hoffnung, den künftigen Franchise-QB an Land zu holen. Trotz einer mäßigen Rookie-Saison wurde auch diese Saison auf ihn gesetzt, obwohl mit Michael Vick ein namhafter Backup verpflichtet wurde. Bezahlt machte sich diese Entscheidung nicht.

Geno verschlechtert sich

Im Vergleich zu seinem Rookie-Jahr ist Geno statistisch sogar schlechter geworden. Sein QBR ist von 35.9 auf 27.6 gesunken, sieben TDs stehen jetzt schon wieder zehn Interceptions und drei Fumbles gegenüber. Im Locker Room hat er an Vertrauen verloren - und auch abseits des Feldes verhielt er sich in den letzten Monaten selten ideal.

Er verpasste ein Team-Meeting, da er "vergessen hatte, dass an der Westküste die Zeit anders ist", und stattdessen im Kino war. Er legte sich mit Jets-Fans an, nachdem diese das MetLife Stadium mit "We Want Vick"-Sprechchören gefüllt hatten. Kleinere Fehler, die sich jedoch insgesamt zu einem negativen Gesamtbild zusammenfügen.

Seine Leistung gegen die Bills bezeichnete Smith als "erbärmlich", dennoch verkündete er, dass er "ohne Zweifel" noch zum Franchise-QB werden könne. "Es ist keine ideale Situation, aber ich muss sie zu meinem Vorteil nutzen. Ich bin ein großer Junge und kann damit umgehen."

Vick: "Eine Chance für Geno"

Die Fans bekamen nun gegen die Chiefs ihren Wunsch: Vick übernahm. Und auch wenn die Jets dabei schon wieder eine Niederlage kassierten, präsentierte sich der 34-Jährige zumindest solide und damit stark verbessert im Vergleich zu seinen bisher gespielten Snaps.

Vor dem Spiel lag sein QBR bei 13.1, ohne Touchdown, dafür aber mit einem Pick und vier Fumbles. Gegen Kansas City warf er einen TD-Pass und legte ein Passer-Rating von 105.7 auf. Er zeigte zudem eine gute Connection mit dem neuen Receiver Percy Harvin, der statistisch eines der besseren Spiele seiner Karriere machte (11 REC, 126 YDS).

Noch wichtiger: Er leistete sich keinen Ballverlust. Auch wenn Vick in der Redzone nicht gerade überzeugte, war seine Leistung doch genug, um auch in der kommenden Woche gegen Pittsburgh wieder zu starten, "wenn er gesund ist", bestätigte Ryan.

Vick wurde allerdings eigentlich eher als Mentor verpflichtet denn als QB, der von Spiel zu Spiel sein Team tragen muss. Die Rolle als Mentor nimmt der Veteran auch weiterhin ernst. Selbst im Angesicht seines ersten NFL-Starts seit einem Jahr stellte er daher seinen "Schützling" Smith heraus.

"Für ihn ist das endlich mal eine Möglichkeit, sich hinzusetzen und Luft zu holen. Er hatte bisher nie die Chance, von einem älteren QB zu lernen und einfach das Spiel zu studieren. Ich weiß nicht, wie lange das dauern wird, aber ich denke, für ihn ist das eine großartige Gelegenheit."

Vick: "Eine Art Bewerbung"

Vick hat seit seiner Ankunft in New York im Sommer kleine Brötchen gebacken und immer wieder betont, dass die Jets "Genos Team" sind. Zumindest öffentlich hat er seinem zehn Jahre jüngeren Kollegen immer wieder den Rücken gestärkt. Aber natürlich ergibt sich auch für Vick nun eine Chance, sich wieder "richtig" zu etablieren, ob bei den Jets oder anderswo.

"Das ist ein wichtiger Schritt", gab Vick vor dem Spiel gegen die Chiefs zu. "Immer, wenn man als Profisportler das Feld betritt, ist das eine Art Bewerbung. Ob nun für die nächste Woche oder die nächste Saison. Man muss jede Gelegenheit wahrnehmen."

Vick hat in New York nur einen Einjahresvertrag unterschrieben. Selbst wenn er den Job als Starting-QB für den Rest der Saison bekäme - einen Platz in den Langzeitplänen der Franchise spielt er bisher nicht. Dafür fehlte es bisher an Leistung, und vor allem an Perspektive.

Idzik übernimmt die Verantwortung

Wie genau die Langzeitpläne derzeit allerdings aussehen, steht ohnehin in den Sternen. Rex Ryan coacht längst um seinen Job, wenngleich Idzik ihm öffentlich noch das Vertrauen ausspricht. Er braucht nach acht Niederlagen in Folge unbedingt mal wieder einen Sieg - eine Niederlage gegen die Steelers wäre gleichbedeutend mit der längsten Niederlagenserie der Franchise-Geschichte.

Beim GM sieht es allerdings auch nicht viel besser aus. Idzik war schließlich derjenige, der Smith draftete und bis vor kurzem vehement an ihm festhielt, obwohl ihn Ryan wohl schon länger ersetzen wollte. Idzik ist auch derjenige, der Eric Decker als den vermeintlichen Top-Receiver holte und sonst im Sommer kaum Geld in die Hand nahm, um die Schwachstellen im Kader anzugehen.

Bei seiner Midseason-Review nahm er diese Verantwortung immerhin auf sich. "Ich bin hier der General Manager und daher für die Football-Entscheidungen der Jets verantwortlich. Schlussendlich bin ich also auch für das Produkt verantwortlich, das wir auf dem Feld präsentieren."

"FireJohnIdzik.com"

Dass er im Anschluss allerdings keinen einzigen echten Grund für die Misere lieferte und zudem noch behauptete, das Talent im Kader sei absolut vorhanden, spricht Bände über die Planlosigkeit der Franchise.

Idzik nahm sich noch heraus, zu bedauern, dass die Fans nicht jeden Tag sehen könnten, was Geno und die anderen im Training leisten. Die Retourkutsche kam per Twitter umgehend: Es sei schlimm genug, sich jeden Sonntag die Spiele anzusehen.

Bei den Fans ist Idzik ohnehin längst der Buhmann. Die Webseite "FireJohnIdzik.com" startete kürzlich einen Spendenaufruf: 10.000 Dollar sollten gesammelt werden, um ein Banner mit eben diesem Slogan in der Nähe des MetLife Stadiums aufhängen zu können. Es dauerte nicht einmal eine Woche, bis sie die Summe zusammen hatten. Gegen Ende des Monats soll das Banner wohl bereits zu sehen sein.

Es wird spannend sein, zu beobachten, wie die Jets die nächsten Wochen und Jahre angehen werden. Fragen gibt es genug: Ob Ryan und Idzik bleiben, ob Smith doch noch mal zurückkommt, ob Vick vielleicht einen neuen Vertrag bekommt, ob ein anderer Quarterback geholt wird...

Für den Moment ist nur klar, dass diese Saison bereits verschenkt ist. Vielleicht sähe die Bilanz ein wenig hübscher aus, wenn der QB-Switch schon eher erfolgt wäre, aber das ist reine Spekulation.

"Butt-Touchdown" als Symbol

Eine Aktion im Chiefs-Spiel versinnbildlichte die laufende Saison der Jets besser als jede andere: Jets-Linebacker Calvin Pace bekam die Hand an einen Pass von Alex Smith, konnte das Ei aber nicht festhalten. Stattdessen fälschte er es so ab, dass es in den Händen von Anthony Fasano landete, der 2 Yards vor der Endzone auf dem Boden saß.

Der Tight End nahm das Geschenk an und punktete - der "Butt-Touchdown" war geboren. Aus einer eigentlich guten Aktion von Pace wurde ein Kuriosum, ein Witz, schlussendlich sieben Punkte für den Gegner.

"Shit happens" war der trockene Kommentar des 34-Jährigen. Es war nicht ganz klar, ob er damit nur die Aktion oder die gesamte Saison meinte.

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