Verlierer:
1. San Francisco 49ers
Namhafte Abgänge: LB Patrick Willis, LB Chris Borland, G Mike Iupati, RB Frank Gore, CB Chris Culliver, HC Jim Harbaugh, DC Vic Fangio, LB Dan Skuta
Es war bislang eine desolate Offseason für die Niners. Neben dem Abgang von Head Coach Jim Harbaugh, der durch den unerfahrenen Jim Tomsula ersetzt wurde, verlor das Team weitere Leader. LB Patrick Willis erklärte überraschend sein Karriereende und sein designierter Nachfolger Chris Borland zog wenig später nach. Justin Smith könnte noch folgen. Guard Mike Iupati ging nach Arizona, Running Back Frank Gore zu den Colts. Receiver Stevie Johnson, der ein gutes Verhältnis mit QB Colin Kaepernick gehabt haben soll, durfte ebenfalls gehen und Defensive Coordinator Vic Fangio, der den HC-Posten wollte, verabschiedete sich nach Chicago.
49ers-Schock: Borland tritt zurück
Damit aber längst nicht genug: Auch WR Michael Crabtree wird wohl zeitnah ein neues Team finden und das Starting-CB-Duo Perrish Cox (zu den Titans) und Chris Culliver (nach Washington) ist ebenfalls weg. Zu allem Überfluss handelte sich auch Fullback Bruce Miller Ärger ein, Anfang März soll er in einem Streit seine Verlobte zu Boden geschubst und ihr Handy zerstört haben. Nach seiner Festnahme kam er auf Kaution wieder auf freien Fuß, die Untersuchungen der Liga laufen bereits. DT Ray McDonald wurde schon vor Saisonende wegen seiner Probleme abseits des Platzes entlassen.
Die Verpflichtungen von Reggie Bush und Torrey Smith werden der Offense zwar helfen, aber die Niners scheinen Stand jetzt das schwächste Team in der harten NFC West zu sein. Umso mehr, da NaVorro Bowman nach seiner schweren Verletzung erst wieder auf 100 Prozent kommen muss und die Leader innerhalb des Teams nicht einfach so zu ersetzen sein werden. Mit Carlos Hyde steht der Gore-Nachfolger zwar bereit, doch Hyde muss erst einmal beweisen, dass er Gores Produktivität ausgleichen kann - und das ohne Iupati und womöglich vorerst ohne Miller.
2. New England Patriots
Namhafte Abgänge: CB Darrell Revis, CB Brandon Browner, RB Shane Vereen, DT Vince Wilfork
Dass die Patriots ihr komplettes Super-Bowl-Team nicht zusammenhalten können würden war klar, und der neue Deal für Free Safety Devin McCourty war ein wichtiger Schritt - eine Position, die in der heutigen NFL immer wichtiger wird und die von nur wenigen Spielern auf McCourtys Level gespielt wird. Doch ansonsten wird Bill Belichick wohl große Teile seines Defensiv-Schemes ändern müssen. Mit Revis und Browner fehlt das dominante CB-Duo, das die Defense im Vorjahr entscheidend prägte.
Die Verpflichtung von Outside Linebacker Jabaal Sheard, der bislang prominenteste FA-Neuzugang, zeigt bereits, in welche Richtung Belichick denkt. Während andere Teams für Cornerbacks überbezahlen, will Belichick offenbar den Pass-Rush wieder stärken, um so Druck von der Secondary zu nehmen. Mit Wilfork hat die Defense aber darüber hinaus ihren Nose Tackle und das Team einen absoluten Leader verloren.
Offensiv tut der Abgang von Shane Vereen weh. Der Running verzeichnete in der Vorsaison zusammen genommen 838 Yards und war vor allem im Passing Game eine echte Waffe. Die Pats verpflichteten Ex-Saints-RB Travaris Cadet für die Vereen-Rolle, der aber über die letzten drei Jahre ganze elf (!) Carries zusammen brachte. Stand jetzt bleiben viele Fragezeichen mit Blick auf New Englands Roster, offensiv aber vor allem defensiv.
3. Cleveland Browns
Namhafte Abgänge: TE Jordan Cameron, OLB Jabaal Sheard, CB Buster Skrine, QB Brian Hoyer, OC Kyle Shanahan
Die Offense der Cleveland Browns ist ein komplettes Chaos. Starting-QB Brian Hoyer wurde ziehen gelassen, stattdessen holten die Browns den in Tampa Bay enttäuschenden Josh McCown überraschenderweise für drei Jahre und insgesamt bis zu 14 Millionen Dollar. Der 35-Jährige soll unter anderem als Mentor für Johnny Manziel dienen - der wiederrum seine Offseason bislang in einer Entzugsklinik verbracht hat und medial immer wieder als möglicher Trade-Kandidat gehandelt wird.
Vor allem aber ist das Gehirn der Offense weg. Offensive Coordinator Kyle Shanahan suchte nach nur einem Jahr das Weite und ging zu den Falcons, der Texting-Skandal soll Shanahan den Rest gegeben haben. Browns-Geschäftsführer Ray Farmer gab zu, während Spielen Textnachrichten an die Coaches geschickt zu haben - ein Regelverstoß. "Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Ich übernehme die volle Verantwortung für meine Taten." Eine Sperre oder sogar der Verlust eines Draft-Picks droht.
Um das Offense-Debakel perfekt zu machen - neben der erneuten Sperre gegen WR Josh Gordon, der mindestens für ein Jahr suspendiert wurde verloren die Browns auch einen ihrer wenigen verbleibenden Stars: TE Jordan Cameron, der mit Gehirnerschütterungen zu kämpfen hatte, ging nach Miami - obwohl er eigentlich schon mit Cleveland einig gewesen sein soll. Die Defense verlor mit Sheard und Skrine zwar solide Spieler, die Neuzugänge Randy Starks (Miami) und Tramon Williams (Green Bay) dürften umgekehrt aber direkt weiterhelfen.
4. Dallas Cowboys
Namhafte Abgänge: RB DeMarco Murray, RT Jermey Parnell, WR/PR Dwayne Harris, LB Bruce Carter, LB Justin Durant
Ja, der Draft ist noch ein gutes Stück weg und ja, die Cowboys hatten nicht sonderlich viel Cap-Spielraum. Doch die Verluste tun weh: Mit Murray verlieren die Boys den Vorjahres-Top-Rusher, der das besser dotierte Angebot ausgerechnet beim Division-Rivalen Philadelphia annahm. Der verletzungsanfällige Darren McFadden kam als erster Ersatz, wird aber voraussichtlich im Draft einen ernsthaften Konkurrenten bekommen. Murray nicht zu viel Geld zu geben ist prinzipiell richtig, dennoch steht sein legitimer Nachfolger noch nicht im Kader.
Parnell war ein solider Backup, der in der O-Line für Entlastung sorgen konnte und in Jacksonville jetzt als Starter bezahlt und eingesetzt werden wird. Auch in der Defense haben sich neue Baustellen aufgetan, neben Carter und Durant wurde auch D-Line-Man Henry Melton abgegeben. Zu allem Überfluss erhielt auch Return-Man Dwayne Harris von einem Divison-Rivalen, den Giants, ein hohes Angebot und wechselte innerhalb der NFC East.
Daneben könnte Special-Team-Ass C.J. Spillman (teamintern die zweitmeisten Special-Team-Tackles mit 14 in der Vorsaison) ebenfalls gehen - der Safety ist Free Agent und soll bei mehreren Teams auf dem Zettel stehen. Der extrem konservative Ansatz verwundert und wirft medial bereits Fragen auf, wie viel Sagen Jerry Jones eigentlich tatsächlich noch hat. An den Adrian-Peterson-Gerüchten soll ebenfalls nichts dran sein, stattdessen aber haben die Boys angeblich ein Auge auf Greg Hardy geworfen.
5. Die NFL
Die Rücktritte von Chris Borland, Jason Worilds, Patrick Willis und Jake Locker überraschten, vor allem die ersten beiden, die den Großteil ihrer Karriere noch vor sich hatten, erschütterten die NFL und die Verantwortlichen werden sich Fragen stellen müssen. "Ich will einfach das tun, was für meine Gesundheit das Beste ist. Gemessen an dem, was ich recherchiert und erfahren habe, denke ich nicht, dass es das Risiko wert ist", erklärte Borland in einem Statement und bezog sich dabei vor allem auf die Gefahr durch Gehirnerschütterungen.
Weiter führte er aus: "Ich dachte mir selbst: Was mache ich da? Will ich so mein Erwachsenenleben verbringen, vor allem, wenn ich die Gefahren kenne?" Es sollte ein Weckruf für die Liga sein, um sich noch stärker um die Gehirnerschütterungen und die Risiken zu kümmern. Mahnende Beispiel gab es auch zuvor schon genug: Ex-Bears Safety Dave Duerson und Hall of Famer Junior Seau brachten sich selbst um, bei beiden wurde eine Chronisch Traumatische Enzephalopathie festgestellt - eine Gehirnerkrankung, die durch Kopf-Traumata verursacht wird.
Wenn jetzt also Spieler wie Borland oder Worilds, der andere Prioritäten vor dem Football sieht, langfristig auf viele Millionen verzichten oder Ex-Coach Mike Ditka sagt, er wolle nicht, dass sein Sohn Football spielt, regt das zum Nachdenken an. Die Liga muss jetzt nicht sofort um ihre Vormachtstellung fürchten, doch klar ist auch: Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Geld und der NFL-Ruhm alleine die Gefahren des Spiels nicht für jeden aufwiegen.
Die Liga braucht jetzt eine klare Richtung, was gesundheitliche und moralische Fragen angeht. Das könnte einfache Schritte beinhalten: Ein klares Nein zur immer wieder diskutierten Erweiterung des Spielplans, längere, strengere und intensivere Tests bei vermeintlichen Gehirnerschütterungen oder auch die Abschaffung des Thursday-Night-Games - Dinge, die die Belastung und das Risiko runter schrauben. Das würde zwar Geld kosten, langfristig aber dem Spiel einen Gefallen tun.
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