NFL

Der Wahnsinn hat Methode

Von Adrian Franke
Chip Kelly hat seinen Kader für die neue Saison ordentlich aufgerüstet
© getty
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Der McCoy-Abgang wurde zunächst damit begründet, dass Kelly weniger Geld in die offensiven Skill-Positionen stecken und stattdessen auf sein System vertrauen will. Doch die Theorie war schnell vom Tisch: Philly verpflichtete Ryan Mathews (fünf Millionen Dollar garantiert) und Vorjahres-Top-Rusher DeMarco Murray (21 Millionen garantiert) und steckt in sein Backfield damit mehr Geld als in der Vorsaison.

Doch was ist der Plan? Was hat Kelly mit seinem Running Game vor?

Zunächst einmal - ein offenes Geheimnis - ist für ihn Geschwindigkeit das A und O . Kelly forderte bei den Oregon Ducks 80 Plays pro Spiel von seinem Team (über 20 mehr als der Durchschnitt), und schon damals war das Running Game die Basis.

Das ist ein Grund dafür, warum Kelly meist an einer Formation festhält und etwa die beiden Outside Receiver ungewöhnlich oft ihre Seite halten. So ist der Gameplan klar, zeitintensive Positionswechsel im Laufe eines Drives fallen weg. Kelly verwendet meist 11- (ein Running Back, ein Tight End) oder 12-Personnel-Groups (ein RB, zwei TE), doch da die Eagles aus der gleichen Aufstellung extrem viele Spielzüge ausführen können, verrät das Personal auf dem Platz dem Gegner kaum etwas.

Der Inside Zone Run

Was das Scheme angeht, beinhaltet ein großer Teil der Offense ein Zone-Running-Scheme - und das in seiner absoluten Basisform mit dem Inside Zone Run. In Perfektion ausgeführt - Kelly legt höchsten Wert auf permanente Wiederholung im Training - schafft es der Center schnell hinter die Line of Scrimmage und beschäftigt den Middle Linebacker, der eigentlich gegen den Run vorgesehen ist. Der Right Guard trifft seinerseits meist auf den gegnerischen Nose Tackle. Der Running Back sollte dadurch, je nachdem wie sich die Blocks entwickeln, mindestens eine relativ freie Lane vor sich haben.

Dass Kelly das Zone-Scheme bevorzugt, ist nur logisch: Seine auf Tempo ausgelegte Offense soll unter anderem dazu führen, dass der Gegner noch nicht geordnet ist. Dadurch kann es aber auch passieren, dass ein O-Line-Man in einem System mit "Manndeckung" keinen Gegenspieler hat, weil dieser schlicht noch nicht an seinem Platz ist. Dem wird in einem Zone-Blocking-Scheme ein Riegel vorgeschoben.

Umstellung für Murray

Für Murray wird das nach Dallas' Power-Running-Scheme zwar eine Umstellung sein, doch seinen direkten, geradlinigen Laufstil sollte er sich unbedingt beibehalten - deshalb hat Kelly McCoy schließlich durch ihn ersetzt. McCoys eher abwartender Stil gefiel dem Coach dagegen überhaupt nicht, passte er schließlich nur bedingt in sein Scheme. Es gab heftige Auseinandersetzungen an der Seitenlinie, weil McCoy nicht schnell genug in die für ihn gerissenen Lücken stieß. Murray kann jetzt die Rolle einnehmen, die Kelly in Oregon einst unter anderem für den heutigen Patriot LeGarrette Blount vorgesehen hatte.

Das Running Game ist in Kellys Offense das Rückgrat, doch für dessen Erfolg wird neben dem Back auch die O-Line entscheidend sein. 2013 hatten die Eagles hier, auch bedingt durch mehrere Verletzungen, große Probleme. Was die "Adjusted Line Yards" angeht, die Gegner und Spielsituation in den Rushing-Erfolg mit einberechnet, waren die Eagles das viertschwächste Team der NFL. Und: Nur Detroit, Cleveland und Tampa Bay hatten prozentual mehr Runs, die an oder hinter der Line of Scrimmage gestoppt wurden.

Andererseits entsprach die Line aber auch schon im vergangenen Jahr eher den Qualitäten von Murray und Mathews: Was "Power Success" (81 Prozent, bester Wert) angeht, also Runs bei Third oder Fourth Down, die maximal zwei Yards bis zum First Down oder Touchdown erreichen mussten, war Philly das beste Team der Liga.

Der Outside Zone Run

Außerdem, und hier kommt Kellys nächste Lieblingswaffe im Running Game ins Spiel, blockten nur wenige Teams besser im Bereich zwischen fünf und zehn Yards nach der Line of Scrimmage (sogenannte "Second Level Yards"). In diese Lücken muss ein Back schnell vorstoßen können - Murrays Spezialität - oder aber sie anders ausnutzen. Wie beim Outside Zone Run.

Das Ziel hierbei ist, dass zwei Spieler aus der Interior Line direkt nach dem Snap zwei Linebacker oder Safeties beschäftigen, während die Tackles, ein Guard oder der Center, sowie der Tight End die D-Line blocken. Dadurch bekommt der Back genügend Raum, um über die Edge zu attackieren.

Mit den Verpflichtungen von Murray und Mathews hat Kelly dafür gesorgt, dass sein Wunschsystem ideal umgesetzt werden sollte. Sofern die Voraussetzungen durch die O-Line stimmen.

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