SPOX ist nicht nur Football - SPOX erklärt auch Football! Um vor allem Neulingen den Einstieg in die unbekannte Welt des American Football zu erleichtern, veröffentlichen wir in regelmäßigen Abschnitten Einführungen in einzelne Themenkomplexe des Sports. Aber auch Fans können noch etwas lernen, ehe sie sich auf unser LIVESTREAM-Angebot stürzen! Diesmal geht es um die Special Teams.
Stinkwütend marschierte Pass-Rusher Greg Hardy ins Huddle seiner Teamkollegen, schimpfte vor sich hin und legte sich sogar mit Coordinator Rich Bisaccia an. Seine Cowboys hatten die Partie gegen die Giants gerade mit einem 80-Yard-Touchdown-Drive ausgeglichen - doch Hardy und seine Defense bekamen keine Chance dazu, Eli Manning und Co. zu stoppen: Ex-Cowboy Dwayne Harris hatte sein früheres Team beim Kickoff übertölpelt und mit einem 100-Yard-Return für die entscheidenden Punkte gesorgt.
Nicht die hochpreisige Giants-Offense war für den gewinnbringenden Touchdown verantwortlich, auch nicht die opportunistische Defense. Das Zünglein an der Waage waren an diesem Abend die Special Teams. Ein zusammengewürfelter Haufen, bestehend aus den unteren Schichten eines jeden 53-Mann-Kaders, der nur selten im Rampenlicht glänzen und fast nie dicke Schecks einlösen kann. Special Teams verrichten die Drecksarbeit: Sie bereiten den Boden für ihren Quarterback, machen es dem gegnerischen QB möglichst schwer und können mit ihren Auftritten ein Spiel kippen. Ruhm ernten sie dafür nur selten - der Kicker vielleicht. Wenn alles glatt geht.
Allzweckwaffen als X-Faktor
Er gehört übrigens zu den wenigen "Spezialisten" in den Special Teams. Der weitgehend gesichtslose Rest muss den Spagat schaffen zwischen Specials Teams und seiner eigentlichen Berufsbezeichnung: Linebacker, Cornerback, Receiver, natürlich Backups. "Nur ganz besondere Spieler können Special Teams spielen", erklärt Defensive Lineman Chris Jones, der bei den New England Patriots auch beim Kickoff Return und bei Field Goals zum Einsatz kommt. "Es gibt drei Phasen im Spiel, und wir arbeiten an den Special Teams genauso hart wie an der Offense oder der Defense." Mit Erfolg: Die Pats gehören jahrein jahraus zu den besten Special Teams in der NFL.
Welchen Unterschied das macht? Einen Gewaltigen. Turnover oder spektakuläre Return-Touchdowns sind "Game-Changer". Erfolgreiche oder geblockte Field Goals entscheiden über Sieg oder Niederlage, erfolgreiche Onside Kicks bereiten diese nicht selten vor. Doch das sind die ruhmreichen Momente, in denen niemand auf die Toilette oder an den Kühlschrank geht.
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Mindestens genauso oft geht es um die vielbeschworene "Field Position", wie auch SPOX-Kolumnist Björn Werner betont. Die eigene Offensive nahe an die anvisierte Endzone heranbringen, den Gegner möglichst weit weg von der eigenen weghalten, denn "je mehr Spielzüge der Gegner gehen muss, desto größer die Chance auf einen Fehler.
Um es praktisch werden zu lassen: Beim 34:21 der Cincinnati Bengals über die Buffalo Bills in Week 6 starteten die Bengals ihre zehn Drives im Schnitt an der eigenen 41-Yard-Linie, die Bills dagegen nur an der 15-Yard-Linie. Das macht einen Vorteil von insgesamt 260 Yards - die 49ers etwa kommen derzeit auf gerade einmal 295,6 Yards Raumgewinn pro Spiel. In der Saison 2014 returnierten die Falcons ihre Punts starke 13,3 Yards. Chicago dagegen nur 5,2 Yards - eine enorme Hypothek für Jay Cutler und Co.
Der Kick-Off
Mit dem Kickoff wird jede Halbzeit eröffnet, außerdem jede Angriffsserie nach einem Touchdown oder Field Goal. Wie im Fußball wird das "Kicking-Team" und das "Return-Team", also das Team, welches den Kickoff in Empfang nimmt und danach den Quarterback aufs Feld schickt, vor Spielbeginn (und vor Beginn der Overtime) per Münzwurf ermittelt. Dabei ergibt sich sofort eine taktische Überlegung: Schicke ich bei gewonnenem Münzwurf sofort meine Offense aufs Feld, um vorzulegen und den Gegner unter Druck zu setzen? Oder entscheide ich mich für den Ball nach der Halbzeitpause, um auf die erste Halbzeit reagieren zu können?
Danach kommt es zum "Anstoß". Der wird derzeit von der 35-Yard-Linie aus der eigenen Hälfte ausgeführt, es sind also stattliche 65 Yards bis zur gegnerischen Endzone. Wird der Kickoff aus der Endzone herausgedroschen, ist der Spielzug vorbei und der kommende Drive beginnt an der 20-Yard-Linie - der "Touchback" ist die bevorzugte Variante eines jeden Kickers, so kann es schließlich zu keinem gefährlichen Return kommen.
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Für diesen Return haben Teams zumeist einen Spezialisten parat, mit sicheren Händen und pfeilschnellem Antritt. Seine Aufgabe: Den Ball fangen und - bei angemessenen Erfolgschancen - so weit wie möglich zurücktragen (fängt er den Ball in der Endzone und kniet in dieser ab, ist es ein Touchback, ebenso wenn der Ball nicht gefangen wird, aber trotzdem in die Endzone kullert).
Dabei gilt es für den Returner, abzuwägen - schließlich stürmen nach dem Kick-Off elf Gegner auf ihn zu, um ihn möglichst schnell dem Erdboden gleich zu machen. Sind diese schon gefährlich nahe herangekommen oder hat ihn in der Kick in der Ecke der Endzone festgenagelt, könnte das Risiko zu groß sein. In diesem Fall kann er, nachdem er den Ball gefangen hat, mit einem Knie den Boden berühren: Der sogenannte "Kneel-Down". Heißt: Die Angreifer dürfen ihn nicht attackieren, er darf den Ball aber auch nicht zurücktragen. Der nächste Spielzug beginnt an der 20-Yard-Line.
Von Touchback bis Touchdown
Bietet sich dem abenteuerlustigen Returner aber eine Lücke, wird es ernst und es kommt zum großen Knall. Denn zwischen ihm und den elf Angreifern befinden sich ihrerseits zehn blockende Teamkollegen, meist aufgeteilt in sechs vorgezogene Blocker und vier direkt vor ihm (dabei aber nie mehr als drei direkt nebeneinander). Sie müssen ihm die Gegner vom Leib halten und wenn möglich eine Lücke freisperren, in die er vorstoßen kann. Ein Raumgewinn jenseits der 20-Yard-Line kann da als Erfolg gelten, alles hinter der Touchback-Marke kommt einem Misserfolg gleich.
Dabei muss der Returner jedoch höllisch aufpassen: Lässt er den Ball fallen, ist dieser "live", also im Spiel: Kommt das Kicking Team nun als erstes heran und sichert ihn, ist der Drive gestorben, bevor er angefangen hat - und der Offense des Gegners bietet sich eine glänzende Field Position. Auch ein Rückzug in die eigene Endzone ist nicht möglich, wenn er diese erst einmal verlassen hat - das wäre eine Safety und sehr unerfreulich.
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Zusammengefasst: Die sicherste Variante für das Return Team ist der Touchback, das bestmögliche Ergebnis natürlich der Return Touchdown. Für das Kicking Team gilt es, einen Return durch schnelles Aufrücken zu verhindern, am besten durch Fair Catch. Und das möglichst nahe an der Endzone - denn wenn der Drive an der 1-Yard-Linie beginnt, ist das selbst für Brady oder Rodgers ein schwerer Happen.
Im Allgemeinen wird der Kicker versuchen, das Ei möglichst weit in die gegnerische Hälfte zu dreschen und einen Touchback zu provozieren, was bei über 50 Prozent aller Kicks auch gelingt. In besonderen Situationen kann der Kick allerdings auch etwas kürzer ausfallen, um zum Beispiel einen gefährlichen Returner aus dem Spiel zu nehmen: Der Ball geht so an einen weit aufgerückten Blocker, aber der ist langsamer und leichter zu stoppen. Den Ball einfach ins Aus zu kicken, ist die Verzweiflungsvariante - der Drive beginnt dann nämlich automatisch mindestens an der 40-Yard-Linie.
Die kürzeste Variante des Kick-Offs ist dabei die Spannendste: der "Onside Kick".
Der Onside Kick
Es ist kein ehernes Gesetz, dass der Ballbesitz bei einem Kick-Off wechseln muss. Wie wir beim Punt sehen werden, kann dieser vom Receiving Team auch einfach ignoriert werden - der Ballbesitz ist ihnen sicher. Beim Kick-Off dagegen muss das Ei lediglich eine Strecke von mindestens zehn Yards zurücklegen. Danach gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Der Onside Kick ist der fleischgewordene Versuch, den Ball nach möglichst genau diesen zehn Yards zurückzuerobern. Die Chance auf einen erfolgreichen Onside Kick stehen meist eher schlecht. Hat man keinen Erfolg, bietet man dem Gegner eine hervorragende Field Position. Deshalb wird er zumeist nur in Verzweiflungssituationen aus der Trickkiste gekramt (wenig verbleibende Spielzeit bei großem Rückstand).
Der Kicker setzt beim Anstoß diesmal auf Gefühl statt Kraft: Das Ei kann je nach bevorzugter Variante geschoben werden oder mit Topspin angedreht - oftmals wird dabei sogar noch in letzter Sekunde die Richtung geändert. Ziel ist es, den Football für den Gegner unberechenbar springen zu lassen, um so den eigenen Standortnachteil auszugleichen.
Kicken, blocken, covern
In der herkömmlichen Variante kurz vor dem Spiel wissen beide Coaches, was kommt. Dementsprechend wird das Personal angepasst: statt klobigen Blockern lieber schnelle und vor allem ballsichere Akteure wie Receiver oder Cornerbacks - beim Receiving Team auch das "Hands Team" genannt. Aber auch hier gibt es eine klare Rollenverteilung (auf beide Seiten des Feldes aufgeteilt, nicht mehr als 6 Spieler dürfen auf einer Seite stehen).
Ist der Kick erfolgt, stürzen sich die Teamkollegen des Kickers in Richtung Ball - aber nicht nur auf ihn, sondern auch auf den Gegner: Der ersten Welle geht es vor allem darum, die Gegner weg zu blocken und den Ball im Spiel zu halten, damit er von den Spielern dahinter aufgegriffen werden kann. Umgekehrt haben auch die Empfänger Blocker an vorderster Front, damit die ballsicheren Jungs dahinter ungestört zugreifen können. Was es heißt, wenn man diese Rolle als Blocker nicht ernst nimmt und stattdessen nach dem Ball schielt, mussten die Green Bay Packers in den letztjährigen Playoffs am eigenen Leib erfahren.
Natürlich ist es auch möglich, einen Onside Kick auch aus heiterem Himmel auszupacken. Bestes Beispiel dafür sind die New Orleans Saints, die die Colts im Super Bowl XLIV nach dem Seitenwechsel kalt erwischten. Und natürlich steigen die Chancen auf eine "Recovery" des Balles dann auch. Dennoch sind die Chancen eher klein - in dieser Saison kam es erst in Week 7 zu einem erfolgreichen Onside Kick. Und Head Coaches in der NFL sind ja bekanntermaßen allergisch gegen Risiko (siehe Two-Point-Conversion)...