Selbstzerstörung, wohin man schaut

Von Adrian FrankeMarcus Blumberg
03. Februar 201609:17
San Franciscos Coach Jim Tomsula hatte im Spiel gegen Arizona wenig Spaß mit den Refsgetty
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Eigens verursachte Probleme waren das Thema in Week 12. Da wären die San Francisco 49ers, die gegen Arizona um den Touchdown betteln und von Interceptions wenig halten, die Pittsburgh Steelers, die beim Fake-Versuch eine Seite aus dem Colts-Playbook klauen, oder die Browns und die Ravens, die - das würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Nick Foles sammelt derweil wenige Argumente für sich und der Methusalem der Liga siegt weiter. Den Überblick behält der Hangover.

Der Catch der Woche: Odell Beckham Jr. Also langsam wird's ja langweilig. Klar, Odell Beckham Jr. kann den Ball fangen - im Stehen, im Laufen, rückwärts in der Luft gebogen und offenbar auch im Hechtsprung und mit einer Hand in die Endzone segelnd. Und weil der Wide Receiver der New York Giants Linkshänder ist, kann man nicht mal in der ursprünglichen Bedeutung der Floskel sagen, er hätte den Ball "mit links" gefangen...

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Aber Spaß beiseite. OBJ ist ein unglaublicher Freak und scheinbar gibt es für ihn nichts Leichteres, als solche Wahnsinns-Plays in Reihe hinzulegen. Weiß der Mann eigentlich, dass man einen Football auch ganz normal mit zwei Händen fangen kann und das auch keine Punktabzüge gibt?! Aber eigentlich muss er das auch nicht, worauf sollten wir sonst am Montagmorgen verdutzt und mit offenem Mund starren?

Der Flop der Woche: Der Onside Kick in Richtung Zuschauerränge. Wenn es eng wird am Ende braucht es schon mal einen Onside Kick, um sich den Ball schnell zurück zu holen. Die Miami Dolphins waren ob des klaren Rückstands bei den New York Jets voll im Verzweiflungsmodus und versuchten folglich genau das - einen Onside Kick in Form eines Pooch-Kicks, der genau hinter dem aufgerückten Hands-Team landen und für Konfusion beim Gegner sorgen soll.

Zumindest muss irgendetwas in der Art der Plan der Dolphins gewesen sein. Doch die Ausführung gelang...naja, nicht so ganz. Rookie-Kicker Andrew Franks traf den Ball so schlecht, dass das Leder nicht nur über alle Gegenspieler segelte, sondern auch noch deutlich im Seitenaus landete. Immerhin sorgte er damit beim neutralen Publikum für den einen oder anderen Lacher, seinem Team geholfen hat die Nummer aber eher nicht.

Die Selbstzerstörung der Woche: San Franciscos Red-Zone-Desaster. Diese Sequenz war doch recht zäh. Zum Start des dritten Viertels brauchten die Arizona Cardinals beim Gastspiel bei den San Francisco 49ers nicht lange, um tief in die Red Zone einzudringen. Was dann aber passierte, war äußerst kurios.

Bei First and Goal von der 3-Yard-Line versuchte Carson Palmer einen Pass zu Larry Fitzgerald, der nicht ankam. Aber es flog eine Flagge für Defensive Pass Interference durch Jimmie Ward. First and Goal von der 1 also. Zwei Spielzüge später: Palmers Pass zu Brown ist incomplete, doch es fliegt eine Flagge - Illegal Use of Hands, Hands to the Face durch Trumaine Brock - First and Goal an der 2! Drei Spielzüge später dann: Incompletion zu Fitzgerald, aber: Pass interference gegen Michael Wilhoite! First and Goal an der 1!

Dann war es aber mal gut mit all dem Quatsch, oder? Mitnichten! Drei Snaps später: Pass Interference gegen die Defense in der Endzone - Eric Reid gegen Fitz - First and Goal an der 1! Falls wer nicht mehr mitbekommt, das war das dritte First Down innerhalb der 2-Yard-Line in dieser Zeit! Es folgte, weil's so schön war, der nächste unvollständige Pass von Palmer in die Endzone und die nächste Flagge: Wer hatte noch nicht? Richtig, Gerald Hodges gegen Jermaine Gresham - DPI! First and Goal an der - ihr werdet es euch inzwischen denken können - 1!

Zwei Spielzüge später passierte schließlich doch noch das Unfassbare: David Johnson lief mit Ball und ohne Flaggen in die Endzone zum Touchdown! Der erste im Spiel übrigens. Und wir lehnen uns nicht zu weit aus dem Fenster, mit der These: Damit hatte kaum noch jemand gerechnet...

Kurz vor dem Karriereende steht...Nick Foles. Aufgrund der Gehirnerschütterung von Case Keenum stand am Sonntag doch wieder Nick Foles als Quarterback der St. Louis Rams auf dem Platz. Und er nutzte seine Chance - um zu zeigen, warum ihn Coach Jeff Fisher überhaupt erst auf die Bank gesetzt hatte.

Nach solidem Start ohne größere Fehler ging es mit fortlaufender Spieldauer so langsam den Bach runter für den Ex-Eagles-Quarterback, der vor nur zwei Jahren noch (statistisch betrachtet) eine MVP-würdige Saison abgeliefert hatte. Gegen Cincinnati hingegen leistete er sich gleich drei Interceptions: Die erste kann passieren. Der Ball war abgefälscht und Reggie Nelson pflückte das Leder via Tip-Drill aus der Luft. Kein Ding. Aber die anderen beiden, die waren einfach nur schlimm! Sowohl Leon Hall, als auch George Iloka mussten nicht viel tun, um die Bälle abzufangen - sie gingen ja im Grunde genau in ihre jeweiligen Richtungen.

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Da hilft es auch nicht, dass Foles nach dem Spiel ankündigte: "Ich werde nicht aufgeben. Ich werde weiter arbeiten." Nach dieser Glanzvorstellung darf vielmehr auch wirklich ganz offen diskutiert werden, wer denn im nächsten Jahr die Pässe für die Rams werfen wird. Es wird aber wohl jemand sein, der aktuell noch nicht der Organisation angehört.

Der weise alte Mann der Woche: Matt Hasselbeck. Weg von schlechtem Quarterback-Play, hin zu etwas Historischem: Matthew Hasselbeck, der mit seinen 40 Lenzen ja nun schon für sich selbst betrachtet recht historisch daher kommt, hat das Kunststück vollbracht, als erster Quarterback in seinem nun schon fast biblischen Alter seine ersten vier Spiele nach dem 40. Geburtstag zu gewinnen.

Das gelang Hasselbeck komplett ohne Gehhilfe (und, um im Thema zu bleiben - auch ohne die Hilfe eines Running Games)! Wir sind total begeistert und gespannt, was passiert, wenn Andrew Luck seine Verletzungspause überstanden hat. Wer spielt dann eigentlich, Mr. Pagano?

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Die Brett-Favre-Gedächtnis-Plays der Woche: Blake Bortles. Am Donnerstag noch wurde ja Brett Favre im Lambeau Field von den Green Bay Packers geehrt. Und wie die Älteren von euch wissen - also die, die auch noch den frühen Hasselbeck bei den Seahawks erlebt haben (die damals auch schon mal richtig gut waren) - neigte Green Bays (nunmehr offiziell) ewige Nummer 4 mitunter dazu, verrückte Dinge zu machen. Wie etwa, im Eifer des Gefechts, das Werfen des Balls, obwohl die Line of Scrimmage schon überquert war.

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Sagen wir's so: Jacksonvilles Blake Bortles muss ein großer Fan von Favre sein, denn gegen San Diego warf er nicht einmal nach Überqueren der Line of Scrimmage vorwärts, sondern gleich zweimal! Beide Male kurz vor der gegnerischen Endzone noch dazu, und wirklich knapp war es auch nicht. Schmerzfrei ist er, der Bortles!

Die Verletzung der Woche: Jimmy Graham. Der Sonntag war kein guter Tag für Superstar-Tight-Ends . Doch während Rob Gronkowski von den New England Patriots wohl mit dem Schrecken davon gekommen ist und sich mutmaßlich nicht ernsthaft am Knie verletzt hat, traf es Jimmy Graham von den Seattle Seahawks umso schlimmer! Er crashte beim Versuch, einen weiten Pass von Russel Wilson in der Endzone zu fangen, übel zu Boden und verletzte sich schwer am Knie. Die Diagnose: Ein Riss der Patellasehne - Saison gelaufen.

Das ist in jeder Hinsicht äußerst bitter, denn er ist nicht nur nach Gronk der wohl beste Tight End der NFL - Tyler-Eifert-Fans mögen mir verzeihen - er hatte auch gerade angefangen, sich bei den Seahawks zurechtzufinden. Und die brauchen angesichts ihrer aktuellen Defensivprobleme eigentlich jeden Mann, um offensiv mitzuhalten. Verletzungen sind immer Mist, aber wenn sie die ganz großen Namen erwischen (und das war in dieser Saison ja nun doch schon häufiger der Fall), dann ist der Schock und das Bestürzen eigentlich immer teamübergreifend spürbar. Ein großer Verlust für den Rest der Saison, auch aus neutraler Sicht.

Der Höhenflug der Woche: Die Washington Redskins. Die Redskins, die bislang auch eher so mittel unterwegs waren, haben es doch tatsächlich fertig gebracht, die Führung in der NFC East zu übernehmen - mit einer 5-6-Bilanz, aber immerhin! Durch den verdienten Sieg über die New York Giants und pünktlich zum jetzt anstehenden Prime-Time-Spiel gegen die Dallas Cowboys dürfen die Skins nun auf ihre erste Playoff-Teilnahme seit der Rookie-Saison von Robert Griffin III hoffen.

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Nicht, dass RG3 irgendwas mit der aktuellen Leistung des Teams zu tun gehabt hätte. Aber scheint das nicht eine gefühlte Ewigkeit her zu sein? Die Spieler jedenfalls sind begeistert vom aktuellen Höhenflug - man frage mal nach bei Defensive End Chris Baker. Nebenbei: Hey Chris, wenn du das hier liest - und warum auch nicht - wie findest du denn den Hangover so als Ganzes?

Achso: Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass sich die Giants (wie schon so oft in dieser Saison) wieder einmal gründlich selbst im Weg standen. Anstatt sich selbst zumindest eine Chance auf den späten Touchdown-Drive zu geben, versaute Dwayne Harris einen Punt komplett: Von der 1-Yard-Line trug er den Ball völlig unnötig wenige Yards zurück, anstatt das Ei in die Endzone fallen zu lassen. Das kostete die Giants 15 Yards und knapp acht Sekunden, die am Ende schmerzlich fehlten.

Der Flop der Woche II: Pittsburghs Fake-Field-Goal. Beim Stand von 3:0 früh im Spiel standen die Steelers am Sonntag an Seattles 27-Yard-Line. Es war Fourth Down, die vermeintliche Field-Goal-Unit kam auf den Rasen. Doch plötzlich stellte sich Pittsburgh in einer Art Shotgun-Pass-Formation auf - und Backup-Quarterback Landry Jones erhielt den Snap.

Soweit so gut, soweit so legitim. Doch was dann folgte, war...unglücklich, gelinde gesagt: Jones versuchte mit seinem Pass Offensive Lineman Alejandro Villanueva zu erreichen, doch der Ball kam viel zu kurz und wurde problemlos von Jeremy Lane abgefangen. "Der Kerl hat einfach ein tolles Play hingelegt", verteidigte Jones seinen furchtbaren Wurf anschließend. "Als der Ball meine Hand verließ, dachte ich, dass es ein guter Wurf ist. Ich dachte, ich bekomme ihn über den Gegenspieler."

Die lapidare Erklärung von Coach Mike Tomlin: "Ich habe ein Fake-Field-Goal angesagt. Das hat nicht geklappt. Es geht auf meine Kappe, aber das gehört zum Spiel dazu." Und letztlich sind wir doch auch froh, dass dem so ist. Denn unterhaltsam war es (für den neutralen Beobachter sowie den geneigten Seahawks-Fan) allemal. Trotzdem bleibt eine Frage: Wer verhökert eigentlich Seiten aus dem Colts-Playbook an andere Teams?

Der Drop der Woche: Wir gehen nochmals kurz zurück nach San Francisco. Arizona hatte, wie der geneigte Leser bereits gemerkt hat, so seine liebe Mühe mit den 49ers. Das Spiel war über die vollen 60 Minuten wesentlich knapper, als vorher zu erwarten war. Eine Interception in der Endzone kann in einer solchen Partie durchaus den Ausschlag geben - nicht wahr, Tramaine Brock?

Der Cornerback der 49ers bekam den Ball, als Cardinals-Receiver J.J. Nelson während seiner Route ausrutschte, quasi auf dem Silbertablett serviert. Er musste eigentlich nur noch zupacken. Eigentlich. Der Hangover-Award für den "Drop der Woche" lässt bereits vermuten, dass das mit dem Zupacken nicht so ganz klappte. Wurde er durch die kalifornische Sonne geblendet? Stand der Wind gerade ungünstig? Man weiß es nicht. Aber generelle Faustregel: Wenn der Ball von deiner Brust abprallt, hättest du ihn wahrscheinlich auch fangen können...

Das Play der Woche: Baltimores Game-Winner. Nach San Francisco, Pittsburgh und den Giants kommt der nächste Beitrag zum Week-12-Sammelsurium der Selbstzerstörungen aus Cleveland. Im Duell der Backups gegen die Browns leistete zunächst Baltimores Flacco-Ersatz Matt Schaub seinen Teil, indem er, nach dem fast obligatorischen Pick Six, auch kurz vor Schluss eine Interception warf.

Cleveland, seinerseits inzwischen ebenfalls mit dem Ersatz-Quarterback zugange, hatte so die Chance, in Primetime ein Division-Spiel zu gewinnen und die leidgeplagten Fans für einen Abend zu versöhnen. Es sollte geringfügig anders kommen: Zunächst vermasselten die Browns ihr Time-Management komplett, weil sie erst viel zu lange brauchten, um einen Spielzug anzusagen und Austin Davis kurz darauf zu Boden rutscht - anstatt einfach ins Seitenaus zu spazieren.

So gab es den weiten Field-Goal-Versuch und Baltimore war zur Stelle: Brent Urban bekam die Hand an den niedrigen Kick und Will Hill konnte die Seitenlinie runter in die Endzone sprinten. Ein völlig verrücktes Finish und gleichzeitig der gebührende Abschluss für die Serie: "Selbstzerstörung in Week 12".

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Der Schedule: Week 12 im Überblick