Der Pro Bowl steht am Scheideweg. Eine historische Absagen-Welle bestätigt die schlechte Entwicklung der vergangenen Jahre, so dass die Nominierungen zur Farce werden. Klar ist: So hat das Spiel keine Zukunft. Doch welche Alternativen gibt es? Wo kann die Liga noch ansetzen? Und: Will sie das überhaupt?
Stell dir vor, es ist Pro Bowl - und niemand geht hin...? Noch nie kam die NFL diesem Problem so nahe wie nach dieser Saison. 88 Spieler werden am Sonntagabend in Hawaii auf dem Platz stehen, 133 wurden insgesamt eingeladen und damit knapp acht Prozent der Spieler in der NFL. Exklusiv geht anders, eine wahre Flut an Absagen sorgte für die zahlreichen Nominierungen: Noch nie zuvor in der Geschichte des Pro Bowls lehnten derart viele Spieler eine Teilnahme dankend ab, unter anderem fünf der ersten sechs Quarterbacks.
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Lediglich Russell Wilson blieb aus dem ursprünglichen Sextett übrig, ergänzt wird er nun durch Tyrod Taylor, Eli Manning, Derek Carr, Teddy Bridgewater und Jameis Winston. Dieses Bild zieht sich wie ein roter Faden durch fast alle Positionsgruppen. Selbst eine Coach-Absage gibt es zu verzeichnen: Green Bays Mike McCarthy meldete sich mit Magenproblemen ab.
Trendwende bei den Spielern
Noch keine Saison war ein derart klarer Realitätscheck für die NFL. Während der Pro Bowl noch vor zehn, 15 Jahren ein schönes Event für die Spieler war, die ihre Familien mitbrachten und die Zeit in der Sonne genossen, hat schlicht ein Umdenken eingesetzt. Die Spieler sind sich den Auswirkungen von Football auf ihren Körper viel deutlicher bewusst, sie wissen, wie wichtig die Regeneration ist.
Deshalb werden heute leichte Verletzungen vorgeschoben - und selbst das nicht immer. Spieler sagen inzwischen auch ganz ohne Grund ab. Ein anonymer Berater bestätigte dem Bleacher Report: "Die Spieler verachten dieses Spiel jetzt mehr als jemals während meiner Zeit in der NFL. Sie sehen es nicht nur als Zeitverschwendung, sondern auch als Nachteil für ihre Regeneration."
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Dazu kommt das Verletzungsrisiko, das auch die abgeschwächte Art des Footballs im Pro Bowl mit sich bringt. Die Spieler des Siegerteams erhalten im Pro Bowl 58.000 Dollar, die des Verliererteams 29.000 Dollar. Mit Blick auf die Verträge in der NFL ein kleiner Trost, wenn man dafür nach einer langen Saison die Vorbereitung auf die kommende Spielzeit aufs Spiel setzt. Was also bringt die Zukunft dem Pro Bowl? Ein Erklärungsansatz in vier Variationen.
1. Die Veranstaltung komplett abschaffen: Dieser Tage der wohl populärste Ansatz - und es ist trotz 65-jähriger Pro-Bowl-Geschichte nicht so, als stünde die Liga mit Herz und Seele hinter dem Event. Schon 2012 hielten sich Gerüchte über das Ende der Veranstaltung hartnäckig, 2014 stand sie erneut auf der Kippe: Spielerverbands-Präsident Dominique Foxworth verriet der USA Today, dass Commissioner Roger Goodell "sehr ernsthaft" erwägt habe, das All-Star-Spiel abzusagen, "denn offenbar ist es sehr teuer und für sie von keinem großen Wert. Um ehrlich zu sein, war ich damit einverstanden. Dann habe ich aber mit den Spielern gesprochen und sie lieben es."
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Einige Profis haben Boni-Zahlungen in ihrem Vertrag verankert, die nur greifen, wenn sie im Pro Bowl auch tatsächlich spielen. Das Spiel fand letztlich auch dank des Einsatzes des Spielerverbandes doch statt. Die Liga versuchte ein neues Format, statt Conference-basierter Teams wählen zwei ehemalige Stars ihre Teams in einer Art Draft. "Der Pro Bowl wurde langweilig. Ich denke, so gibt man dem ganzen ein neues Element", hoffte etwa Cardinals-Cornerback Patrick Peterson.
spoxUnter anderem ein größerer Wettkampf und mehr Konkurrenz zwischen den beiden Teams sollte so geschaffen werden - doch die Fans quittierten es mit deutlichem Desinteresse: Im ersten Jahr sanken die TV-Zahlen um 13 Prozent, 2015 fielen sie noch einmal um 16 Prozent. Ein Spiel, in dem es im wahrsten Sinne des Wortes um nichts geht, das kaum Körpereinsatz erlaubt und einen ernsthaften, komplexen Game Plan angesichts der kurzen Zeit zusammen nicht ermöglicht, kann nur noch wenige Football-Elemente bieten.
Eine ganz praktische Alternative wäre, sollte die Liga das Spiel streichen: Die Pro-Bowl-Wahl wird nach wie vor abgehalten, so dass entsprechende Boni-Zahlungen weiter möglich sind und die besten Spieler ihre Auszeichnung bekommen. Das Spiel selbst findet aber nicht mehr statt.
2. Der Pro Bowl als Probelauf: Ein möglicher Aspekt des Pro Bowls, der schon in den vergangenen Jahren zu beobachten war. Beim Vorjahres-Spiel etwa wurde nicht nur der Abstand zwischen den Torstangen verkürzt, es markierte auch die Einführung des erschwerten Extra-Punkts nach dem Touchdown aus 33 Yards. Auch für andere mögliche Neuerungen, etwa neue Video-Review-Formate, Kick-Off-Veränderungen und dergleichen, kann der Pro Bowl genau wie die Preseason herhalten.
Darüber hinaus dürfte der Pro Bowl bald auch als Möglichkeit fungieren, um die NFL weiter in alle Welt zu exportieren und andere Länder als England womöglich für die International-Serie zu testen. Als heißer Anwärter auf einen Pro Bowl gilt derzeit Australien. "Es ist schwer vorstellbar, ein Regular-Season-Spiel in Australien, Asien oder im Fernen Osten auszurichten", betonte Mark Waller, NFL-Vizepräsident für Internationales. "Das tolle am Pro Bowl ist aber, dass es eine Feier zum Saisonende ist. Daher haben wir hier bei der Ortswahl viel mehr Möglichkeiten."
Der College-Football hat es bereits nach Sydney geschafft: Am 27. August eröffnen Berkeley und Hawaii ihre Saison in Down Under. Auch Rio de Janeiro und Mexiko sind mittlerweile im Rennen und wollen den Pro Bowl ausrichten. Keine Frage: Die Stadien wären voll, NFL-Fans würden eine der wenigen Gelegenheiten nutzen, um ihre Stars live zu sehen. Allerdings darf man bezweifeln, dass der Pro Bowl mit all seinen Schwächen unbedingt der richtige NFL-Botschafter ist. Auf Hawaii waren in den vergangenen Jahren ob des mangelnden Einsatzes der Spieler bereits deutliche Buhrufe zu hören.
3. Skill-Wettbewerb? 7-on-7? Die kreative Lösung: Das zentrale Problem des Pro Bowls ist: Im Gegensatz zum Basketball oder zum Baseball ist es nahezu unmöglich, mit derartigen Einschränkungen auch nur den Hauch eines NFL-Feelings zu vermitteln. Warum es also versuchen? Warum nicht in eine komplett andere Richtung gehen? Das könnte etwa in einer Art Kombination aus Skill-Wettbewerben und Sieben-gegen-Sieben-Partien stattfinden.
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So könnten sich die Spieler am Tag des Pro Bowls in verschiedenen Kategorien messen. Wer ist der schnellste Pro Bowler? Welcher Kicker kommt am weitesten? Welcher Spieler ist auf der Hantelbank der stärkste? Für die Quarterbacks könnte es Wettbewerbe zur Passgenauigkeit geben. Gekrönt würde die Veranstaltung dann mit einem Sieben-gegen-Sieben-Turnier, das viel mehr Tempo und mehr Action in Aussicht stellt, während Football-Basis-Konzepte (Routes, Reads, Pass-Defense) weiter vertreten sind - ohne dabei aber zu versuchen, ein tatsächliches NFL-Spiel zu imitieren.
4. Alles bleibt (fast) wie es ist: Bei aller Kritik muss man allerdings auch festhalten: Die Fans geben der NFL, abgesehen vom reichhaltigen Spott in den sozialen Netzwerken, keinen wirklichen Grund, etwas zu ändern. Im Jahr 2014 hatte der Pro Bowl noch immer höhere Einschaltquoten als jedes einzelne Spiel der Eastern und Western Conference Finals in der NBA sowie mehr Zuschauer als jedes der Spiele im Stanley Cup - und auch mehr als die Partien der NL- und AL-Championship-Serien in der MLB.
Kurzum: Selbst das uninteressanteste Spiel im NFL-Kalender zieht nach wie vor Massen an, von denen die anderen großen Sportarten mitunter nur träumen können. Somit dürfte auch in den kommenden Jahren weiter an einigen kleineren Schrauben gedreht werden, um Dinge auszuprobieren und den Pro Bowl interessanter zu machen - ohne aber dabei zum Kern des Problems zu kommen.
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Eine generelle Abschaffung scheint so nur dann denkbar, wenn zahlreiche Spieler eine Teilnahme kategorisch ausschließen und in der Folge auch das Interesse der Zuschauer weiter schwindet. Auch wenn die NFL selbst mit ihrem All-Star-Game nachweislich nicht zu 100 Prozent zufrieden ist.
Doch nach wie vor gibt es genügend Spieler, die gerne zum Pro Bowl kommen und das Event trotz allem genießen. Stellvertretend dafür erklärte Eli Manning: "Wir wollen da raus gehen und eine gute Show liefern. Wir wollen gut spielen, ich denke, viele der Jungs sehen dieses Spiel mit einem gewissen Stolz und wollen zeigen, was sie können. Natürlich hat die Sicherheit und Gesundheit der Spieler oberste Priorität, aber wir müssen uns behaupten." Bleibt abzuwarten, wie viel davon noch am Sonntagabend übrig ist.