Willkommen im Eisschrank!

Von Adrian FrankeStefan Petri
10. Januar 201615:13
Vor wenigen Wochen noch schlug Seattle Minnesota ohne jegliche Problemegetty
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Die Playoffs sind in vollem Gange, in der AFC gab es gleich zwei völlig verschiedene Duelle - die Chiefs und die Steelers bleiben im Rennen. Am Sonntag steigt auch die NFC ein, und das zunächst aus dem Kühlschrank von Minnesota. Die Vikings empfangen Seattle, die Hawks müssen ohne Marshawn Lynch ran. Anschließend kommt es zum Kracher in der Hauptstadt: Die Green Bay Packers wollen gegen Washington alte Probleme überwinden.

No. 3 Minnesota Vikings (11-5) - No. 6 Seattle Seahawks (10-6) (So., 19.05 Uhr)

Der Weg in die Playoffs:

Minnesota: Nach der ernüchternden Auftakt-Pleite in San Francisco fand Minnesota beeindruckend schnell in die Spur. Die Vikes gewannen sieben ihrer darauf folgenden acht Spiele und schienen auf bestem Wege, die strauchelnden Packers in der NFC North zu überholen. Doch dann kam das direkte Duell und der nächste herbe Dämpfer: Green Bay gewann in Minnesota völlig ungefährdet mit 30:13 und rückte die Verhältnisse wieder zurecht - zumindest vorerst.

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Es folgte ein Schlussspurt mit Pleiten gegen Seattle und in Arizona, Siege über die Bears und die Giants bescherten den Vikings aber dennoch zumindest das Division-Finale gegen Green Bay. Und dieses Mal sollte es anders laufen: Minnesotas Defense dominierte die Packers-Offense über weite Strecken komplett und ebnete den Weg für einen 20:13-Auswärtssieg. Die Division-Krone ging somit an die Vikings.

Seattle: Nach Week 6 sahen die Dinge in Seattle gar nicht so rosig aus. Die Seahawks starteten mit vier Pleiten aus den ersten sechs Spielen in die Saison, der Holdout von Safety Kam Chancellor machte sich bemerkbar - in Form von sichtbar mangelnder Spielpraxis auch noch nach seiner Rückkehr. Marshawn Lynch verletzte sich, die O-Line wackelte, zahlreiche Führungen wurden im Schlussviertel noch abgegeben und Arizona zog in der Division davon.

Doch der 20:3-Sieg über San Francisco in Week 7 markierte einen Wendepunkt. Russell Wilson wurde immer stärker aus der Pocket, das Passing Game explodierte förmlich. Zudem glänzte Thomas Rawls in seiner Rolle als Lynch-Backup und zauberte einige herausragende Leistungen aufs Parkett. Den Schlussspurt mussten die Hawks dann auch noch ohne den ebenfalls verletzten Rawls sowie ohne Neuzugang Jimmy Graham (Patellasehne) bestreiten, aber mit starker Defense und einem noch stärkeren Wilson zog Seattle in die Playoffs ein.

Die aktuelle Situation:

Minnesota: Die Lage im Vergleich zur 7:38-Pleite gegen Seattle vor fünf Wochen könnte kaum unterschiedlicher sein. Die defensiven Säulen Anthony Barr, Linval Joseph und Harrison Smith stehen allesamt wieder zur Verfügung, was die Aufgabe für Seattle deutlich erschweren sollte. Ohnehin ist allein aufgrund der äußeren Bedingungen ein anderes Spiel zu erwarten: Die Meteorologen prognostizieren Temperaturen von bis zu -17 Grad Celsius. Fans wird bereits empfohlen, auf elektronische Tickets via Handy zu verzichten - zu groß ist das Risiko, dass die Technik dem Wetter nicht standhält.

Coach Mike Zimmer mahnte dennoch: "Vor einigen Wochen haben sie uns ziemlich böse vermöbelt. Das war nicht einmal knapp. Deshalb müssen wir jetzt wirklich eine Topleistung abrufen. Wir dürfen uns keine Gedanken darüber machen, wer mehr Playoff-Erfahrung hat. Wir müssen vorher die notwendigen Dinge erledigen, um das Spiel zu gewinnen."

Ein Ausfall, der sich allerdings bemerkbar machen dürfte, ist der von Rhett Ellison. Der Tight End ist keine besonders gefährliche Waffe im Passing Game - aber ein extrem guter Blocker im Run Game. Umso wichtiger dürfte die Defense sein, die sich im Schlussspurt der Regular Season zu einer Top-Einheit gemausert hat.

Seattle: Dass Jimmy Graham und Thomas Rawls in dieser Saison keine Rolle mehr spielen würden, war planbar. Dass aber Marshawn Lynch ausfällt, kam dann doch überraschend. Lynch plagte sich wochenlang mit Problemen an der Bauchmuskulatur herum und musste gar operiert werden, dennoch deutete zum Wochenbeginn alles auf einen Einsatz hin. Selbst Coach Pete Carroll gab sich öffentlich extrem optimistisch und kündigte gar an, dass Lynch spielen werde.

Dann gab es allerdings die Überraschung: Lynch fällt doch aus, die Reise nach Minnesota hat er nicht einmal angetreten. Meldungen, wonach der bisweilen exzentrische Running Back nicht mitreisen wollte, machten die Runde - hier könnte den Hawks noch eine spannende Offseason bevorstehen.

Davon abgesehen aber kann Coach Pete Carroll nahezu aus dem Vollen schöpfen: Safety Kam Chancellor sowie die O-Liner Russell Okung und J.R. Sweezy können wohl allesamt wieder mitwirken. Es wären drei enorm wichtige Stützen: Chancellor wird gegen Minnesotas Running Game gebraucht, die O-Line wird gegen Everson Griffin und Linval Joseph jede Hilfe benötigen, die sie kriegen kann. Carroll ist sich jedenfalls sicher: "Jeder hier ist davon überzeugt, dass wir überall gewinnen können."

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Players to Watch:

Minnesota: Teddy Bridgewater und das Receiving-Corps. Minnesota gehörte im Passing Game zu den schlechteren Teams der Regular Season: 7,1 Yards pro Pass, nur 14 Touchdown-Pässe und ganze 183 Passing-Yards pro Spiel (nur St. Louis war hier mit 175,3 noch schlechter): Es ist kein Geheimnis, wie die Offense der Vikings funktioniert: Adrian Peterson ist das Zauberwort.

Das wurde im ersten Duell dieser beider Teams ebenfalls mehr als offensichtlich, als Bridgewater zwar 17 Pässe anbrachte - die aber für lediglich 118 Yards, ohne Touchdown und mit einer Interception. Minnesota wird im Rematch gegen die Seahawks deutlich mehr von der eigenen Pass-Offensive brauchen, damit man gegen Seatttles starke Offense mithalten kann. Das kann durchaus auch über Screens und kurze Pässe zu den Tight Ends funktionieren.

Seattle: Christine Michael. Dass Russell Wilson inzwischen Spiele auch aus der Pocket diktieren und dominieren kann, ist längst kein Geheimnis mehr. Wie genau das Passspiel im kalten Minnesota aber aussehen wird, ist schwer vorhersehbar und in jedem Fall werden die Vikings ein zumindest solides Running Game brauchen. Ohnehin kann man es sich gegen diese Vikes-Defense nicht mehr leisten, eindimensional zu werden.

Hier hätte eigentlich Marshawn Lynch ins Spiel kommen sollen, doch der Ausfall von Beast Mode rückt Michael in den Fokus. Seattles Offensive Line ist im Run-Blocking deutlich besser geworden, davon profitierte Michael zuletzt bereits. Die Seahawks werden ihn gegen die Vikings in Bestform brauchen. Liefert Michael nicht, muss Wilson die Offense einmal mehr alleine tragen.

Darauf kommt es an: Wie kommt Adrian Peterson ins Spiel? Bekommen die Vikings ihr Running Game früh ins Rollen? Daran dürfte sich das Spiel entscheiden. Minnesota steht bei zehn Siegen und nur einer Niederlage, wenn Peterson mindestens 18 Laufversuche hatte. Vier Mal waren es weniger als 18, vier Mal verlor Minnesota.

Auf der anderen Seite hat Seattle offensiv inzwischen ein brandgefährliches sowie extrem explosives Passing Game (8,3 Yards pro Pass, ligaweit der zweitbeste Wert in der Regular Season). Doug Baldwin, Tyler Lockett und Co. werden auch für eine gute Vikings-Secondary eine ernsthafte Prüfung darstellen.

Prognose: Die Seahawks werden es schaffen, das Running Game der Vikings zumindest so weit zu stören, dass es die Offense nicht tragen kann. Somit fällt diese Aufgabe Teddy Bridgewater zu, und der ist dafür noch nicht bereit. Jedenfalls nicht gegen diese Defense. Eine stark verbesserte Vikings-Defense verhindert, dass es eine erneute Abreibung gibt. Aber Seattle setzt sich am Ende durch. 26:16 Seahawks.

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No. 4 Washington Redskins (9-7) - No. 5 Green Bay Packers (10-6) (So, 22.40 Uhr)

Der Weg in die Playoffs:

Washington: Nach nur vier Siegen im letzten Jahr waren die Erwartungen in der zweiten Saison von Head Coach Jay Gruden nicht allzu hoch, zumal die Quarterback-Situation alles andere als unkompliziert war: Der gute Karrierestart von Robert Griffin III. schien Jahrzehnte her, sein Backup Kirk Cousins hatte sich auch nicht immer mit Ruhm bekleckert.

Doch als Griffin in der Vorbereitung mit einer Gehirnerschütterung ausfiel, musste "Captain Kirk" ran und sicherte sich schließlich auch den Job als Starting Quarterback. Der Saisonstart verlief nicht besonders erfolgreich: Receiver-Star DeSean Jackson verletzte sich schon beim Auftakt gegen die Dolphins, und Cousins feuerte fleißig Interceptions. Nach sechs Wochen stand man bei einer Bilanz von 2-4 - und in Week 7 lag man gegen Tampa Bay schon mit 0:24 zurück.

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Doch im vielleicht entscheidenden Moment der Redskins-Saison führte Cousins das Team doch noch zu einem 31:30 - größtes Comeback der Franchise-Geschichte - und lieferte danach im Kabinengang die geflügelten Worte "You like that!? YOU LIKE THAT!" ab. Danach war Cousins ein anderer Mensch. Und zwar einer der besten Quarterbacks der NFL. Die Redskins profitierten von der schwachen NFC East und gewannen fünf der letzten Spiele, um sich die Division-Krone aufzusetzen, zum ersten Mal seit 2012.

Green Bay: Bei den Packers verlief die Saison mehr oder weniger spiegelverkehrt. Zwar verloren die Offense und Quarterback Aaron Rodgers schon vor der Saison mit Jordy Nelson den besten Receiver, doch mit sechs Siegen in den ersten sechs Spielen - unter anderem schlug man die Seahawks und die Chiefs - war man auf Kurs, Rodgers spielte auf MVP-Niveau und die Lücken im Kader machten sich kaum bemerkbar. Auch die Defense machte einen guten Eindruck.

Und dann ging es abwärts. Plötzlich konnten die Receiver wie James Jones nicht mehr überzeugen, Running Back Eddie Lacy lieferte ein Auf und ab, und auch Rodgers zeigte ungewohnte Schwächen. So kassierte man gegen Denver, Carolina und die Bears vor eigenem Publikum drei Pleiten in Folge. Das einzige große Highlight in der zweiten Saisonhälfte war der Hail-Mary-Erfolg in letzter Sekunde in Detroit. Gegen die Cardinals gab es vor zwei Wochen eine derbe Schlappe, und auch das Saisonfinale gegen Minnesota um die NFC-North-Krone setzte man in den Sand. Heispiele in Lambeau wird es damit nicht gehen.

Die aktuelle Situation:

Washington: Seit der Schlappe gegen die Patriots, die die Skins auf 3-5 zurückwarf, ist Cousins einfach nur heiß wie Frittenfett: Drei Viertel seiner Pässe kommen an, 19 Touchdowns stehen nur zwei Picks zu Buche. DeSean Jackson ist wieder fit, mit ihm, Jordan Reed und Pierre Garcon hat er eine Menge Waffen zu Verfügung. Cousins spielt auch um einen neuen Vertrag, der aktuelle läuft aus. Legt er in der Postseason eine flotte Sohle aufs Parkett, sollte die Kasse klingeln - und die fast 36 Punkte im Schnitt in den letzten drei Partien sprechen eine deutliche Sprache.

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Vor allem die Offense muss es also richten, und da die Passing Offense. Denn am Laufspiel hapert es gewaltig: 4,8 Yards lässt die Defense pro Run zu (122 Yards pro Spiel), macht Platz 30 in der NFL. Und selbst legt man seit Oktober nur 3,5 Yards pro Laufspielzug auf. Die gute Form ist zudem mit Vorsicht zu genießen: Gegen drei Teams mit positiver Bilanz spielte man im Laufe der Saison (Jets, Pats, Panthers). Es setzte drei Pleiten. Deshalb warnte Coach Gruden bereits vor dem Gegner: "Das ist ein abgebrühtes Team auf der anderen Seite, mit einer Menge Playoff-Erfahrung. Wir müssen uns steigern."

Green Bay: So hat man Rodgers noch nie gesehen - oder zumindest schon eine Ewigkeit nicht mehr. Angesichts eines wechselhaften Running Games, einer Offensive Line im Schweizer-Käse-Format und überforderten Receivern wie Veteran James Jones hat A-Rod zum ersten Mal seit 2008 ein Passer Rating unter 100 vorzuweisen. In der zweiten Saisonhälfte ist er gar Schlusslicht in Sachen Completion Percentage, dazu kommen acht Turnover in den letzten sechs Spielen.

Trotzdem hat Cousins großen Respekt vor dem zweifachen MVP: "Aaron steht an der Spitze. Das habe ich wahrscheinlich auch über Tom Brady und Drew Brees gesagt, aber, ich meine, Aaron Rodgers ist Aaron Rodgers. Er ist schwer zu schlagen. Ich studiere sein Spiel und lerne von ihm." Rodgers muss es richten, aber seine Bewacher machen es ihm nicht leicht. 13 Mal wurde er in den letzten zwei Spielen gesackt, insgesamt kassierte kein Playoff-QB so viele Sacks wie er. "Dieses Risiko, dem er da ausgesetzt ist, ist inakzeptabel. Das weiß er auch", betonte Coach Mike McCarthy. Ebenfalls bitter: Cornerback Sam Shields muss mit einer Gehirnerschütterung weiter passen.

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Players to Watch:

Washington: Jordan Reed. "Captain Kirk" ist der Motor der D.C.-Offense, doch seine Lebensversicherung ist Tight End Jordan Reed. Der 25-Jährige ist besonders in der Red Zone das erste Ziel von Cousins und fing insgesamt schon 11 Touchdowns - fünf in den letzten vier Spielen. "Ich hab das Gefühl, dass ich das jede Woche sage: Er ist einer der Besten überhaupt", so Left Tackle Trent Williams. "Definitiv einer der Besten, und das beweist er immer wieder aufs neue."

Die Passing Defense der Packers gehört zu den besten, die die NFL zu bieten hat (Platz 6), auch gegen Tight Ends. Sie könnte es Reed schwer machen oder ihn in die Line zwingen, um den Pass Rush zu entschärfen. Doch Gruden macht sich keine Sorgen. "Sie haben noch keinen Tight End wie Jordan gesehen. Er ist ein ganz anderes Kaliber." Und: "Wenn sie ihn doppeln oder aus dem Spiel nehmen, kommen eben DeSean Jackson, Pierre Garcon, unsere Halfbacks und Jamison Crowder ins Spiel."

Green Bay: Eddie Lacy. Neue Receiver aus der flachen Hand zaubern können die Packers nicht. Umso wichtiger ist es, die schwache Run Defense der Redskins zu attackieren, so die Linebacker nahe an die Box zu zwingen und für Rodgers Platz zu schaffen, womöglich auch per Play-Action. Und da kommt Lacy ins Spiel. Der enigmatische Runing Back, der sich im Laufe der Saison auch mit Gewichtsproblemen herumplagte, lieferte vier Spiele mit mindestens 90 Yards ab, aber auch vier Spiele mit 10 oder weniger Yards Raumgewinn.

Es dürfte ein Zweikampf werden zwischen der schwachen Interior Defensive Line der Redskins und der ebenfalls unterdurchschnittlichen O-Line der Packers: Wer gewinnt den Kampf an der Line of Scrimmage? Lacy muss sich dabei gegen den Trend der letzten Wochen stemmen: In den letzten drei Spielen kam er auf lediglich 39 Yards im Schnitt, 3,3 Yards pro Carry.

Darauf kommt es an: Will the real Aaron Rodgers please stand up? Wenn Wisconsins QB-Ikone nicht ihre Bestform zeigen kann und Cousins Paroli bietet, wird es ganz schwer. Immerhin gibt es positive Vorzeichen aus der Vergangenheit: Auch 2010 ging man als Wild-Card-Team in die Playoffs - und holte anschließend den Titel.

Prognose: Es ist schon lange nicht mehr die Saison der Packers. Schon das Spiel gegen die Vikings war eigentlich ein Must-win-Game, trotzdem blieb man chancenlos. Die Redskins, wenn auch unerfahrener in den Playoffs, haben das Momentum und den Heimvorteil auf ihrer Seite - und derzeit auch den besseren Quarterback. Es wird der erste Playoff-Sieg für Washington seit zehn Jahren. 23:16 Redskins.

Florian RegelmannStefan PetriAdrian FrankeMarcus BlumbergBastian
Strobl
Seahawks @Vikings24:1323:1026:1638:1327:16
Packers @Redskins27:2416:2317:2417:2020:23
Week 17:8-811-510-6

9-7

11-5
Insgesamt161-95156-100

160-96

147-109

150-106

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Die Playoffs: Wildcard Weekend im Überblick