Innovationen, Frauen, Hollywood
Als Coach sollte er seinem Team aber noch 20 weitere Jahre erhalten bleiben. Taktikfuchs, meisterlicher Motivator - und unerreichter Innovator, der über die Buddhas eines Jürgen Klinsmann wohl nur müde gelächelt hätte. Lambeau war es, der Ende der 20er Jahre tägliches Training einführte, der das Passing Game verfeinerte. 1938 flogen die Packers erstmals zu Auswärtsspielen, 1942 hielt er seine Auswechselspieler lieber in der warmen Kabine als auf der Frozen Tundra. Training Camps im Sommer? Lambeau. Sogar das Filmstudium des Gegners wird ihm von einigen Zeitgenossen zugeschrieben.
Widerworte duldete er dabei allerdings nicht. Lambeau war der Star - und inszenierte sich und das Team entsprechend. Anzug und Krawatte bei Auswärtsspielen waren Pflicht, er selbst sowieso nur in feinstem Zwirn und teurem Parfüm unterwegs. "Er war ein Exzentriker", zitiert die Milwaukee Journal Sentinel einen damaligen Equipment Manager. "Er ging nicht aus dem Haus, bevor seine Frisur nicht absolut perfekt war. Immer schön angezogen. Mochte Frauen. Er ist immer mit jemandem ausgegangen."
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Bei den Ladies kam er gut an, der Sportler aus der Kleinstadt, der sich auch abseits des Sports zum Promi entwickelte. Lambeau verbrachte die Offseasons immer häufiger in Hollywood, freundete sich mit den großen Stars an. Blinkende Luxusschlitten, dicke Geldbündel. Nicht allen Bewohnern Green Bays gefiel es, dass sich ihr Ziehsohn Hollywood zugewandt, seine Wurzeln verraten hatte.
Die erste Frau war noch die typische High-School-Liebe. Die zweite eine ehemalige Miss Kalifornien, die dritte dann die Ex-Frau eines Regisseurs. Als er im Alter von 67 an Herzversagen starb, war er gerade dabei, den Rasen seiner etwa halb so alten Freundin zu mähen.
Trennung im Streit
Der Locker Room unter Lambeau war gespalten. Die Spieler liebten ihn für seine Klopp'schen Motivationskünste, für seinen Einsatz an der Seitenlinie, für die Annehmlichkeiten - und natürlich die Erfolge. Sechs Titel, darunter der Threepeat von 1929-31. Und sie hassten ihn für seine knallharten Verhandlungen, die eingeforderte Disziplin und die Tatsache, dass er sie nicht der Presse gegenüber verteidigte.
Als er 1946 auf eigene Faust Rockwood Lodge kaufte, ein weitläufiges Areal samt Hotel außerhalb der Stadt, handelte es sich nicht nur um ein neues Trainingsgelände. "Es war als Unterkunft für alle Spieler während der gesamten Saison vorgesehen", erinnerte sich Ex-Packer Ken Kranz bei ESPN. "Wir aßen und schliefen dort, nachts wurde die Anwesenheit kontrolliert. Auch die verheirateten Spieler und die mit Familie mussten bleiben, was ihnen natürlich überhaupt nicht gefiel."
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Es war eine typische Lambeau-Idee: Alles sollte dem Erfolg untergeordnet werden. Ohne Rücksicht auf die Spieler - und auf das Management, das mit dem stolzen Kaufpreis und den nicht minder teuren Umbauten und Unterhaltskosten alles andere als einverstanden war. In den Jahren darauf blieb der Erfolg aus, Schritt für Schritt begann er, Unterstützer zu verlieren. Und damit auch die internen Machtkämpfe. Mitgründer Calhoun hatte er schon 1945 vom Posten des Direktors für Öffentlichkeitsarbeit abgesägt.
1950 folgte schließlich die genauso bittere wie inzwischen unvermeidbare Trennung. Das Team gewann im Jahr zuvor nur zwei Saisonspiele und ächzte unter der finanziellen Last von Rockwood Lodge, das Verhältnis zwischen Lambeau und der Teamführung war irreparabel. Als man seine Entscheidungsbefugnisse einschränken wollte, nahm er am 1. Februar seinen Hut und wechselte zu den Chicago Cardinals. Sieben Tage zuvor war Rockwood Lodge bis auf die Grundmauern niedergebrannt - die Versicherungssumme schaffte die finanziellen Probleme der Franchise mit einem Schlag aus der Welt.
Vor dem Stadion verewigt
Es mag an diesem Abschied liegen, dass man die Packers eher mit Vince Lombardi (Head Coach von 1959-67, fünf Championships) verbindet, als mit ihrem Gründer und bis heute erfolgreichsten Übungsleiter. 209 Spiele hatte Lambeau mit der Franchise gewonnen, aus einer Gruppe Halbprofis, die auf einer Wiese spielten und trainierten, ein nationales Heiligtum gemacht. Oder daran, dass der Gründer die Art und Weise der Trennung nie überwinden konnte: Bis zu seinem Tod verweigerte er jegliche Versöhnung mit "seinem" Team.
Acht Jahre war da das neu errichtete Stadion im Herzen der Stadt schon alt - und im Nachhinein erscheint es wie eine glückliche Fügung, dass es bis zu diesem Zeitpunkt nur den informellen Namen "New City Stadium" trug. Zwei Monate nach Lambeaus Tod waren die Rufe nach einer Ehrung des Gründervaters so laut geworden, dass es in "Lambeau Field" umbenannt wurde.
Anschließend gewann das Team drei Titel in Folge. Und seit 2003 grüßt seine Statue vor dem verglasten Haupteingang. Den Football in der Hand, mit dem rechten Arm in die Ferne zeigend.
Natürlich überlebensgroß.