Es war eine bittere Niederlage, die die Steelers im Januar einstecken mussten. Lange hatte man das Spiel gegen die Denver Broncos im Griff, war gerade defensiv voll auf der Höhe. Doch ein Fumble von Fitzgerald Toussaint zur Unzeit läutete die Wende ein - Aus in der Divisional Round.
Dennoch war der Optimismus danach groß: Mit einem fitten Ben Roethlisberger, zwei starken Running Backs und Superstar-Receiver Antonio Brown würde man im Herbst wieder angreifen, auch ohne Martavis Bryant. Spätestens nach Ablauf der Sperre von Le'Veon Bell hätte man eine Offense, die ihresgleichen sucht. Für nicht wenige Experten waren die Steelers neben den ewigen Patriots der AFC-Favorit auf den Einzug in den Super Bowl.
Acht Regular Season Games später muss der Steel Curtain feststellen, dass das Team die hohen Erwartungen noch nicht wahr machen konnte. Nach drei Pleiten in Folge und einer gerade mal ausgeglichenen Bilanz kann von Schlagdistanz zu den Pats keine Rede sein. Man muss sogar konstatieren, dass der Playoff-Platz nicht gerade in Stein gemeißelt ist. Das Restprogramm scheint zwar machbar, aber die Spitze der AFC North haben derzeit die Ravens inne, und die Konkurrenz um die Wildcard-Plätze ist gewaltig, gerade in der AFC West.
Warum wischen sich die Steelers-Fans also mit ihren Terrible Towels trotzdem noch nicht den Angstschweiß von der Stirn? Weil sie Vertrauen in ihren Anführer haben. Der hatte unter der Woche eine prägnante Lösung parat:
"Folgt mir."
"Ich nehme die Schuld auf mich."
Das Selbstvertrauen des Hünen in sich und sein Team ist unerschüttert. Auch wenn die letzten drei Partien allesamt verloren gingen, gegen die Ravens in den ersten drei Vierteln gerade mal 69 Yards Offense erreicht wurden, und er selbst nach einem Meniskusriss offensichtlich noch nicht bei 100 Prozent ist.
Egal. "Folgt mir", gab der zweifache Champion die Richtung vor. "Schaut einfach, wie ich mit [Journalisten] rede und vollkommen ruhig bin. Es ist ganz einfach."
Was nicht heißt, dass Roethlisberger derzeit alles in den Schoß fällt. In Baltimore brachte er nicht einfach jeden zweiten Pass an den Mann, der konservative Ansatz mit viel Running Game zu Beginn in Kombination mit einem schwachen Big Ben bremste die Offense aus. Nimmt man noch die Niederlage gegen Miami hinzu, handelt es sich um eine der schwächsten Phasen seiner Karriere: Nur 22 Prozent Quote bei Third Downs, extrem schwach gegen den Pass Rush. Natürlich, es sind nur zwei Spiele, und gegen die Dolphins kam noch die Verletzung hinzu.
Aber auch Roethlisberger weiß, dass er sich deutlich steigern muss. "Ich nehme die Schuld auf mich", sagte er nach der Niederlage in Baltimore. "Ich muss präziser spielen." Zwar lobte er auch den Gegner, doch das Fazit war eindeutig: "Ich muss einfach noch besser werden."
Brown, Bell und Boswell nicht in Bestform
Denn von einem Quarterback in Bestform würden auch die anderen Protagonisten der Steelers-Offense profitieren. Brown und Bell waren zuletzt ein bisschen in der Versenkung verschwunden: Der Running Back erreichte in keinem der letzten vier Spiele mehr als 81 Rushing Yards, Brown hat in den letzten vier Spielen zwei Touchdowns auf dem Konto und nur einmal die 100-Yard-Marke geknackt. Für andere immer noch mehr als ordentlich, für "Downtown Antonio Brown" aber ein klarer Rückschritt im Vergleich zur vergangenen Saison.
Zum Schaden kam dann am vergangenen Sonntag auch noch Spott, als Kicker Chris Boswell den Rabona-Onside-Kick verpatzte und für Lacher sorgte. Er habe den Onside Kick einen Monat im Training geübt, das sei ihm noch nie passiert, erklärte er: "Das war ein schrecklicher Kick."
Fans und Spieler hoffen, dass es gegen die Cowboys keinen Onside Kick von Boswell geben wird - welcher Art auch immer. Schließlich ist man gerade im heimischen Heinz Field immer noch eine Macht und hat dort nur gegen New England verloren (ohne Roethlisberger), dafür aber etwa die Chiefs mit 43:14 abgestraft. "Daheim ist es immer ein bisschen einfacher", bestätigte Big Ben, dessen Passer Rating vor eigenem Publikum mit 122.2 deutlich höher ist als in der Fremde (74.2).
Die Offense hat zwei Gesichter
Er selbst will die erste Saisonhälfte abhaken und hinter sich lassen: "Wir schauen nur nach vorn. Wir müssen unsere beste Leistung zeigen, ob nun daheim oder auswärts." Konstanz ist gefragt, gerade in der Offense. Bei den vier Siegen markierte man 38, 24, 43 und 31 Zähler. Bei den vier Niederlagen dagegen durchschnittlich gerade mal zwölf.
Gegen die Cowboys wird man voraussichtlich auf Pro-Bowl-Center Maurkice Pouncey zurückgreifen können, der trotz eines ausgekugelten Daumens spielen will. Dafür fällt Backup-Running Back DeAngelo Williams nach einer Knie-OP unter der Woche für mehrere Partien aus. Seinen Platz wird Toussaint ausfüllen.
Um mit den Ravens (5-4) gleichzuziehen, hätte sich Steelers-Coach Mike Tomlin, der vergangene Woche angesichts von 13 Turnovern nicht gerade erfreut war, einen leichteren Gegner wünschen können.
Dallas schwimmt auf der Erfolgswelle
Sieben Siege in Folge hat America's Team nun schon in Serie feiern können. Ezekiel Elliot führt die Liga in der Kategorie Rushing Yards an und könnte den Rookie-Rekord von Eric Dickerson (1.808 Yards) brechen. Auch deshalb hat im Schnitt niemand so lange den Ball wie die Cowboys - und das wiederum führt dazu, dass den Gegnern nicht gerade viele Chancen auf Punkte bleiben. Selbst wenn die Defense nicht sonderlich viele Turnover produziert: 23 Punkte waren bisher das Höchste der Gefühle für die Kontrahenten.
Das spricht nicht unbedingt für Monster-Stats von Brown oder Bell. Defensive Coordinator Rod Marinelli ist im Gegenteil ein absoluter Meister darin, die großen Stars auf den Skill-Positionen zu stoppen: Bisher gab es noch keinen 100-Yard-Rusher oder -Receiver gegen Dallas.
Zu kritisieren gibt es bei den Cowboys derzeit also fast nichts. So konzentriert sich die Presse auf die Frage, ob und wann Tony Romo zurückkehren wird. Der hat am Mittwoch und Donnerstag zwei vollständige Trainingseinheiten mit dem Team absolviert, wird laut ESPN gegen die Steelers aber noch nicht im Kader stehen. Steht der Wechsel under Center also irgendwann bevor? Head Coach Jason Garrett und Besitzer Jerry Jones flüchten sich bislang in Allgemeinplätze: Man werde sein Pensum langsam erhöhen, von Tag zu Tag schauen. "Wenn er gesund ist, weiß ich nicht, ob ich ihn für irgendjemanden traden würde", adelte Jones seinen Liebling, der aber eben mittlerweile auch schon 36 Jahre alt ist.
Big Bens "absurde Körperhaltung"
Rookie-Quarterback Dak Prescott lässt den Trubel nicht an sich heran - zumindest nicht öffentlich. "Er sah in den letzten zwei Wochen gut aus", gab er über Romo zu Protokoll. Aber er selbst konzentriere sich nur auf das nächste Spiel. Schließlich sollen zu den 12 Touchdown-Pässen und vier Touchdown-Runs noch ein paar dazukommen.
Vor Roethlisberger haben die Gäste großen Respekt. "Er ist so ein Berg in der Pocket, dass man ihn kaum zu Boden bekommt", lobte Garrett im Vorfeld. "Er kann inmitten von Gegenspielern werfen, in absurder Körperhaltung, und das über das ganze Feld." Man müsse einfach an den Receivern dranbleiben, auch wenn das Down länger und länger werde.
Und dann gibt es da ja noch eine Sache, die Roethlisberger Prescott voraus hat. Letzterer ist nach sieben Siegen in Serie zwar nur noch ein W vom aktuellen Franchise-Rekord entfernt. Aber darüber kann Big Ben nur müde lächeln: 2004 gewann der als Rookie nämlich seine ersten 13 Starteinsätze.