"Er muss seinen Slide wahrscheinlich einfach ein bisschen schneller ansetzen."
"Darum geht es doch in unserem Sport: Elf Spieler krachen in elf andere Spieler."
"Wenn er sich Sorgen um seine Sicherheit macht, sollte er meiner Meinung nach nicht spielen."
Noch sind keine Spieler der Rams und Panthers aufeinander geprallt. Aber die ersten verbalen Giftpfeile flogen vor dem Spiel am Sonntag um 13.05 Uhr Ortszeit bereits hin und her. Und die meisten, wen wundert's, flogen in Richtung Cam Newton. Der hatte sich nach dem Sieg über die Arizona Cardinals in Week 8 bitterböse über die zu harten, nicht geahndeten Hits der Verteidiger beschwert - und sich publikumswirksam an Commissioner Roger Goodell gewandt: Er würde den Spaß am Spiel verlieren, sich nicht mehr sicher fühlen. Und überhaupt: "Seit ich in der Liga bin, heißt es: 'Oh, das haben wir übersehen, wir werden beim nächsten Mal besser aufpassen.' Mist ist das. Riesiger Mist."
Newton = Shaq?
Zur Aussprache zwischen dem MVP des Vorjahres und Goodell hatte es am Dienstag dann tatsächlich gegeben, auch wenn Newton sich zu Einzelheiten nicht äußern wollte. Konstruktiv sei es gewesen, man habe Standpunkte ausgetauscht und sei im Guten voneinander geschieden. Wahrscheinlich ging es um den tiefen Hit von Calais Campbell letzte Woche, der keine Flagge nach sich gezogen hatte, oder die Tatsache, dass der Panthers-QB in dieser Spielzeit erst eine "Roughing the Passer"-Flagge gezogen hat. Der Commissioner wird seinerseits ins Feld geführt haben, dass Newton außerhalb der Pocket als "Runner" eben keinen besonderen Schutz mehr genießt, dass Referees eben auch mal Fehler machen, und so weiter.
Alles wie gehabt. Die Liga wird sich hüten, Newton zum Opferlamm böswilliger Referees hochzustilisieren. Gleichzeitig ist aber auch klar: Superman hat mit seiner öffentlichen Schirischelte erreicht, dass gegen die Rams ganz genau hingeschaut werden wird. Wie Shaquille O'Neal werde sein Quarterback behandelt, bemängelte Panthers-Coach Ron Rivera: "Wenn andere solche Hits abbekommen, gehen sie zu Boden. Bei ihm sieht das dann einfach nicht so schlimm aus." Dennoch müssten für ihn die gleichen Regeln gelten.
Erlebe ausgewählte NFL-Spiele Live auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Kein Wunder also, dass die oben zitierten Herren William Hayes und Dominique Easley, ihrerseits Defensive Linemen aus Los Angeles, nicht sonderlich angetan waren vom Hilferuf des kommenden Gegners. Für eine sanfte Gangart sind die Rams ohnehin nicht bekannt: 68 Penalties hat man 2016 kassiert, mit Aaron Donald und Eugene Sims sind schon zwei Defensiv-Akteure des Feldes verwiesen worden. Ersterer kündigte an, man werde das eigene Spiel nicht umstellen: "Er hat den Körper eines Defensive Ends und die athletischen Fähigkeiten eines Running Backs. Um ihn zu tackeln, braucht man die Pads der großen Jungs."
Die Kontroverse um die harten Hits gegen Newton hat dabei fast den guten Auftritt der Panthers gegen Arizona überschattet, als man früh eine deutliche Führung herausspielte und Cards-Quarterback Carson Palmer gleich achtmal sackte. Zwar ließ die Secondary wieder jede Menge Yardage zu, doch ein guter Teil davon war eher der Garbage Time zuzurechnen. Die Run Defense konnte überdies glänzen und stellte David Johnson (24 Yards in zehn Carries) komplett kalt. Mit nur 80,1 Yards zugelassenen Running Yards pro Spiel steht das Team in dieser Kategorie ligaweit auf Platz drei.
" ... dann ist Gurley nicht außergewöhnlich"
Das gleiche Rezept soll auch gegen die Rams funktionieren - und Carolina endlich den ersten Auswärtserfolg der Saison bescheren. Dabei kommt der Front Seven entgegen, dass Rams-Running Back Todd Gurley derzeit einen waschechten Sophomore Slump erlebt: Der Offensiv-Rookie des Jahres 2015 hat noch kein einziges 100-Yard-Game auf dem Konto, erst zweimal kam er über 58 Running Yards hinaus.
Das Power Ranking vor Week 9: Ein neues Trio an der Spitze!
Das liegt aber nicht nur an Gurley: Die Offensive Line der Rams offenbart im Run Blocking teilweise eklatante Schwächen, zudem stellen Defenses die Box zu und nehmen es lieber mit dem Passspiel von Quarterback Case Keenum auf. Resultat: Gurley kommt bislang auf unterirdische 3,0 Yards pro Carry (2015 waren es noch 4,8), außerdem trifft er so früh wie kein anderer Running Back auf Gegenspieler. Nur 0,73 Yards sind den Rams im Schnitt vergönnt, bevor der Ballträger auf Widerstand stößt. Zum Vergleich: Bei den Buffalo Bills kommen Shady McCoy und Co. auf 2,79 Yards "before Contact".
Kein Wunder, dass Carolinas Verteidiger zuversichtlich sind, was den Kampf "in den Trenches" angeht: "Wenn man in der Front diszipliniert bleibt und jeder in der eigenen Lücke, dann ist [Gurley] nicht außergewöhnlich", betonte Defensive End Wes Horton. "Da sehe ich keinen Grund, warum wir ihn nicht bei 30, 40 Yards halten sollen."
Keenum braucht die Big Plays
In diesem Fall müsste das Passspiel von Case Keenum die nötigen Yards herausholen. Nach dessen vier - teilweise desaströsen - Picks im London-Game gegen die New York Giants ist das Vertrauen der Rams-Fans in die derzeitige Nummer eins aber nicht gerade auf einem Allzeithoch. Hat Head Coach Jeff Fisher in der Bye Week an den richtigen Stellschrauben gedreht? Bekommen die Zuschauer den Keenum aus London zu sehen - oder den aus dem Lions-Spiel, als ihm 20 Completions in Serie gelangen?
Die Panthers-Secondary kommt Keenum dabei gelegen: Kein anderes Team lässt mehr Yards pro Pass zu als (8,5), und mit den Receivern Kenny Britt, Brian Quick und Tavon Austin hat Fisher Big-Play-Spezialisten an Bord. Alle drei haben mindestens einen Touchdown über 40 Yards auf dem Konto, Britt allein schon zehn Catches über mindestens 20 Yards. Andererseits braucht es für solche Big Plays Zeit - und im besten Fall auch funktionierende Play-Action. Mit einem abgemeldeten Gurley und dem erwachten Pass Rush der Panthers fehlt womöglich beides.
Im schlimmsten Fall legt Keenum ein ähnliches Spiel wie gegen die G-Men hin, während Newton und sein Running Game - Jonathan Stewart hat in den letzten beiden Spielen 180 Yards und vier TDs angesammelt - für einen Blowout-Erfolg sorgen. Das wiederum würde dafür sorgen, dass die Rufe nach Jared Goff noch lauter werden.
Goff schmort weiter an der Seitenlinie
Jared Goff. Wahnsinn, dass der Top-Pick des Drafts, den sich die Rams so viel kosten ließen, hier erst so spät erwähnt wird. Doch im Gegensatz zu fünf anderen Rookie-QBs hat der 22-Jährige zur Saisonmitte immer noch keinen einzigen NFL-Snap absolviert. Und auch wenn Goff in der Bye Week Reps mit dem ersten Team absolvierte, steht sein Debüt immer noch in den Sternen. Trotz zehn Interceptions und dem fünftschlechtesten Passer Rating von Keenum.
Verständlich, dass die Fans ungeduldig werden. "Warum nicht mal ins kalte Wasser schmeißen und gucken, wie er sich macht" trifft den Nerv vieler Rams-Anhänger. Doch Fisher blockt weiter ab. Goff sei zwar "immer noch unser Franchise-Quarterback", der Trade für ihn immer noch "großartig". Aber "das Schlimmste, das wir Jared antun könnten, wäre [einen Zeitpunkt für sein erstes Spiel festzulegen]." Quarterbacks-Coach Chris Weinke setzte gegenüber MMQB noch einen drauf: "Wenn wir wirklich ehrlich sind, wussten wir schon vor dem Draft, dass es einige Zeit brauchen würde. Und damit waren wir einverstanden."
Hangover, Week 8: Der Dildo-Wurf von Buffalo
So bleibt der Leistungsträger von Cal in der NFL weiter an der Seitenlinie. Und ob die Rams damit den Grundstein für eine große Karriere legen, oder ob sich der Trade irgendwann doch als kolossaler Bust entpuppen wird, bleibt weiter offen.
Den Panthers wird es recht sein. Tape von Keenum gibt es genug, und angesichts des nahenden Schedules (Chiefs, Saints, @Raiders, @Seahawks) kann man ohne Umschweife von einem Must-Win-Game sprechen. Dabei muss Head Coach Ron Rivera auf Shaq Thompson, Vernon Butler und Michael Oher verzichten. Center Ryan Kalil und Linebacker Luke Kuechly konnten zuletzt nicht trainieren und stehen auf der Kippe, für Kalil würde Gino Gradkowski in die Startformation rücken. Auf der Gegenseite ist Lineman Jamon Brown einsatzbereit, dafür bangt Fisher um Corner Trumaine Johnson und Defensive Tackle Michael Brockers.