Andrew Luck: Vertrag macht Quarterback quasi unkündbar
Sollte Luck tatsächlich nicht zurückkehren - wovon aktuell niemand ausgeht -, dann ginge der Vertrag des Quarterbacks für die Colts gehörig nach hinten los. Lange bevor es zur 2016 unterschriebenen Verlängerung um fünf Jahre und 122,97 Millionen Dollar kam, tönte Irsay, er würde Luck zum Top-Verdiener der Liga machen. Der Deal enthielt 47 Millionen Dollar an garantiertem Gehalt.
Wichtiger ist jedoch die Garantie, die im Verletzungsfall greift: Sie liegt bei 87 Millionen Dollar! Sollte Luck also aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr spielen können, müssten die Colts diese Summe aufbringen. Und hier geht es um reales Geld, nicht das fiktive, das in Salary-Cap-Berechnungen auftaucht.
Wird Luck dagegen beim Medizincheck Anfang März für fit befunden, stellte sich die Situation wie folgt dar: Am fünften Tag des neuen Liga-Jahres würde ihm sein Jahresgehalt von zwölf Millionen Dollar für 2018 garantiert sein. Ebenso würden sechs Millionen von 2019 zu garantiertem Gehalt werden.
Eine Entlassung nach bestandenem Medizincheck ist freilich nahezu ausgeschlossen, schließlich ist er Franchise-QB. Doch so früh im Jahr hätte dies ohnehin keinen Sinn, da Entlassungen vorm 1. Juni massive Summen an Dead Money - Geld, das gegen den Salary Cap zählt - zur Folge hätten. Nach dem 1. Juni könnte sich ein solcher Schritt schon eher lohnen.
März Monat der Entscheidung für Indianapolis Colts
So oder so: Der März wird ein entscheidender Monat für Indy sein: Sollte Luck bis dahin immer noch nicht gesund sein, müsste man sich tatsächlich nach einem gescheiten Plan B umsehen. Sprich: Der Draft müsste bemüht werden, um mit einem hohen Pick einen QB zu akquirieren, der in absehbarer Zeit spielfähig wäre.
Auch Brissett wäre solch ein Kandidat, aber der kassierte 2017 bisher die mit Abstand meisten Sacks der Liga. Obwohl er den Saisonstart verpasste. Nicht auszuschließen, dass auch er nicht gesund durch eine ganze Saison kommen wird.
Einen Quarterback im Draft zu ziehen hätte natürlich auch zur Folge, dass andere Baustellen hintenanstehen müssten. Und das wäre fatal, schließlich schien das Thema Quarterback in Indianapolis auf Jahre hinaus erledigt - es ging darum, ein schlagkräftiges Team um ihn herum aufzubauen. Speziell die Offensive Line ist weiter ein Riesenproblem, ebenso die Secondary, die Linebacker und eigentlich auch die Defensive Line. Hier wurde über Jahre geschlampt, die aktuelle sportliche Leitung zahlt gewissermaßen die Zeche.
Was Lucks Zukunft angeht, scheint es derweil ausgeschlossen, dass ihn die Colts gänzlich abschreiben werden. Nicht nur wegen der heiklen Vertragssituation - sie allein macht ihn quasi unkündbar. Ein Szenario, so hört man, will Irsay nämlich auf jeden Fall verhindern: einen zweiten Fall Peyton Manning.
Indianapolis Colts: Kein zweiter Fall Manning
Manning wurde damals nach einjähriger Verletzungspause zugunsten von Luck entlassen, weil man unisono der Ansicht war, dass der Superstar nichts mehr im Tank hätte, schon gar nicht nach den vier Nacken-Operationen.
Das Ende vom Lied ist bekannt: Er schloss sich den Broncos an, erreichte zweimal den Super Bowl und ritt dann mit seinem zweiten Lombardi im Arm in den Sonnenuntergang. Das langjährige Gesicht der Franchise war unterm Strich also doch nicht gänzlich fertig und hatte durchaus noch zwei Playoff-Runs - und seine fünfte MVP-Saison - im Köcher.
Es ist natürlich müßig, die damalige Entscheidung für Luck zu hinterfragen, zumal er als Jahrhunderttalent galt und bislang eigentlich überzeugte, wenn er auf dem Platz stand. Aber darum geht es Irsay auch nicht. Er will eher die Peinlichkeit verhindern, erneut einen namhaften QB gewissermaßen an die Konkurrenz zu verschenken, der dann anderswo Erfolg hat, während die Colts nur als enttäuschte Zuschauer dastehen.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jim Irsay das nochmal zulassen will. Hey, wo ist Andrew Luck? Er spielt nicht - und dann gewinnt er für ein anderes Team. Ich denke, er wird in Indianapolis bleiben", sagte Ex-Colts-Head-Coach Tony Dungy kürzlich in der Dan Patrick Show.
Das ändert aber nichts daran, dass der Unmut im Lager der Colts wächst. Das beste Beispiel dafür ist eine wohl versehentliche Aussage von Dungy: Irsay habe ihm gesagt, Lucks Verletzung sei nicht in seiner Schulter, sie sei "jetzt in seinem Kopf". Das schlug hohe Wellen, zumal Dungy nach Auskunft von Dan Patrick wohl nicht wusste, dass sein Mikrofon eingeschaltet war. Kurz darauf ging es in die Werbung, anschließend schwieg der NBC-Experte das Thema tot.
Eine öffentliche Reaktion Lucks darauf blieb aus. Für Begeisterung aber wird die Aussage wohl nicht gesorgt haben.
Indianapolis Colts: Akte Luck ist keineswegs abgeschlossen
Wie auch immer Luck das nun findet, sein Hauptziel bleibt dasselbe: gesund werden und auf den Platz zurückkehren. Ob und in welcher Verfassung lässt sich dabei in nächster Zeit aber nicht seriös bewerten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Colts nie wirklich verraten haben, was an der Schulter genau die Probleme macht. Folglich können auch keine auskunftsfreudigen Sportärzte, die es in den USA wie Sand am Meer gibt, halbwegs brauchbar zu Rate gezogen werden.
Was natürlich für Luck spricht - und da hinkt der Manning-Vergleich gewaltig -, ist seine Jugend. Mit gerade mal 28 ist er durchaus noch in der Lage, in Topform zurückzukommen. Manning war 2011 sieben Jahre älter. Und spielte 2013 seine vielleicht beste Saison.
Problematisch ist natürlich, dass Luck in seinen jungen Jahren schon so viele gravierende Verletzungen eingesteckt hat und seine bisherige Spielweise mit den vielen improvisierten Läufen weitere harte Hits geradezu einlädt.
Ein weiteres Argument gegen ihn ist die lange Ausfallzeit. Zuletzt spielte er Ende 2016, sein nächster ernsthafter Snap dürfte dann im Idealfall 19 Monate später erfolgen. Allerdings wäre er auch nicht der erste QB, der nach so langer Pause erfolgreich zurück käme.
Die Akte Luck ist eine lange, nie enden wollende Geschichte mit einigen Höhepunkten, aber auch zahlreichen Rückschlägen. Vor allem aber ist sie eine unvollendete, eine offene. Und das lässt alle, die es mit der NFL halten - er ist schließlich immer noch eines der bekanntesten Gesichter dieser Liga - hoffen, dass die nächsten Kapitel wieder positiver Natur sein werden.