Belichick wurde nur ein paar Tage nach dem bizarren Verlauf der Ereignisse als neuer Head Coach der Patriots vorgestellt, die sich selbst kurz zuvor von Pete Carroll getrennt hatten. New England hatte immer wieder versucht, Belichick von Parcells loszueisen und nach Boston zu holen. Zum Zeitpunkt des Deals war Belichick offiziell noch Mitarbeiter der Jets - als Entschädigung mussten die Pats einen Erstrundenpick des anstehenden Drafts abgeben.
Was den Job in New England für Belichick besonders attraktiv machte, war das Vertrauen, dass ihm Teambesitzer Robert Kraft schon damals entgegen brachte. Er gab Belichick nicht nur den Job des Head Coachs, sondern machte ihn essenziell auch zum General Manager, der auch die volle Kontrolle über das Personal erhielt.
Zwar zahlte sich dies nicht sofort aus; die 5-11-Saison 2000 sollte allerdings die einzige bleiben, die die Patriots unter Belichick mit einer negativen Bilanz abschlossen.
2001 kam dann die Wende. Die Patriots waren mit ihrem Superstar Drew Bledsoe, der als erster Spieler einen Zehn-Jahres-Vertrag unterzeichnet hatte, in die Saison gestartet. Doch schon in Week 2 verletzte sich der Quarterback in einem Spiel ausgerechnet gegen die Jets so schwer, dass er wochenlang ausfiel.
Belichick setzt auf Brady und gegen Bledsoe
Tom Brady übernahm, der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Mit Brady zogen Patriots prompt in den Super Bowl ein, der gegen die hoch favorisierten St. Louis Rams und deren Greatest Show on Turf überraschend auch noch gewonnen wurde. Der Schlüssel für den Erfolg in dieser Saison und für die Ära danach war, dass Belichick am Neuling festhielt - obwohl Bledsoe gegen Saisonende wieder zur Verfügung stand.
Zum Einsatz kam Bledsoe nur noch zum Ende des Championship Games, da sich Brady am Knöchel verletzt hatte. Eine Blessur, die dann im Super Bowl keine Rolle mehr spielte. 2002 schickte Belichick Bledsoe zu den Bills.
Die Pats gewannen 2003 und 2004 weitere Super Bowls und wurden schlagartig eines der dominantesten, anpassungsfähigsten Teams der Liga. 2007 ging es abermals bis in den Super Bowl - nach perfekter Regular Season, aufgebaut um die spektakuläre Rekord-Offense mit Randy Moss und Wes Welker. Der Super Bowl gegen die Giants ging komplett überraschend verloren, die späteren Schlagzeilen dieser Spielzeit gingen trotzdem in eine andere Richtung.
Patriots-Assistenten hatten nämlich während einer Begegnung gegen die Jets gegnerische Assistenztrainer dabei gefilmt, wie diese Defensiv-Signale anzeigten. "Spy Gate" war geboren und die Patriots wurden bestraft. Roger Goodell belegte die Patriots mit einer 250.000-Dollar-Strafe und entzog ihnen den Erstrundenpick des nächsten Drafts. Belichick selbst bekam außerdem eine Rekordstrafe in Höhe von 500.000 Dollar aufgebrummt.
Der nächste Skandal: "Deflate Gate"
Und auch sportlich war das nächste größere Schlagloch nicht weit entfernt: Am ersten Spieltag der 2008er Saison riss sich Brady das Kreuzband und zwang Belichick somit dazu, umzudisponieren. Der bis dahin ungetestete Matt Cassel musste in die Bresche springen und die Rekord-Offensive des Vorjahres übernehmen. Der Qualitätsabfall war offensichtlich, doch am Ende reichte es auch dank einer der besten Coaching-Leistungen überhaupt mit Cassel zu elf Siegen.
Das Team wurde jedoch zum einzigen, das in der 16-jährigen Liga-Geschichte im aktuellen Playoff-System mit elf Siegen die Playoffs verpasste. In den Super Bowl ging es schließlich erst drei Jahre später wieder; zwar verloren die Patriots abermals gegen die Giants, die Saison startete jedoch eine bis heute anhaltende Rekord-Serie von sieben aufeinanderfolgenden AFC-Championship-Game-Teilnahmen. In Zeiten, in denen die NFL abgesehen von den Pats dank Draft, Free Agency, Salary Cap und Co. so ausgeglichen ist wie noch nie, eine unglaubliche Errungenschaft.
Allerdings gelang erst 2014 wieder ein Sieg im Conference-Finale. Die Partie dominierten die Patriots gegen die Indianapolis Colts nach Belieben und siegten souverän. Was dann folgte war ein Super Bowl, der in puncto Qualität seinesgleichen suchte: New England lieferte sich einen waschechten Schwergewichtskampf mit den Seattle Seahawks, die gerade auf dem Höhepunkt ihrer Dominanz waren. Brady führte die Pats zurück, ehe Seattle sein furioses Comeback startete - nur um durch die denkwürdige Last-Minute-Interception von Malcolm Butler auf die dramatischste Art und Weise zu scheitern.
Das AFC Championship Game hatte jedoch ebenso denkwürdigen Charakter - schließlich trat es das jahrelang andauernde "Deflate Gate" los. Die Schiedsrichter-Crew hatte zur Halbzeit auf Anraten vom damaligen Colts-GM Ryan Grigson den Luftdruck der Bälle gemessen und kam zum Ergebnis, dass die Bälle zu wenig Luft hatten. Sie wurden erneut aufgepumpt und wieder ins Spiel gebracht. "Deflate Gate" aber hatte noch weiter reichende Konsequenzen.
Der denkwürdige Super Bowl gegen die Falcons
Brady wurde für vier Spiel gesperrt - die Sperre trat nach vielen Gerichts-Verhandlungen aber erst 2016 in Kraft - und die Pats verloren erneut zwei Draft-Picks.
Doch auch die Brady-Abstinenz stellte für Belichick einen wichtigen Prozess dar. Backup-Quarterback Jimmy Garoppolo nämlich konnte erstmals während Regular-Season-Spielen in Aktion treten und zeigen, dass er für eine mögliche Brady-Nachfolge durchaus geeignet war. Belichicks Bilanz in Spielen ohne Brady beläuft sich auf 13-6.
Mit Brady zurück im Lineup marschierte New England bis in den Super Bowl - und legte dort im Vergleich zu dem bereits denkwürdigen Spiel zwei Jahre zuvor nochmals einen drauf. In einem unfassbaren Spiel holten die Patriots einen 25-Punkte-Rückstand gegen die Falcons auf und gewannen die erste Super-Bowl-Overtime der Geschichte. Das Spiel stand symptomatisch für so viele Qualitäten der Belichick-Ära: Taktische Anpassungen, die Ruhe in kritischsten Situationen. Und der Luxus, den besten Quarterback aller Zeiten in den eigenen Reihen zu haben.
Belichick, der Coaches-Coach
Auf Brady musste Belichick nur selten verzichten, anders sah dies während seiner Amtszeit aber in seinem Trainerstab aus. Josh McDaniels sowie Matt Patricia werden voraussichtlich die Coordinators sechs und sieben, die Belichick aufgrund einer Head-Coaching-Rolle in der NFL oder einem renommierten College-Programm verlassen.
In 16 Jahren hat er noch keinen Coordinator gefeuert und stand der richtige Mann nicht zur Verfügung, so hat er die Aufgabe schlichtweg selbst in die Hand genommen. Je drei Saisons kam Belichick ohne Offensive und ohne Defensive Coordinator aus und egal welche Änderung vorgenommen wurde, eines blieb gleich: Die Patriots waren erfolgreich.
Belichick hat nun 15 AFC-East-Titel eingefahren, zwölf Mal am AFC Championship Game partizipiert und wird zum achten Mal am Super Bowl teilnehmen. Die Patriots-Offense zählte nach DVOA 14 Mal in Serie zu den besten sieben Teams der Liga. Defensiv - obwohl das Belichicks Kernkompetenz ist - war das nicht immer ganz so erfolgreich.
Schwächere Zahlen als in dieser Saison hatte man unter Belichick noch nie geliefert. Die 2017er Defense rangiert nach dem DVOA auf Platz 31. Grund dafür ist vor allen Dingen die problematische Form in der Anfangsphase der Saison, als man sich nach Zuteilungs- und Kommunikationsproblemen sowie groben individuellen Schnitzern mehrfach hat überfahren lassen.
Was zählt sind Januar und Februar
Doch Belichick wäre nicht Belichick und die Patriots wären nicht die Patriots unter ihm, wenn man nicht die richtigen Antworten gefunden hätte. Belichick weiß, dass die Form eines Teams im September oder im Oktober noch lange nicht so gut sein muss wie im Januar und im Februar und lässt sich deshalb nicht aus der Ruhe bringen. Er nahm den medialen Druck vom Team und lenkte den Fokus auf sich selbst und den Trainerstab.
Er drehte an den nötigen Stellschrauben wie der Integration eines Stephon Gilmore nach anfänglichen Problemen ins System oder der näheren Positionierung von Devin McCourty an der Line of Scrimmage. Die Pats bewiesen im Conference Championship Game gegen die Jacksonville Jaguars einmal mehr, dass sie auch in der Halbzeitpause ein komplett gegen die eigene Vorstellung laufendes Spiel zu ihren Gunsten drehen können und nahmen Blake Bortles durch erhöhten Druck und aggressiveres Blitzing das favorisierte Stilmittel im Passing Game, das Play-Action-Spiel.
Belichick versteht die Liga und das Spiel so gut, dass er mit den Patriots auf nahezu alles Lösungen parat hat. Er ist nicht von einem Spieler abhängig und hat offensiv so gut wie nie den gleichen herausstechenden Spieler wie in der Vorwoche. Langzeitausfälle wie Rob Gronkowski im letzten und Julian Edelman in diesem Jahr stellen für die Patriots oftmals deshalb nicht den erwarteten Rückschlag dar, weil sie jede Phase des Spiels beherrschen und Spieler durch ihr System besser machen können.
Und so ist es keine allzu Überraschung, dass die Patriots erneut im Super Bowl spielen und auch in weiteren Belichick-Brady-Szenarios als Favorit auf eine Super-Bowl-Teilnahme in die Saison gehen, egal welche Spieler gehen oder verletzt fehlen. Egal welche Koordinatoren ersetzt werden müssen und egal ob die Presse durch einen möglichen Machtkampf zwischen Kraft, Belichick und Brady Unruhe reinbringen will. Belichick hat die Erfahrung sowie die Geduld und ist gewillt, auch an die Grenzen des Regelwerkes zu gehen um eines zu gewährleisten:
So lange er da ist, werden die Patriots erfolgreich sein.