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College Football Themenwoche: Bloody Monday und 222:0 - die Football-Geschichte

College Football blickt auf eine reiche Geschichte zurück.
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Der Präsident damals war Theodore Roosevelt, seines Zeichens selbst ein glühender Football-Fan. Erst 1903 hatte er eine Rede gehalten, in der er Football vehement verteidigte: "Ich glaube an harte Spiele und an harte, männliche Sportarten. Ich empfinde keine sonderliche Sympathie für jemanden, der dabei kräftig einsteckt - solange es sich dabei nicht um einen Todesfall handelt."

"Football-Fan" in jener Zeit bezog sich übrigens rein auf das College-Spiel. Hier kamen zehntausende Zuschauer zu den Spielen und machten College Football so zu einer der populärsten Sportarten jener Zeit, hier wurde der qualitativ beste Football geboten. Viele College-Football-Stars kehrten dem Sport nach der Schul-Karriere den Rücken, um einen "richtigen Job" auszuüben. Die semi-professionellen Teams zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren meist wenig attraktiv und die National Football League gab es noch nicht.

Zwei Jahre nachdem er öffentlich die Härte des Spiels verteidigt hatte, musste Roosevelt - dessen Söhne ebenfalls College Football spielten - also in eine andere Richtung denken, um den Sport als Ganzes nicht aufs Spiel zu setzen. Am 9. Oktober 1905 lud er deshalb Vertreter von Harvard, Yale und Princeton ein, um die Verantwortlichen dazu anzuhalten, das Spiel sicherer zu machen.

So weit so gut, doch war das selbstverständlich kein magischer Knopf, der alles änderte. Die logische Konsequenz: Auch 1905 wurde das Spiel mitnichten sicherer. Im Gegenteil, das traditionelle Harvard-Yale-Spiel dieses Jahres gilt als besonders gewalttätig und nachdem Harvards Francis Burr nach einem Fair Catch so hart getackelt wurde, dass er das Bewusstsein verlor, erklärte Uni-Präsident Charles Eliot, dass man nicht mehr gegen Yale spielen würde. Bis zum Saisonende hatten mehrere Schulen ihre Football-Programme gestrichen.

Die Wiege des modernen Footballs

Jetzt bestand ernsthaft die Gefahr, dass Football von der Bildfläche verschwinden würde, und Roosevelt merkte, dass er sich noch stärker einmischen musste. Zu verhärtet waren die Fronten zwischen Yale - repräsentiert von Walter Camp, der nahezu allen Regeländerungen höchst kritisch gegenüberstand - und Harvard, dessen Präsident Eliot Football als "brutaler als Boxen oder Stierkämpfe" bezeichnete und unter den aktuellen Regeln seine Studenten nicht mehr diesem Risiko aussetzen wollte.

Roosevelt, obgleich selbst besorgt, dass man Football "entmannen" könnte, setzte sich im Dezember 1905 unermüdlich dafür ein, dass die Gespräche fortgesetzt und neue Regeln beschlossen wurden. Aus diesem Treffen gingen ultimativ bahnbrechende Neuerungen hervor, darunter der Pass nach vorne, die Erweiterung auf 10 Yards bis zum neuen First Down, Strafen für unnötige Härte, die Einführung der Neutral Zone und der Line of Scrimmage und auch das Verbot der Massen-Formationen. Regeln, die dem Spiel bis heute einen maßgeblichen Rahmen geben.

Allerdings wurden die neuen Regeln nur schleppend angenommen. Insbesondere der Vorwärts-Pass wurde von den allermeisten Schulen als Zeichen von Feigheit und Weichheit verstanden und dementsprechend gepflegt ignoriert, und so kam es 1906 und 1907 noch immer zu je elf Todesfällen auf dem Feld.

Doch die Weichen für die Zukunft waren gestellt, auch wenn ein Umdenken der Football-Traditionalisten noch eine ganze Weile brauchen sollte. Trotz gelegentlicher spektakulärer Erfolge von Teams, die sich für den Pass öffneten, wie etwa die der Carlisle Indian School um den legendären Jim Thorpe über die University of Pennsylvania und Harvard, als Thorpe den späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower vor 30.000 Zuschauern auf dem Feld in die Schranken wies.

College Football und Identitätsstiftung in den Südstaaten

Aber auch wenn die große Pass-Revolution vorerst noch auf sich warten ließ: Der Football wurde zunehmend weniger gewalttätig und die Anhängerschaft wuchs. In den 20er und 30er Jahren wurde vor allem der Süden der USA vom Football-Fieber gepackt.

Große Rivalitäten wie die zwischen Virginia und North Carolina sowie die zwischen Georgia und Auburn fanden hier ihren Ursprung, 1932 wurde die Southeastern Conference gegründet und auch wenn Teams wie Michigan, Minnesota und Ohio State noch auf ganz großer Bühne dominierten: Vor allem Alabama war massiv auf dem Vormarsch.

Für den Süden wurde Football schnell mehr als nur ein Sport. Die Nachwehen des Bürgerkrieges waren in den unterlegenen Südstaaten nach wie vor deutlich zu spüren, finanziell, wirtschaftlich und industriell war der Norden ein scheinbar unerreichbarer Ferne. Das wirkte sich natürlich auch auf das Selbstverständnis der Menschen im durch Agrarwirtschaft geprägten Süden aus; auch diejenigen, die den Krieg nicht miterlebt hatten, hatten ein Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem Norden, eine Art Minderwertigkeitskomplex.

Der Sport bot einen möglichen Ausweg aus diesem Gefühl und kaum etwas verdeutlicht den Wunsch danach besser, als eine Anekdote aus dem Vorfeld des College-Titel-Spiels - der Rose Bowl - nach der 1925er Saison. Alabama hatte es als erstes Team aus dem Süden so weit geschafft und trotz der tiefen Rivalitäten untereinander schickte Auburns Präsident ein Telegramm, in dem stand: "Ihr verteidigt die Ehre des Südens, und Gott wird nicht zulassen, dass ihr das Spiel verliert."

Alabama gewann das Spiel gegen das favorisierte Washington mit 20:19, bis heute trägt diese Partie den Titel "Das Spiel, welches den Süden veränderte".

Die 13 ursprünglichen SEC-Schulen:

AlabamaAuburnFloridaGeorgiaKentuckyLSUOle Miss
Mississippi St.TennesseeVanderbiltUniversity of the SouthGeorgia TechTulane

"Im Süden ist Football eine Religion"

Football war spätestens danach in den Südstaaten nicht mehr wegzudenken. Die SEC schraubte sich nach und nach zur dominantesten College-Football-Conference hoch und während in den 50er und 60er Jahren im Norden und im mittleren Westen Profi-Football-Teams entstanden, konzentrierte sich im Südosten nahezu alles auf die College-Teams.

Bis heute gibt es in Mississippi, Alabama, South Carolina, Oklahoma und Arkansas kein NFL-Team und viel besser als Hall of Famer Marino Casem kann man es wohl nicht zusammenfassen: "An der Ostküste ist Football eine kulturelle Erfahrung. Im mittleren Westen ist es eine Form des Kannibalismus. An der Westküste ist es eine Touristenattraktion. Und im Süden ist Football eine Religion, und der Samstag der heilige Tag."

Doch musste auch der Süden hier einen Lernprozess durchlaufen, um zu seiner, heute noch immer gültigen, Dominanz zu gelangen.

Segretation und Rassismus prägen den Süden lange

Bereits seit dem Zweiten Weltkrieg durften Schulen Stipendien an College-Football-Spieler vergeben werden, was für einen deutlichen Anstieg der Spielqualität sorgte. Den gleichen Effekt hatte die Berücksichtigung farbiger Athleten, die im Norden sowie an der Westküste bereits in den 20er und 30er Jahren große Rollen spielten - UCLA etwa hatte Ende der 30er Jahre bereits ausschließlich Afro-Amerikaner in seinem Backfield, inklusive des Quarterbacks. Der Süden dagegen beharrte auf der Segregation auch in den Schulen.

Colleges aus dem Süden drohten in den späten 50er und frühen 60er Jahren immer wieder damit, Spiele abzusagen oder gar eine Conference zu verlassen, wenn andere Teams beziehungsweise Gegner Afro-Amerikanische Spieler in ihren Reihen hatten. Offene Morddrohungen waren nichts Ungewöhnliches, in einer Zeit, in der Alabamas Gouverneur George Wallace für das berüchtigte Zitat "Segregation jetzt, Segregation morgen und Segregation für immer!" sorgte (1963).

1961 waren Alabama und Mississippi die einzigen US-Bundesstaaten, in denen es keine einzige öffentliche Schule gab, in der die Rassensegregation abgeschafft worden war. Es dauerte bis 1966, ehe die ersten Afroamerikaner in der SEC zu sehen waren und erst 1967 gab es die ersten SEC-Stipendien für Afroamerikaner. Zuvor wurden die noch erfolgreichen und komplett aus weißen Spielern bestehenden Titel-Teams Alabamas für White-Supremacy-Ideologien missbraucht.

Alabama vs. USC als Anfang eines Paradigmenwechsels

Der wirkliche Umbruch begann im Süden erst 1970. Alabama unter dem legendären Coach Paul "Bear" Bryant hatte zunehmend Probleme, Gegner zu finden, weil viele Schulen im Norden nicht mehr gegen Colleges, die an der Segregation festhalten, spielen wollten. So einigte sich Bryant mit USC (University of Southern California), eines der stärksten Teams des Landes damals, auf ein Duell in Tuscaloosa. Dieses Spiel sollte die Weichen neu stellen.

Als USC in Alabama ankam, war die afro-amerikanische Bevölkerung Alabamas auf den Beinen - um USC anzufeuern. USC reiste sogar mit einem farbigen Quarterback, Jimmy Jones, an; für viele Spieler Alabamas ein komplett unbekannter Anblick. Noch ungewohnter aber war das Gefühl, auf dem Feld chancenlos zu sein: Running Back Sam Cunningham, ebenfalls Afro-Amerikaner, lief Bama in Grund und Boden, bei zwölf Runs verzeichnete er 135 Rushing-Yards sowie allein im ersten Viertel zwei Touchdowns.

USC gewann das Spiel mit 42:21, der Spielverlauf aber war noch deutlicher als das Endergebnis - und in Alabama waren die Fans geschockt. Bryant soll nach dem Spiel zu USC-Coach John McKay gesagt haben: "Ich kann Ihnen nicht genug dafür danken, was Sie heute für mich getan haben." Wenig später begann Bryant damit, Afro-Amerikaner zu rekrutieren und als der große Bear Bryant diese Grenze überschritt, folgten schnell auch die anderen Schulen im Süden.

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