Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!
3. Flexibilität als Identität
Würde man die Saison auf eine zentrale Lektion runterbrechen wollen, man müsste auf den Super-Bowl-Champion schauen. Neben der Tatsache, dass Brady immer noch einer der besten Quarterbacks der Liga und Belichick der beste Coach aller Zeiten ist, fiel dabei vor allem eine Sache (wieder einmal) auf: Die Patriots gewinnen, weil sie sich besser als jedes andere Team anpassen und umstellen können.
Teams die zu sehr auf einen Plan A fixiert sind, werden auf eine Saison gesehen immer wieder Probleme bekommen. Vier Teams knackten das Passing Game der Rams im Laufe der Saison, die Lions, Bears, Eagles und letztlich am eindrucksvollsten die Patriots. Und umgekehrt zeigte New England wieder einmal, auf welch unterschiedliche Weisen man Spiele gewinnen kann.
Das kann bedeuten, dass man gegen eine passive Chargers-Front das Spiel mit dem Run Game dominiert, oder dass man die anfällige Coverage der Chiefs mit Gronkowski, Edelman und Chris Hogan attackiert.
Es kann bedeuten, dass man Josh Gordon ein physisch vorteilhaftes Matchup gegen Green Bays Manndeckung und Packers-Cornerback Bashaud Breeland ausnutzen lässt. Dass man Cordarrelle Patterson als Power-I-Runner einsetzt oder die Anfälligkeiten der Vikings-Linebacker in Coverage mit James White bestraft. Es bedeutet vor allem: man ist in der Lage und auch gewillt, von einem vielleicht im Vakuum bevorzugten Plan A abzuweichen.
Oder dass man im Super Bowl mal eben 22-Personnel spielt, woraus die Pats in der kompletten Saison bis dahin ganze zehn Dropbacks hatten, um in drei aufeinanderfolgenden Spielzügen das gleiche Pass-Konzept aus einer Spread-Empty-Formation anzusagen, nachdem man es durch das 22-Personnel endlich geschafft hatte, die Rams in den gewünschten Base-Defense-Look zu bekommen.
Neben dem bereits aufgeführten Einsatz von Fullbacks zumindest in New England und in San Francisco - die Chargers haben sich hieran ebenfalls versucht - fiel auch auf, wie effizient einige Teams Tight Ends einsetzten. Keine Offense war hierin besser als die Indianapolis Colts, ehe Verletzungen Indy hier in der zweiten Saisonhälfte immer wieder einschränkten.
Ein "echter" Tight End, der blocken und als Receiver eingesetzt werden kann, ist noch immer eine der größten individuellen Mismatch-Waffen der Liga. Gronkowski war hier über Jahre das Musterbeispiel, Travis Kelce hat ihm 2018 den Rang abgelaufen.
Die Colts schafften es, Tight-End-Formationen als Waffe einzusetzen.
Immer wieder forcierte Indianapolis aus 2- und 3-TE-Formationen Mismatches, aus 3-TE-Sets warf Luck für im Schnitt zehn Yards pro Pass und es ist kein Zufall, dass Luck verglichen mit dem Standard-Passing der effizienteste Quarterback im Play Action Passspiel in der vergangenen Saison war.
Beispielhaft diese Szene aus dem Jaguars-Spiel. Die Colts kommen mit einer 3-TE-Formation aufs Feld und spielen daraus letztlich ein 4-Verts-Konzept, vier vertikale Routes. Der Running Back hatte sich erst via Pre-Snap-Motion nach außen bewegt, und gegen eine solche Formation ist die Chance für die Offense, die Defense in eine Base-Formation zu bekommen, schlicht viel höher. Wenn man daraus dann werfen kann, steigen die Erfolgschancen deutlich.
Mehr Heavy Sets und enge, vermeintliche Run-Formationen - und dennoch mehr Passing? Die kommende Saison könnte genau dieses Bild offenbaren.
4. Wie reagieren die Defenses?
Die Folge aus all dem bisher genannten war eine auf die gesamte Saison und die gesamte Liga gesehene offensive Dominanz, wie sie die NFL seit längerer Zeit nicht mehr hatte. Sicher, die Bears und Ravens hatten defensiv dominante Spiele und Phasen, genau wie die Patriots dann insbesondere gegen die Chargers und Rams. Doch eine wirklich konstant dominierende Defense wie in früheren Jahren war so nicht machbar, Chicago kam dem noch am nächsten.
Das wirft im Umkehrschluss die Frage auf: Wie könnten die defensiven Antworten aussehen? Der Schlüssel sollte darin liegen, selbst wieder der Aggressor zu werden, die Offense zumindest gelegentlich in die passive Position zu bringen und das Geschehen zu diktieren, statt dass die Offenses Matchups, Formationen und Räume bestimmen.
Wie so häufig im Football beginnt diese Aufgabe an der Line of Scrimmage, und hier haben sich zwei Defenses ganz besonders hervorgetan: Die Ravens und die Patriots waren die gefährlichsten Defenses, wenn es darum ging, an der Line of Scrimmage möglichst lange zu verbergen, wer tatsächlich den Quarterback attackiert und wer sich in Coverage zurückfallen lässt.
Etwa mit dieser Patriots-Hybrid-Front, die man auch im Super Bowl einige Male beobachten konnte. New England setzt dabei nur einen Down-Lineman ein, um ihn herum herrscht aus Sicht der Offense das reinste Chaos.
Letztlich spielen die Pats eine relativ normale Cover-1-Manndeckung mit einem freien Verteidiger Underneath sowie einem tiefen Safety. Vor dem Snap aber sind die Protection-Zuteilungen für die Offense in höchstem Maße erschwert, während der Quarterback nach dem Snap diverse Bewegungen neu lesen muss.
New England kombinierte diese und ähnliche Formationen im Laufe der Saison immer häufiger mit angetäuschten Rushern - also vermeintliche Pass-Rusher, die nach dem Snap auch einen oder zwei Schritte auf die Offensive Line zu machten, nur um einen Blocker zu beschäftigen. Sobald sich ein Blocker ihnen zugewandt hatte, ließ sich der Rusher in die kurze Underneath Zone in Coverage zurückfallen.
Die Patriots nutzten dieses Mittel am konsequentesten, doch auch bei anderen Defenses war es zu sehen. Etwa hier bei den Packers im Spiel gegen die Rams, als Green Bay erst Inside-Pressure antäuscht, stattdessen aber die rechte Seite der Offensive Line überlädt und sich der vermeintliche Inside-Blitzer zurückfallen lässt.
Wenn es darum ging, aus schwer lesbaren Fronts kreativ zu blitzen, dann waren die Ravens das Maß aller Dinge - und konnten so Offenses immer wieder große Probleme bereiten. Baltimore brachte regelmäßig Safeties und Cornerbacks als Blitzer, in Kombination mit den ohnehin prominent vertretenen Linebacker-Blitzes, insbesondere über C.J. Mosley.
Die Basis für dieses aggressive Vorgehen ob in New England oder in Baltimore war eine starke Secondary. Die Patriots und auch die Ravens waren zwei der Blitz-lastigsten und der im Pass-Rush experimentierfreudigsten Teams der vergangenen Saison. Mit Blick auf die Offseason und mögliche Trends in der NFL könnte hier eine noch größere Lektion liegen: Beginnen Teams, ihre Defense mit stärkerem Fokus auf die Secondary statt auf den Pass-Rush aufzubauen?
Elite-Pass-Rusher sind eine tolle Sache, sie erlauben es einer Defense, mit ihren Coverages flexibler und kreativer zu werden. Gleichzeitig aber sind sie auch sehr teuer, und vereinfacht formuliert: einen guten Pass-Rush kann man über das Scheme kreieren - gute Coverage nicht.
Wenn wir von Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Vielseitigkeit sprechen, dann liegt die Antwort für Defenses auf die Offenses unserer Zeit womöglich eher in der Secondary als im Pass-Rush.
5. Mut wird belohnt
Ein letzter Aspekt betrifft eher ein übergreifendes Thema, als Scheme, Play Designs und Personnel Groupings. Die vergangene Regular Season produzierte auch deshalb einen neuen Touchdown-Rekord (1.371 insgesamt), weil der Ansatz vieler Coaches von Grund auf mutiger geworden ist. Das betrifft insbesondere das Verhalten bei Fourth Down.
23 Teams haben in der abgelaufenen Saison 15 oder mehr 4th Downs ausgespielt, Rekord. Und 13 Teams hatten eine Fourth-Down-Erfolgsquote von 60 Prozent oder mehr. So wurden viele Drives verlängert, die in vergangenen Jahren zweifellos in Punts geendet hätten.
NFL Third und Fourth Down Statistiken:
Saison | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 |
Teams mit mindestens 15 ausgespielten Fourth Down Attempts | 11 | 14 | 13 | 15 | 16 | 17 | 16 | 23 |
Teams mit mindestens 60% erfolgreichen Fourth Down Conversions | 5 | 10 | 9 | 4 | 6 | 8 | 5 | 13 |
Teams mit mindestens 40% 3rd Down Conversion Percentage | 10 | 12 | 11 | 17 | 14 | 14 | 12 | 15 |
Fortschrittlich denkende Teams werden hier Statistiker und Analytics-Abteilungen noch stärker einspannen - und der Trend könnte sich so fortsetzen. Teams werden bei Fourth Down mutiger sein und auf die Saison betrachtet wird sich das in mehr offensiver Production bemerkbar machen.
Das gilt auch für das Verhalten bei First Down. Viel zu lange haben Teams First Down als Running Down behandelt, und versucht, in "machbare Third Downs" zu kommen, statt schon bei First Down den neuen First Down Marker ins Visier zu nehmen.
In der vergangenen Saison warfen Teams bei First Down häufiger und im Schnitt für mehr Yards als noch 2017, auch hier sollte sich der Trend fortsetzen. Vor allem Goff (9,3) und Brees (9,2), aber auch Mahomes (8,5) lagen in puncto Yards pro First-Down-Pass über dem Liga-Schnitt (7,7).