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Die Rams-Offense steckt in einer ernsthaften Krise
Jared Goff war nach der 7:20-Niederlage im Division-Duell mit den 49ers schnell bereit, die Partie abzuhaken. Es sei ein Tag gewesen, "der einen auf den Boden der Tatsachen zurückholt", doch Goff schob hinterher: "Es ist eine Standortbestimmung: Sind wir, wer wir sagen, dass wir sind? Ich weiß, dass das bei diesem Team, diesen Spielern und diesen Coaches der Fall ist. Wir haben so viel Vertrauen und Glauben an Sean und alle anderen. Wir werden wieder in die Spur finden."
Das brauche "ein paar Plays hier und da. Wir haben es gesehen, wir haben es gemacht, wir haben es uns auf Tape angeschaut und wir wissen, was wir machen. Wir müssen einfach konstant auftreten, fokussiert bleiben und dürfen keine einfachen Fehler machen."
Das ist natürlich auch viel Pressekonferenz-Sprech - und dennoch, so war mein erster Eindruck, schwingt selbst dafür zu viel Optimismus mit. Seit 2010 gab es drei Quarterbacks, die den Ball in einem Spiel mindestens 24 Mal warfen und dabei nicht einmal auf 80 Yards kamen: Ryan Lindley 2012, Charlie Whitehurst 2014 und Goff am Sonntag gegen die 49ers.
Goff hat inzwischen saisonübergreifend in seinen letzten 15 Spielen 16 Fumbles und 15 Interceptions angehäuft; das 49ers-Spiel am Sonntag war in vielerlei Hinsicht ein neuer Tiefpunkt. Die Rams-Offense, davon bin ich inzwischen überzeugt, hat tiefergehende Probleme, die dringend adressiert werden müssen - und vielleicht innerhalb einer Saison aber schlicht auch nicht repariert werden können.
Wie Defenses der Rams-Offense Probleme bereiten
Wenn man über die Probleme der Rams-Offense spricht, ist es wichtig, zwei grundlegende taktische Dinge zunächst zu etablieren:
Die Detroit Lions, und in der Folge dann unter anderem auch die Chicago Bears und die New England Patriots im Super Bowl, waren letztes Jahr das erste Team, das mit Cover-4 - also vier Defensive Backs die sich etwas weiter zurückfallen lassen - großen Erfolg gegen L.A. hatten.
Das macht den Rams das vertikale Passspiel deutlich schwieriger und zwingt Goff dazu, in ein diszipliniertes und konstantes Underneath Passspiel zu gehen. Die Defensive Backs sitzen dabei in ihren leicht zurückgezogenen Zones und attackieren die Routes, die sich vor ihnen entwickeln.
Der zweite Punkt ist die 6-1-Front, und die geht primär auf den Game Plan der Patriots im Super Bowl zurück, hier beispielhaft von der Browns-Defense im Spiel gegen die Rams dargestellt.
Die 6-1-Front sehn wir mittlerweile von jedem Gegner im Spiel gegen die Rams - wie der Name bereits vermuten lässt, stehen dabei sechs Spieler an der Line of Scrimmage, mit einem Linebacker dahinter. Es ist von der Grundidee her eine Front, die primär als Run-Stopping-Front eingesetzt wird und vor allem in den Run-lastigen 70er und 80er Jahren ihre Hochphase hatte.
Die Idee dahinter ist, dass jede Gap in der Offensive Line so zugestellt werden kann, während die beiden außen postierten Spieler - nicht selten ein Safety und ein Linebacker - im Falle eines Passes athletisch genug sind, um sich in Coverage zurückfallen zu lassen. Es ist auch die perfekte Front gegen das Run Game, wie Sean McVay es aufziehen will - und das aus zwei Gründen.
Erstens: Vieles in der Rams-Offense baut auf dem Outside Zone Run Game auf - die sechs Spieler an der Line of Scrimmage verhindern, dass die Offense Runs einfach außen tragen kann.
Zweitens: Die Rams spielen bevorzugt aus engen Formationen, also mit den Receivern eng an der Offensive Line postiert. Das ist in gewisser Weise geradezu eine Einladung für die gegnerische Defense, da so der Platz durch die Offense ohnehin komprimiert und die 6-Mann-Front noch effizienter wird.
Das vertikale Passspiel der Rams ist ein Problem
Die Rams versuchen, Antworten zu finden. McVay agiert mehr aus Spread-Formationen und auch beispielsweise mit vier Wide Receivern auf dem Feld, die Tight Ends sind ebenfalls mehr in die Offense eingebunden als letztes Jahr. Doch die Erfolge daraus sind überschaubar.
Beispielhaft für das, was Defenses machen, ist die hier dargestellte Interception von Goff gegen die Browns.
Cover-4 bedeutet nicht einfach, dass die Defense vier Verteidiger tief zurückfallen lässt - neben diversen Coverage-Regeln (wer übernimmt wann welchen Spieler und dergleichen) legen Defenses gegen die Rams den Fokus darauf, aus Cover-4 die Routes vor sich zu halten und diese dann zu attackieren.
Szenen wie hier sieht man deshalb auch immer wieder. Die Defensive Backs sitzen etwa 15 Yards von der Line of Scrimmage entfernt in ihren Zones, haben die Routes und Goff im Blick und attackieren dann die Routes. Das Spiel, in dem das am eklatantesten und aus Rams-Sicht am verheerendsten war, dürfte das Bears-Spiel in der vergangenen Regular Season gewesen sein.
Und Teams werden daraus auch zunehmend flexibel gegen L.A. Defenses zeigen den Rams, so wie hier nochmals Cleveland, vor dem Snap einen Cover-4-Look, nur um dann anschließend raus zu rotieren.
Die Browns beispielsweise gingen Post-Snap häufig in Cover-3 über und der Safety, der näher Richtung Line of Scrimmage rotiert, wurde so entweder als Underneath-Verteidiger oder als zusätzliche Hilfe gegen den Run eingesetzt. Cover-4 öffnet in der Theorie Underneath-Räume - ist aber sehr gut dafür geeignet, ein vertikales Passspiel zu unterbinden.
Goff hat dieses Jahr 6,1 Prozent seiner Pässe 20 Yards oder tiefer geworfen - das ist der geringste Wert aller Quarterbacks mit mindestens zehn solcher Pässe. Ganze 123 Yards sowie eine Interception (kein Touchdown) stehen für Goff bei Pässen über mindestens 20 Yards in diesem Jahr zu Buche.
Zum Vergleich: Kyler Murray hatte diese Woche alleine im Spiel gegen die Falcons 118 Yards bei Pässen über mindestens 20 Yards und Russell Wilson in der Vorwoche gegen die Rams-Defense in diesen Situationen 146 Yards. Der eklatanteste Vergleich aber ist der zu Goffs Vorsaison, als er über 11,5 Prozent seiner Pässe 20 Yards oder weiter warf und dabei die siebtmeisten Yards erzielte.
Die Rams haben bislang keinerlei vertikales Passspiel, was auch direkt mit der Tatsache zusammenhängt, dass das Play Action Passspiel nicht ansatzweise so funktioniert wie letztes Jahr. Auch das ist darauf zurück zu führen, dass Defenses die Line of Scrimmage deutlich besser kontrollieren und die tiefen und mitteltiefen Routes der Rams deutlich besser verteidigen. Goff hat von allen Quarterbacks dieses Jahr bislang das schlechteste Touchdown-Interception-Verhältnis (0:3) bei Play Action.
Goff und die Offensive Line: Probleme, die sich multiplizieren
Dass die vertikalen Pässe nicht so klappen wie gewohnt wird insofern doppelt problematisch, da Goff im Underneath Passing Game auffällig inkonstant spielt. Das war auch ein Grund dafür, dass Teams mit den Cover-4-Varianten so schnell so merklichen Erfolg hatten: Goff ist nicht gut darin, konstant mit dem Underneath Passspiel das Feld runter zu marschieren.
Zu häufig wird er dabei undiszipliniert mit seinen Reads, und zu häufig übersieht er gleichzeitig freie Verteidiger.
Teams, das ist zuletzt aufgefallen, gehen gegen die Rams auch immer wieder erfolgreich in Man Coverage. Selbst bei Zone-lastigen Teams wie den Browns und den 49ers war das zu sehen, bei Tampa Bay unter Todd Bowles sowieso.
Das Schaubild hier zeigt eine der Goff-Interceptions im Bucs-Spiel. Tampa spielt Man Coverage in Form von Cover-1, mit einer kleinen Anpassung. Cover-1 bedeutet eigentlich, dass Man Coverage gespielt wird, mit je einem freien Zone-Verteidiger Underneath und tief. Weil der Running Back aber in Pass-Protection bleibt, deutet der eine Linebacker zunächst einen Rush an, und lässt sich dann in Coverage zurückfallen.
Der zweite Linebacker, Lavonte David, ist der andere Underneath-Verteidiger - und den übersieht Goff beim Versuch, die In-Breaking-Route zu seiner linken Seite zu treffen, komplett. In dem Fall war es nicht der Druck per se, der Goff aus dem Konzept brachte, sondern die Tatsache, dass die Defense nach dem Snap andere Rusher brachte, als es vor dem Snap den Anschein hatte; auch das ist ein Thema, das bei Goff immer wieder zu beobachten ist: Post-Snap-Umstellungen bereiten ihm Schwierigkeiten.
Das führt zum 49ers-Spiel am Sonntag. San Francisco hat ebenfalls mehrfach Cover-1 gespielt und kam so auch zu Goff; der erste Drive der Rams war noch eindrucksvoll, als sie viel mit Jet Motion und Misdirection arbeiteten und so der Niners-Front Probleme bereiten konnten.
Doch San Francisco zerstörte im Laufe des Spiels viele der Screen- und Run-Designs mit immenser Geschwindigkeit auf dem Linebacker-Level, und das war generell ein Thema: San Francisco hat weniger mit aggressiven Run-Stopping-Fronts agiert, weil man die Offensive Line der Rams auch so kontrollieren konnte - und das hat die Räume für die schnellen Linebacker dahinter geöffnet, um die Runs schnell zu stoppen.
Die Rams hatten über die letzten beiden Jahre eine der stabilsten und auch eine der besten Offensive Lines der Liga. Das ist für jede Offense ein elementarer Baustein, für das, was McVay machen will, nochmal ein Stück mehr.
Dieses Jahr sieht das komplett anders aus. L.A. hat eine der anfälligsten Lines in Pass-Protection, abgesehen von Left Tackle Andrew Whitworth - der ebenfalls schlechter spielt als im Vorjahr - ist die Line eine einzige Großbaustelle. Deshalb funktioniert das Run Game nicht wie gewohnt, und Goff wird gegen Pressure sehr schnell ein mittelmäßiger Quarterback.
Die 49ers haben ihn auch nur bei einem Viertel seiner Dropbacks geblitzt, unter Druck stand Goff dennoch bei fast der Hälfte seiner Snaps. Bei diesen sieben Blitz-Dropbacks brachte Goff einen Pass für 5 Yards an.
Und da wurde San Francisco auch kreativ, brachte etwa Zone-Blitzes wie diesen hier, bei dem Goff vor dem Snap erneut nicht wusste, wer im Pass-Rush kommt und wer sich wohin in Coverage fallen lässt. Insbesondere der Slot-Blitz von der rechten defensiven Seite, der dann auch sofort durch kommt, ist angesichts der drei Receiver auf der Seite der Formation überraschend.
Ist die Rams-Offense aktuell irreparabel?
Die Rams haben jetzt zum ersten Mal unter Sean McVay drei Spiele in Folge verloren. Dessen Aussagen nach dem Niners-Spiel gingen in eine ähnliche Richtung wie die von Goff: "Wir haben mental starke Leute hier. Das ist eine gute Gelegenheit, um zu zeigen, wer wir sind."
Das gravierende Problem dabei? In meinen Augen zeigen die Rams das bereits.
Es ist eine Defense, die gut, aber nicht sehr gut ist, sowie eine Offense, die kritische Probleme hat. Die Offensive Line steht dabei ganz oben; für ein Team, das den Ball laufen will, auf ein ausgeprägtes Screen Game setzt und das einen Quarterback hat, der gegen Pressure seit jeher klare Probleme hat, scheint das ein Hindernis zu sein, das zu groß ist, als dass man drum herum coachen könnte.
Das würde bedeuten, dass die Rams-Offense zumindest kurzfristig und mit Blick auf die hohen Ziele in L.A. nicht repariert werden kann.