Diese Coaches stehen 2020 besonders unter Druck
Matt Patricia, Head Coach, Detroit Lions
Als die Detroit Lions 2018 die Trennung von Head Coach Jim Caldwell verkündeten, hatte die Franchise die vorige Saison mit neun Siegen und sieben Niederlagen abgeschlossen, die Defense hatte sich in dieser Spielzeit leicht unterdurchschnittlich präsentiert. In den zwei Jahren unter dem einst als Defensiv-Guru gefeierten Matt Patricia gewannen die Lions zusammengerechnet neun Spiele, die Defense zählte in beiden Jahren zu den schlechtesten der NFL.
Viel mehr als diese Informationen braucht es eigentlich nicht, um darzulegen, wieso Patricias Stuhl 2020 zu den wackeligsten aller Head Coaches zählt. Dass der 45-Jährige überhaupt noch im Amt ist, spricht für einen gehörigen Vertrauensvorschuss der Lions-Führungsetage. In der kommenden Saison wird Patricia also erfolgreich sein und die Lions zumindest wieder in die Nähe eines Playoff-Platzes führen müssen. Daran gibt es keine Zweifel.
Immerhin: Die Vorzeichen könnten definitiv schlechter sein. Die Offense ist auf dem Papier nicht schlecht besetzt: Quarterback Matt Stafford, der fast die halbe Vorsaison verletzungsbedingt verpasste, ist wieder fit, das Receiving Corps sieht gut aus und auch die Offensive Line sollte, sofern Halapoulivaati Vatai als Right Tackle funktioniert, zumindest solide sein. Offensive Coordinator Darrel Bevell zeigte bis zu Staffords Verletzung 2019 zudem gute Ansätze als Playcaller.
Somit liegt Patricias Schicksal in seinen eigenen Händen. Trotz Zugängen von Spielern wie Trey Flowers, Justin Coleman oder Damon Harrison vermochte der ehemalige Patriots-Coach es bislang nicht, die Defense der Lions in eine zumindest durchschnittliche Unit zu verwandeln. 2020 wird mit Jeffrey Okudah, Jamie Collins und Desmond Trufant ein neuer Anlauf gestartet. Schafft es Patricia die Defense in seinem dritten Jahr endlich auf ein neues Level zu heben, sollten die Lions in der NFC North um die Playoffs mitspielen können. Bleibt dieser Schritt auch bei diesem Anlauf aus, dürfte Patricia seinen Job allerdings spätestens am Ende der Saison los sein.
Matt Nagy, Head Coach, Chicago Bears
Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Matt Nagy als einer der genialsten und talentiertesten Köpfe in der NFL galt. An der Seite von Andy Reid hatte Nagy in Kansas City eine der spektakulärsten Offenses der Liga entworfen und Alex Smith auf seine alten Tage doch tatsächlich nochmal in einen aggressiven Downfield-Passer verwandelt.
Seitdem ist jedoch viel passiert: Während die Chiefs ohne Nagy, dafür aber mit Patrick Mahomes, reihenweise eine Defese nach der nächsten pulverisierten, kam Nagys Vision in Chicago nicht ins Rollen. In seinem ersten Jahr erreichten die Bears zwar die Playoffs, verantwortlich dafür zeigte sich jedoch vielmehr die von Vic Fangio verantwortete Defense - und nicht Nagys Offense.
In der vergangenen Saison ließen die Bears offensiv dann jegliche Weiterentwicklung vermissen, tatsächlich machte Chicago sogar einen Schritt zurück, gemäß DVOA (Defense-adjusted Value Over Average) zählte Nagys Offense 2019 zu den zehn schlechtesten der Liga. Dass Nagy öffentlich mit der Einbindung des Running Games haderte und mit dem Gedanken spielte, die Playcalling-Aufgaben abzugeben, schmälerte seine Autorität zusätzlich. Natürlich ist die Tatsache, dass der 42-Jährige in Chicago mit Mitch Trubisky stets nur einen der schwächeren Starting Quarterbacks der Liga zur Verfügung hatte, auch ein Teil der Wahrheit, allerdings wurde Nagy einst extra verpflichtet, um das einstige Top-Talent zu entwickeln.
Dementsprechend düster sehen auch die weiteren Aussichten für Nagy in Chicago aus. Mit Nick Foles holte General Manager Ryan Pace zwar echte Konkurrenz für Trubisky ins Team, eine wirklich gute Starter-Option ist dieser allerdings auch nicht. Nagy muss hoffen, dass die Bears-Defense mit Khalik Mack, Robert Quinn, Eddie Jackson und Co. im kommenden Jahr erneut zu den besten der Liga zählt und das Team somit womöglich zurück ins Playoff-Rennen katapultiert. Verpassen die Bears, die sich vor einem Jahr noch im Win-Now-Modus wähnten, die Postseason ein zweites Jahr in Folge, dürfte Nagys Vision in Chicago gescheitert und somit auch seine Bears-Zeit schon wieder vorüber sein.
Bill O'Brien, Head Coach, Houston Texans
Als Bill O'Brien nach fünf guten, aber keineswegs herausragenden Jahren (52,5 Prozent Siegquote, ein Playoff-Sieg) in Houston die in der NFL völlig unübliche Macht des Head Coaches und De-facto-General-Managers in einer Person verliehen bekam, staunten die meisten Beobachter nicht schlecht. Dass O'Brien seine außergewöhliche Rolle fortan mit enormem Selbstvertrauen interpretieren und gleich mehrere sehr fragwürdige Trades einfädeln sollte, verstärkte diese Skepsis nur noch mehr.
Innerhalb eines Jahres gab O'Brien zwei Erstrundenpicks, einen Zweitrundenpick und einen Drittrundenpick sowie die Star-Spieler Jadeveon Clowney und DeAndre Hopkins ab - mit Ausnahme von Quarterback Deshaun Watson also das wertvollste Kapital der Franchise. Der Gegenwert liest sich mit Laremy Tunsil, der erst kürzlich sehr teuer verlängert wurde, Brandin Cooks, Kenny Stills, Gareon Conley und David Johnson im Gegensatz dazu doch eher überschaubar.
In der Folge seiner aggressiven Trades hat sich O'Brien somit selbst unter Druck gesetzt: Durch die zahlreichen abgegebenen Picks blicken die Texans einer äußerst vagen Zukunft entgegen, das Team muss dementsprechend jetzt erfolgreich sein, zumal Watson 2020 in das letzte Jahr seines sehr günstigen Rookie-Vertrags geht. Inwieweit Houston diesem Anspruch in der kommenden Saison aber tatsächlich gerecht werden kann, muss aktuell bezweifelt werden.
Bereits im Vorjahr waren die Texans laut DVOA ein offensiv nicht mehr als durchschnittliches Team, defensiv präsentierte sich die Franchise noch schwächer, ein Schritt zurück dürfte 2020 daher nur wenig überraschen. Sollte Houston die kommende Spielzeit mit einer schwächeren Bilanz als noch 2019 abschließen, dürfte O'Brien bei der Teamführung allerdings in Erklärungsnot kommen. Der Head Coach kann in diesem Jahr all seine Kritiker Lügen strafen. Gelingt ihm das allerdings nicht, gerät sein Job in ernsthafte Gefahr.
Anthony Lynn, Head Coach, Los Angeles Chargers
Die Los Angeles Chargers haben einen ereignisreichen Sommer hinter sich: In der Free Agency verpflichtete das Team Cornerback Chris Harris Jr. (30 Jahre), Offensive Tackle Bryan Bulaga (31 Jahre), Defensive Tackle Linval Joseph (31 Jahre), außerdem hielt man Tight End Hunter Henry mit dem Franchise Tag ein weiteres Jahr. Im Draft tradeten die Chargers dann zurück in die erste Runde, um mit Kenneth Murray seine Baustelle auf der Linebacker-Position anzugehen. All diese Moves lassen im Gesamtbild nur einen Schluss zu: Die Chargers wollen jetzt gewinnen.
Dementsprechend groß ist der Druck für Head Coach Anthony Lynn. Im Vorjahr litt das Team unter geradezu absurdem Pech in engen Spielen, neun seiner elf Niederlagen musste Los Angeles mit sieben oder weniger Punkten Unterschied hinnehmen. Es ist kein Geheimnis, dass Lynn in der kommenden Spielzeit (deutlich) mehr als die fünf Siege aus der Vorsaison einfahren müssen wird.
Das Grundgerüst dafür ist vorhanden: Die Chargers verfügen ebenso über eine herausragend besetzte Defensive Line wie eine starke Secondary, offensiv zählt das Receiving Corps trotz Fragezeichen auf der Slot-Receiver-Position zu den besseren der Liga. Doch ausgerechnet die wichtigste Position überhaupt bereitet Sorgen: Nach dem Abgang von Philip Rivers heißen die Quarterback-Optionen 2020 Tyrod Taylor, der wohl nicht viel mehr als ein solider Game-Manager sein kann, und Justin Herbert, der nach inkonstanten Leistungen am College wohl noch Zeit benötigen wird.
Angesichts der stark besetzten NFC West mit den Chiefs als amtierendem Champion sowie den verbesserten Raiders und Broncos könnten die Angriffspläne der Chargers schnell ins Wanken geraten. Verpasst das Team trotz der Investments in der Free Agency zum zweiten Mal in Folge die Playoffs, dürfte Lynn sich in Los Angeles wohl nicht mehr halten können.
Adam Gase, Head Coach, New York Jets
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Adam Gase zu den brillantesten Offensiv-Köpfen der NFL gezählt wurde. Mit ihm als Offensive Coordinator brachen die Denver Broncos 2013 zahlreiche NFL-Rekorde, Jay Cutler führte er 2015 zu dessen wohl bester Saison überhaupt. Und auch Gase' Coaching-Einstand bei den Dolphins startete mit der ersten Playoff-Teilnahme des Teams seit acht Jahren durchaus vielversprechend.
Seitdem hat Gase' Reputation allerdings stark gelitten: Seinen guten ersten Eindruck in Miami konnte er nicht bestätigen, zwei Jahre in Serie zählten die Dolphins zu den schwächsten Offensiv-Teams der Liga. Trotz seines unrühmlichen Endes in Florida ernannten die Jets ihn im vergangenen Jahr zu ihrem neuen Head Coach, nur um 2019 ebenfalls eine äußerst ineffektive Offense aufs Feld zu bringen. Ryan Tannehill, unter Gase zu einem Backup-Quarterback verkommen, spielte derweil in Tennessee groß auf und wurde sogar zum Comeback Player of the Year gewählt.
Nach drei negativ abgeschlossenen Saisons, in denen die Offense stets hinter den Erwartungen zurückblieb, muss der 42-Jährige liefern, das bedeutet: Die Offense wird sich merklich verbessern müssen, insbesondere Sam Darnold soll endlich den ersehnten Schritt in Richtung Franchise Quarterback machen. Die Umstände dafür könnten allerdings besser sein: Auf dem Papier wirkt die Offense nicht massiv verbessert. Inwieweit Gase sich und seine offensive Philosophie tatsächlich neu erfinden kann, bleibt abzuwarten.
Gase dürfte 2020 - mit Ausnahme von Doug Marrone, der in Jacksonville zunehmend wie eine reine Übergangslösung wirkt - den kleinsten Spielraum aller Head Coaches in der NFL haben. Selbst in seiner glamourösen Broncos-Vergangenheit wird Gase mittlerweile eher als Statist an der Seite von Peyton Manning als als Protagonist dargestellt. Eine vierte Saison mit einer negativen Bilanz in Serie wird sich Gase in New York wohl kaum erlauben dürfen. Dass die Jets diese hohe Erwartungshaltung rechtfertigen, muss aktuell allerdings bezweifelt werden.