Die Offseason ist in vollem Gange und sorgt unter Fans, aber auch Spielern für Diskussionen zum Zeitvertreib. Auf Instagram stellte kürzlich Michael Thomas von den Saints die Frage, was denn schwieriger sei: Einen Pass gegen Stephon Gilmore - den Cornerback und Defensive Player of the Year der New England Patriots - zu fangen oder einen Pass gegen Thomas - seines Zeichen Offensive Player of the Year - abzuwehren.
Das Ergebnis der Umfrage ist dabei zweitrangig, jedoch meldete sich Dolphins-Receiver DeVante Parker zu Wort: "A", schrieb er trocken. Daraus entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung, die ein wenig an Streitigkeiten auf dem Schulhof erinnerte. Unterm Strich aber fand sich Thomas von Parker nicht respektiert. Parker führte aus, dass Thomas einfach mehr Pässe in seine Richtung geworfen bekommt, als viele andere Receiver. Doch liegt es wirklich nur daran?
Wir gehen der Frage nach: Wer sind eigentlich die aktuell besten Wide Receiver in der NFL?
Michael Thomas (New Orleans Saints)
Zu sagen, dass Thomas 2019 ein herausragendes Jahr in der NFL hingelegt hat, wäre grandioses Understatement. Thomas hat ein historisches Jahr abgeliefert!
Thomas brach mit seinen 149 Receptions den Saison-Rekord von Hall-of-Famer Marvin Harrison aus der Saison 2002. Seine 1725 Receiving Yards waren zudem die siebtmeisten, die jemals in einer Saison erreicht wurden - und 331 mehr als der zweitplatzierte Julio Jones. Und Thomas vollbrachte das Kunststück, als erster Wide Receiver seit Jerry Rice, dem wohl besten Passempfänger aller Zeiten, 1987 zum Offensive Player of the Year gewählt zu werden - seither war diese Ehre stets Quarterbacks und Running Backs vorenthalten.
Doch was macht Thomas so gut? Er verfügt über unglaublich sichere Hände und es gelingt ihm über Option-Routes, meist aus dem Slot gelaufen, konstant, offen zu sein, obwohl er nicht der schnellste Receiver ist. Zudem zeigte er in seinen ersten vier Spielzeiten konstant Leistungssteigerungen. Bereits in seiner Rookie-Saison 2016 kam er auf 92 Receptions für 1137 Yards und toppte in den vergangenen drei Spielzeiten jeweils locker die 100 Receptions-Marke. Er ist das Top-Target von Drew Brees und produziert auf höchstem Niveau, obwohl ihm essenziell seit Jahren ein kongenialer Partner fehlte. Soll heißen: Die Defense wusste oft, wo der Ball hingeht, verteidigen konnte sie es in aller Regel aber doch nicht. "CantGuardMike" ist sein Instagram-Account und in jedem Fall Programm.
Michael Thomas: Statistiken in der NFL
Saison | Spiele | Receptions | Yards | Touchdowns |
2016 | 15 | 92 | 1137 | 9 |
2017 | 16 | 104 | 1245 | 5 |
2018 | 16 | 125 | 1405 | 9 |
2019 | 16 | 149 | 1725 | 9 |
Julio Jones (Atlanta Falcons)
Seit 2011 spielt Julio bereits in Atlanta, das für ihn einst extra in die Top 10 des Drafts tradete, und gehört seither zu den Topleuten auf seiner Position. Jones ist durch seine Größe (1,90 m) ein klassischer Nummer-1-Receiver und kann auch wunderbar als Deep Threat eingesetzt werden. Er beherrscht den kompletten Route-Tree und zeigte schon diverse Male großartige Hände mit spektakulären Catches.
In seinen neun Jahren in der NFL schaffte er es siebenmal in den Pro Bowl und zweimal ins All-Pro First Team. Seine beste Saison hatte Jones 2015 (136 REC, 1871 YDS) und führte damals die Liga in Yards, Receptions und Yards pro Spiel an.
Auch für ihn gilt, dass er kaum zu verteidigen ist, selbst wenn der Fokus auf ihn liegt. Bereits fünfmal in seiner Karriere legte er einen Schnitt von über 100 Yards pro Spiel auf und ist damit maßgeblich am Erfolg der Falcons-Offense im vergangenen Jahrzehnt beteiligt.
DeAndre Hopkins (Arizona Cardinals)
Ein Trade, der in dieser Offseason für mächtig Aufsehen sorgte, war der zwischen den Houston Texans und Arizona Cardinals. Die Texans bekamen unter anderem Running Back David Johnson und schickten im Gegenzug DeAndre Hopkins in die Wüste. Ein Trade, der aus Texans-Sicht nur schwer zu erklären ist. Aus Sicht der Cardinals dagegen dürfte es ein Meisterstück gewesen sein.
Hopkins ist gerade mal 27 Jahre alt und einer der besten Receiver der NFL - seit Jahren! Dreimal bereits erzielte er mehr als zehn Touchdowns. Seit 2013 verpasste er - trotz teilweise sehr überschaubarem Quarterback-Play - nur zweimal die 1000-Receiving-Yard-Grenze.
Hopkins ist nicht der größte (1,85 m) und auch nicht der schnellste Receiver der Liga. Doch er ist dank seines Catch-Radius fast immer anspielbar, hat gute Hände und ist durchsetzungsfähig. Er immer wieder hauptsächlich über die Mitte des Feldes und ist damit eine große Hilfe für jeden Quarterback.
Das galt für Deshaun Watson und wird nun noch mehr für Kyler Murray in Arizona gelten. Hopkins könnte dabei helfen, die Cardinals offensiv auf ein neues Level zu heben. Durch Larry Fitzgerald und Christian Krik, die viel im Slot zum Einsatz kommen, dürfte Hopkins bei den Cardinals noch mehr als Outside-Receiver zum Einsatz kommen, dort machte er stets eine gute Figur und wird alleine durch seine Anwesenheit so viel Aufmerksamkeit des Gegners erfordern, dass andere mehr Platz und mehr Targets bekommen werden - gerade Christian Kirk und Andy Isabella könnten davon im Pass-lastigen System von Kliff Kingsbury profitieren.
Chris Godwin (Tampa Bay Buccaneers)
Der Breakout-Star der Tampa Bay Buccaneers 2019 war unzweifelhaft Chris Godwin, der es prompt erstmals in den Pro Bowl schaffte. Während Godwin in seinen ersten zwei Jahren bereits gute Ansätze zeigte, etablierte er sich im ersten Jahr unter Bruce Arians endgültig zu einer wahren Waffe aus dem Slot.
Nicht nur durchbrach Godwin erstmals die 1000-Yard-Marke (1333), er stellte mit neun Touchdowns auch dort einen neuen persönlichen Bestwert auf. Godwin rückte nach und nach immer mehr in den Fokus von Jameis Winston, weil zum einen Tight End O.J. Howard nicht zu überzeugen wusste und zum anderen die Verletzung von Mike Evans Godwin zwischenzeitlich sogar zur Top-Option im System der Bucs machte.
Hinzu kommt für Godwin, der seine Nummer 12 im Sommer abgeben musste, dass er nun mit einer neuen Nummer 12 auf dem Platz stehen darf: Tom Brady ist fortan sein Quarterback und dieser wirft am liebsten über die Mitte auf Slot-Receiver mit guten Händen. Godwin bringt die und eine generelle Unnachgiebigkeit mit, die ihn aus Bradys Sicht sogar zu einem Upgrade im Vergleich zu seinem Buddy Julian Edelman machen könnten.
Godwin wird auch mit Brady eine zentrale Rolle in einem ohnehin Pass-lastigen System spielen und hat damit gute Chancen, sein bisher bestes Jahr 2019 noch zu toppen. Für ihn persönlich, dürfte das besonders wichtig sein, da sein Vertrag Ende 2020 ausläuft und er erstmals Free Agent werden könnte. Perfektes Timing also für die Ex-Nummer-12 der Bucs.
Tyreek Hill (Kansas City Chiefs)
"Game-Breaker" oder "Cheatcode" sind die Stichwörter der Offense bei den Kansas City Chiefs. Diese gelten allen voran natürlich für Quarterback Patrick Mahomes, aber zum Beispiel auch für Tight End Travis Kelce und natürlich "Cheetah" Tyreek Hill.
Von seiner Statur her ist Hill keineswegs ein Nummer-Eins-Receiver. Er ist gerade mal 1,78 Meter groß und wiegt nur 83 Kilogramm. Dementsprechend nimmt Hill bei KC auch nicht die Rolle des physisch dominanten X-Receivers, sondern des schnellen und flinken Z-Receivers ein. Hill braucht schlicht kein Gardemaß, um gegnerischen Defenses große Probleme zu bereiten. Hill ist unglaublich schnell, er ist vielleicht der schnellste, in jedem Fall aber der explosivste Receiver der NFL. Das gepaart mit Mahomes' Arm macht Hill zum gefährlichen Deep Threat, der seinen Gegnern in der Regel schlicht davonläuft.
Seit Hills Ankunft in der Liga 2016 hat kein Receiver mehr Receptions über mindestens 20 Yards gefangen als Hill. Und keiner hat zudem aus solchen mehr Yards herausgeholt. Abgesehen von seiner Gefahr im Passspiel tritt Hill aber auch hin und wieder mit End-Arounds und Jet-Sweeps in Erscheinung und ist auch in solchen Situationen meist zu schnell für Defenses.
Hill ist somit ein Receiver, der bestens ins System von Andy Reid und zu Mahomes passt. Doch Hill ist keineswegs ein reiner System-Spieler: Seine Fähigkeiten dürften sich auch problemlos in andere Offenses integrieren lassen, sodass Hill unzweifelhaft zur Creme de la Creme der Wide Receiver zählt.