Das beste AFC-Team - und die neuen Head Coaches
Lando Garner, Henry Mühlenfeld: Wer ist dein Favorit auf die AFC-Krone dieses Jahr?
Viele Fragen zur AFC-Spitze generell von euch, die natürlich auch Woche für Woche wieder dazu einlädt.
Ich hatte vor einigen Wochen schon mal die Frage in den Raum gestellt, wer in der AFC überhaupt wirklich gut ist - und nachdem sich in der Folge ganz vorsichtig die Buffalo Bills hier herauszukristallisieren schienen, ist diese Annahme nach wirklich wackligen Auftritten der Offense erst gegen Miami und dann bei einer indiskutablen Leistung gegen Jacksonville am Sonntag wieder frisches Material für den Papierschredder.
Im Moment wäre es ehrlicherweise nicht zu rechtfertigen, hier ein anderes Team als die Titans zu nennen, die über die letzten vier Wochen die Bills, Chiefs und Rams geschlagen, sowie mit einem - wenn auch teilweise glücklichen - Sieg gegen die Colts ihre Division quasi eingetütet haben.
Was mir bei Tennessee aktuell vor allem gefällt, ist die Tatsache, dass die Titans Spiele auf unterschiedliche Arten gewinnen können. Diese Offense kann super explosiv sein, insbesondere wenn sie ihre Playmaker hat. Und klar, Derrick Henry wird in der Regular Season höchstwahrscheinlich nicht mehr spielen, aber mit Tannehill, Brown und Jones ist das eine sehr unangenehme Offense.
Aber selbst wenn die Offense eine schlechte Woche hat, wie jetzt gegen die Rams, ist die Defense nach einigen ziemlich wackligen Spielen früh in der Saison längst angekommen. Das beginnt für mich in der Front, wo die Defensive Line individuell wirklich gut und unheimlich physisch spielt, aber auch mit ihren Stunts und ihren Umstellungen spät im Play Protections durcheinanderbringen kann.
Dahinter haben sie einen der besten Safeties in der NFL, und ja, Cornerback-Play kommt immer noch mit ein paar Fragezeichen, aber selbst das ist besser als ich gedacht hatte. Das heißt jetzt nicht, dass die Titans irgendein unschlagbares Monster sind, aber aktuell sehe ich sie in einer komplett unbeständigen AFC ganz vorne.
Dahinter bleiben für mich weiterhin die Bills und Ravens, bei aller AFC-Unsicherheit scheint sich dieses Trio oben schon einzupendeln. Baltimore ist in der Lage, Spiele zu drehen, das ist eine Qualität, die dieses Team in den vergangenen Jahren so nicht hatte. Dafür ist die Defense anfälliger und durch die dezimierte Offensive Line funktioniert das Run Game als Kernidentität nicht.
Und die Bills sind auf dem Papier das kompletteste Team, dabei bleibe ich. Aber die Offense ist einfach noch nicht in der Saison angekommen, auch wenn es zwischenzeitlich so gewirkt hat. Die Offensive Line war gegen Jacksonville furchtbar, und das nimmt Buffalo zu viel offensiven Floor.
Diese Conference ist komplett offen, und ein Team wie die Chargers oder die Patriots könnte hier noch eine sehr interessante Rolle spielen.
Harry higgens: Kurzes Zwischenfazit: Wie schlagen sich die Rookie Head Coaches?
Brandon Staley, Chargers: Viele positive Dinge, einige Fragezeichen.
Man sieht auf jeden Fall schon klar die defensive Handschrift von Staley, und ich denke es ist nachvollziehbar, dass es ein paar Wachstumsschmerzen dabei noch gibt. Diese Defense wird strukturell gravierend verändert, verglichen damit, was die Chargers über die letzten Jahre gespielt haben, und es wird zumindest noch eine Offseason brauchen, um insbesondere die Defensive Line für Staleys Defense umzubauen.
Positive Aspekte auch im Game-Management, was über Jahre mehr Rosenbusch als Dorn im Auge war, man sieht, wie sich dieses Team weiterentwickelt und letztlich ist das ja Priorität Nummer 1 unter einem neuen Head Coach.
Was mir noch nicht so wirklich gefällt ist das offensive Scheme. Hier will ich noch mehr sehen, dass die Chargers schematische Antworten haben, wenn sie individuell nicht gewinnen. Und ich will mehr sehen, dass die Offense auf Herberts Stärken angepasst wird.
Urban Meyer, Jaguars: Bei Meyer waren wir ja schon vergleichsweise nah dran, dass das ganze Kartenhaus einstürzt. Als er nach der Pleite in Cincinnati nicht mit dem Team zurückflog und es sich stattdessen in Ohio in einer Bar gutgehen ließ, inklusive eines peinlichen Videos mit einer jungen Frau. Meyer musste sich entschuldigen, die Jaguars ließen die Öffentlichkeit in einem Statement wissen, dass ihr Head Coach sich erst einmal das Vertrauen wieder verdienen muss.
Ein Bilderbuchstart geht also in jedem Fall anders, und es sind ja nicht nur die Themen abseits des Platzes, die Meyer schon seit vor Saisonstart begleiten. Es ist eben auch der sportliche Part. In einem Team, das natürlich noch am Anfang eines weiteren Umbruchs steht - die Jaguars hatten nicht zufällig den Nummer-1-Pick im vergangenen Draft -, hatte ich mir erhofft, dass gerade Meyer ein Coach sein kann, der mit offensiver Kreativität auffällt und so Jacksonville zumindest eine unterhaltsame Offense geben kann.
Davon sehe ich bisher viel zu wenig. Einzig Trevor Lawrence fällt hier mit einzelnen Würfen positiv auf.
Dan Campbell, Lions: Es gibt einige Coaches in dieser Liste, bei denen man festhalten muss, dass der aktuelle Kader so schwach ist, dass eine faire Bewertung nur sehr bedingt möglich ist. Campbell gehört in dieser Liste weit nach oben, direkt neben David Culley in Houston.
Insofern muss man die Parameter für die Bewertung auch etwas anders anlegen. Was bei Campbell unbestreitbar auffällt, ist - neben einer Offenheit für Analytics, die ihm angesichts einiger Pressekonferenzen in der Offseason vermutlich nicht allzu viele zugetraut haben - die Tatsache, dass er diesem Team einen emotionalen Puls gibt. Und das sind Coaches, für die Spieler tendenziell gerne spielen. Vielleicht ist das für sich betrachtet genug für ein positives Zwischenfazit.
Nick Sirianni, Eagles: Hier bin ich am ratlosesten. Es ist nicht so, dass Sirianni seine Sache schlecht machen würde, aber ich hatte zu lange den Eindruck, dass er mit Jalen Hurts eine Offense spielen wollte, die eher zu einem Quarterback wie Backup Gardner Minshew passt.
Mittlerweile scheinen sie sich vollends auf das Run Game zu stützen, was mit Hurts und einer guten Offensive Line nicht die schlechteste Idee ist. Was auffällt, ist, wie simpel die Defense agiert. Das ist nicht Siriannis Steckenpferd, aber vielleicht wird hier eine Veränderung im Trainerstab in der Offseason notwendig.
Arthur Smith, Falcons: Der Trend passt. Man konnte in den ersten Wochen förmlich dabei zusehen, wie die Offense sich noch finden musste - nur um dann ihren Nummer-1-Receiver Calvin Ridley zu verlieren, als die offensive Struktur etwas stabiler daherkam.
Vielleicht kann man es am ehesten so zusammenfassen: Bei Smith habe ich den Eindruck, dass er offensiv weiß, was er tut. Wie sie mit Patterson und Pitts Matchups und Räume kreieren, wie sie eine in Teilen wacklige Offensive Line kompensieren können - die Falcons sind sicher im Mittelmaß angekommen, und das liegt zunehmend an Smiths Offense, trotz gravierender individueller Kaderbaustellen.
Robert Saleh, Jets: Die Verletzung von Zach Wilson hat uns ein besseres Gefühl dafür gegeben, was die Offense eigentlich schon für einen schematischen Floor hat, das ist in jedem Fall ein positives Zeichen mit Blick auf den neuen Trainerstab. Defensiv sind die Jets noch weit weg, was aber angesichts des Kaders auch nicht überraschend ist und mit Blick auf die Entwicklung einiger Spieler in der Secondary kann man Saleh sogar auch hier loben.
Die große Frage wird letztlich sein, ob Saleh in puncto Game Management, Roster Management und den "klassischen" Head-Coach-Aufgaben so gut werden kann, dass er das Team langfristig in eine bestimmte Richtung schiebt. Denn auf dem Platz schematisch gesprochen überzeugt bisher eben eher die Offense.
David Culley, Texans: Natürlich ist Culley irgendwo die ärmste Figur in alledem, was in Houston über die letzten Monate passiert ist. Und er wäre dann dementsprechend auch die Definition eines Bauernopfers, sollte er nach dieser Saison gleich wieder fliegen - was ich allerdings nicht ausschließen würde.
Was man Culley lassen muss, ist, dass er mit einem sportlich vermeintlich kaum kompetitiven Kader schon mehrere gute Spiele hingelegt hat. Gegen Jacksonville, in Cleveland - wo sich Tyrod Taylor verletzte -, gegen die Patriots. Sie haben Game Plans zusammengeschustert, die mit ihrem limitierten Personal individuell besseren Teams Probleme bereiten.
Aber seitdem sehen wir, wie die Saison zunehmend entgleist. Die Frage hier ist tatsächlich, inwieweit man Culley in dieser Saison überhaupt bewerten kann, wenn am Ende einzelne Achtungserfolge und viele Spiele, in denen man chancenlos war, stehen. Ich denke nicht, dass er die langfristige Antwort in Houston ist.
Ali_Na: Wird der Sitz von Shanahan langsam wärmer?
Ich tendiere dazu, zu sagen, dass er noch nicht an diesem Punkt ist, dass er wackelt - nicht zuletzt angesichts des neuen Sechsjahresvertrag, den er im Sommer 2020 unterschrieben hatte.
Ganz nüchtern betrachtet halte ich dennoch einen Diskurs dahingehend für berechtigt, ob Shanahan nicht doch ein besserer Play-Caller und Offensive Coordinator als Head Coach ist. Und weiter gedacht dann auch darüber, ob er nicht zu viel Macht in der Kaderzusammenstellung in San Francisco hat und ob das nicht zu zu vielen Interessenskonflikten führt. Mit Blick auf Draft-Picks, mit Blick auf Priorisierung bestimmter Positionen, unter anderem.
Wer hatte das letzte Wort bei der Quarterback-Auswahl? Und wie sieht der Prozess dahinter aus, was ist der Plan, um die Franchise irgendwann in die Hände von Trey Lance zu legen? Das ist nur eine von vielen Fragen in der Kaderzusammenstellung und dem Kader-Management, wenngleich angesichts der investierten Ressourcen auch die aktuell brennendste Frage.
Ich halte Shanahan immer noch für einen exzellenten Play-Caller und Play-Designer, gleichzeitig frage ich mich, ob das Konstrukt so wie es aktuell in San Francisco ist, nicht in einer Sackgasse gelandet ist.
Angesichts der vertraglichen Parameter sowie der investierten Ressourcen in Lance denke ich, dass Shanahan zumindest 2022 noch sicher im Sattel sitzt. Auch wenn die aktuelle Saison in mehrfacher Hinsicht eine ziemliche Enttäuschung zu werden scheint.