3. Philadelphia Eagles: Wie geht es weiter mit Hurts?
Das war schon ein ernüchternder Auftritt für die Eagles in Tampa Bay. Hier kann man sicher auch darüber sprechen, dass man Philadelphia förmlich angesehen hat, dass dieses Team noch nicht bereit ist für die Playoffs - und das ist irgendwo auch in Ordnung, wenn man bedenkt, wie dieses Team vor der Saison aussah und wie es sich entwickelt hat.
Und dennoch wurden die Schwachstellen schon schmerzhaft deutlich offengelegt. Defensiv hatte Philadelphia über weite Teile dieser Saison das Problem, dass die Offense in Coverage zu soft und zu eindimensional war, sodass gute Quarterbacks mit einem disziplinierten Kurzpassspiel hier relativ konstant angreifen konnten. Die denkbar bitterste Schwäche gegen eine Offense mit Tom Brady.
Dementsprechend war das auch ein maßgeblicher Teil der Story dieses Wildcard-Spiels. Obwohl Tampa Bay noch Verletzungen in der Offensive Line wegstecken musste und obwohl der Pass-Rush der Eagles dann nach und nach aufwachte und Brady auch einiges an Druck bekam, stoppte das die Bucs nur vereinzelt. Weil Brady eben immer wieder ins Kurzpassspiel gehen konnte und den Ball sicher verteilte, und dann für einzelne Shots die Eins-gegen-Eins-Matchups hatte. Die Baseline der Eagles war hier nicht gegeben, weil sie gegen Brady nicht funktionierte.
Offensiv war der zentrale Takeaway, dass Philadelphia nach wie vor von einem bestimmten Spielverlauf und Spielstil abhängig ist. Dass Jalen Hurts als Passer zwar Fortschritte gemacht hat, aber dass er noch deutlich schneller und deutlich besser darin werden muss, wie er das Feld liest und wie akkurat er den Ball verteilt.
Der Weg für Philly in diesem Spiel lag immer darin, mit der O-Line zu dominieren, den Ball zu laufen und dann mit einzelnen Sacks die Bucs-Offense zu Punts zu bringen. Wenn das aber nicht gegeben ist und Hurts in so einem Spiel aufholen muss, mehr aus dem echten Dropback Game agieren muss, dann ist es ein mitunter wilder Ritt. Da fehlt doch noch einiges, dann werden Hurts' Schwachstellen deutlich unterstrichen, was denke ich auch die Gesamtsituation der Eagles beschreibt.
Hurts ist weiter als gedacht, als Passer aber noch längst nicht auf dem Level, das er mal haben muss, um eine langfristige Option zu werden. Das ist die klare Realität, was im Umkehrschluss, auch nach dieser sehr positiven Saison und auch wenn Hurts im Moment günstig ist, eben auch bedeutet, dass Philadelphia die Augen offen halten sollte, falls sich eine Möglichkeit auf ein Upgrade ergibt.
Eagles: Saison war dennoch ein Erfolg
Ich komme bei den Eagles dementsprechend auch in erster Linie darauf zurück, wie gut der Prozess in Philadelphia bezüglich der Quarterback-Position und bezüglich des Draft-Ressourcen-Managements war. Philadelphia hätte vor zwei Jahren auch zu dem Schluss kommen können, dass man jetzt erst recht komplett in Carson Wentz investieren sollte - doch man behielt eine offene Einstellung zur eigenen Quarterback-Position und zum Quarterback-Markt, und wählte dann in der zweiten Runde des Drafts Jalen Hurts.
Ein Quarterback-Prospect, bei dem man wusste, das er etwas Zeit brauchen wird und der keineswegs als Mega-Steal damals angesehen wurde. Vielmehr ging Hurts für viele sogar etwas höher als erwartet, und die Eagles kassierten einiges an Kritik dafür, einen vermeintlichen Konkurrenten für Wentz gedraftet zu haben, statt ihrem bereits teuer bezahlten Franchise-Quarterback jede mögliche Form der Hilfe zur Seite zu stellen.
Ich denke das ist ein gutes Beispiel dafür, dass man sich von bestimmten Gedankenmustern lösen muss. Falls der Hurts-Pick tatsächlich ein maßgeblicher Grund dafür war, dass Wentz in der 2020er Saison derart eingebrochen ist - dann wäre meine Schlussfolgerung umso mehr, dass Wentz nicht die langfristige Lösung werden konnte.
Was die Eagles mit dieser Entscheidung in erster Linie gemacht haben, ist ein in meinen Augen kritisches Beispiel dafür, wie man den Quarterback-Markt spielen sollte, solange man keinen der klaren Top-Quarterbacks hat: In erster Linie sollten alle Optionen immer denkbar sein. Das kann ein Pick in der zweiten oder dritten Runde des Drafts sein, es kann aber auch der First-Rounder sein.
Wenn man nicht zu 100 Prozent überzeugt ist, dass man seinen Top-10-Franchise-Quarterback gefunden hat, sollte die Möglichkeit auf ein Upgrade immer nicht nur auf dem Tisch sein, sondern auch eine hohe Priorität genießen. Denn diesen Quarterback zu finden ist der Schlüssel für jede Franchise, um nachhaltig erfolgreich zu sein und um ultimativ ein Titelkandidat zu sein.
Eagles: Hurts-Pick hat sich voll ausgezahlt
Der Hurts-Pick war in dieser Denkweise eine Absicherung, aber auch eine Investition, und die hat sich für die Eagles voll ausgezahlt. Nicht nur weil Hurts sich in diesem Jahr als Starter deutlich weiterentwickelt hat und jetzt noch für zwei Jahre sehr günstig sein wird, sondern weil Philadelphia auch die weiteren Schritte richtig wählte.
Wentz zu traden und daraus letztlich unter anderem einen Erstrunden-Pick mitzunehmen, dann im Draft die Gier der Dolphins auszunutzen und nochmals runter zu gehen, sodass man im kommenden Draft mit drei Erstrunden-Picks dasteht? Das ist absolut herausragender Process.
Und hier endet die Linie ja auch nicht. Philadelphia kann jetzt die nächsten zwei Jahre um Hurts etwas aufbauen, und parallel die Fühler weiter ausgestreckt halten, sollte ihnen ein Quarterback-Upgrade über den Weg laufen. Die drei Erstrunden-Picks in diesem Jahr könnten am Ende auch in weiterer Draft-Munition 2023 resultieren, um sich weiter Spielraum und die entsprechenden Ressourcen zu sichern.
Ich weiß nicht, ob Philadelphia um Hurts am Ende wirklich einen Contender-Kader aufbauen und dieses Titelfenster aufstoßen kann. Aber unabhängig davon sehe ich kaum ein Team aktuell, dem ich was diese Entscheidungsfindung und auch die weiteren Weichenstellungen angeht mehr vertraue als die Eagles.